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Korruption in der Ukraine ist allgegenwärtig

Von den rund zehn Milliarden Euro, die im Vorfeld der UEFA EURO 2012 für Stadien und Infrastruktur in der Ukraine ausgeben wurden, profitierten vor allem die ukrainischen Großkonzerne. Hinter denen stehen regelmäßig die sogenannten Oligarchen. Auch die im Land traditionell weit verbreitete Korruption blüht weiter.

Von Jan Pallokat |
    Kein Grund zum Jubeln für die ukrainische Niederlassung von Siemens. Die nahende Fußball-Europameisterschaft hat den Geschäften im Land nicht den erhofften Schub gegeben, sagt Siemens-Manager Thomas Stümer.

    "Die Erwartungen an die EM 2012 waren sehr groß. Siemens hoffte auf ein paar Dutzend Millionen Euro, am Ende sind es wahrscheinlich acht Millionen. Wir haben etwas Equipment fürs Stadion geliefert, wobei wir keinen direkten Vertrag fürs Stadion hatten, sondern es lief über Auftragnehmer, die dann bei Siemens eingekauft haben."

    Im Nachhinein ist Siemens vielleicht auch ganz froh, nicht groß dabei gewesen zu sein. Denn der Umbau des alten Kiewer Olympiastadions, Austragungsort des EM-Endspiels im Juli, ist im Rahmen der ohnehin skandalträchtigen EM-Vorbereitungen im Lande der wohl größte Skandal. Fast eine halbe Milliarde Euro verschlang er - die wohl teuerste Stadion-Rekonstruktion der Welt.

    "Wir hatten sehr wenig Zeit, deswegen ist es teuer geworden," sagt der Stadionmanager Roman Ledionow. "Wir mussten richtig loslegen, um fertig zu werden. Bei uns ist das Bauen zudem sehr teuer. Es ist ein sehr dynamischer Markt. Und deswegen rechnet man heute mit diesem, zahlt morgen aber jenen Preis."

    Hauptverantwortung für die teure EM trägt Borys Kolesnikow, der Infrastrukturminister. Gleich nach dem Regierungswechsel 2010 setzte er kurzerhand das Vergaberecht außer Kraft. Begründung: Planungsverzug. Parallel dazu zogen die Kosten massiv an. Siemens-Manager Thomas Stümer:

    "Da ist dieses Gesetz im Vorfeld der EM erlassen worden, damit können Aufträge im Direktverfahren ausgegeben werden. Daran hat Siemens nicht teilgenommen. Fakt ist, auch große Aufträge wurden direkt vergeben, aber hauptsächlich an ukrainische Unternehmen."

    Etwa an die Kiewer AK Engineering als dritten Generalunternehmer beim Stadionbau, über deren Hintergrund kritische ukrainische Medien seither rätseln. Viele Spuren führen in die Ostukraine, aus der Premier Janukowitsch und sein Infrastrukturminister stammen. Diese bestreiten eine Verbindung zu der Firma. AK Engineering knüpfte rund um den Stadionbau ein Geflecht aus Subunternehmern, auch aus Deutschland. So lieferten bayerische Firmen das Stadiondach und die Anzeigetafeln. Die Entwässerungsanlagen stammen aus Hessen und ein Hamburger Architekturbüro verantwortete die Gestaltung. Sämtliche deutsche Firmen bestreiten, Schmiergeld gezahlt zu haben. Andrej Janicki von der Webzeitung LB.ua bezweifelt jedoch, dass in seinem Land öffentliche Aufträge ohne Schmiergeld überhaupt zu bekommen sind.

    "Das glaube ich nicht, dass es ohne Schmiergeld geht. Es profitieren verschiedene Leute, die eines gemeinsam haben: Sie stehen der aktuellen Führung nahe. Wir haben keine konkreten Dokumente dazu. Aber man kann gut verfolgen, durch welche Kanäle das Geld läuft. Und es gibt einen Minister, der alles bestimmt. Ohne seine Unterschrift läuft nichts."

    Die Korruption in der Ukraine ist ohnehin allgegenwärtig. Transparency International stuft das Land von 183 untersuchten Ländern auf Platz 152 ein, also sehr weit hinten. Die Zeitungen sind voller Artikel über bizarre Fälle grandios überteuerter Staatsausgaben, ganz ähnlich wie beim Kiewer Stadionbau. Und auch der erstaunliche Reichtum vieler Staatsdiener sticht ins Auge, der in keinem Verhältnis zu ihrem auf dem Papier bescheidenen Einkommen steht, wie Ursula Koch-Laugwitz analysiert, Ukraine-Repräsentantin der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung:

    " Es gibt von Anbeginn eine Tendenz, sich eine Partei zu kaufen. So kann man Einfluss generieren."

    Die wahren Strippenzieher im Land sind die großen Wirtschaftskapitäne, auch bei den EM-Vorbereitungen. Die Fußball-Europameisterschaft nutzen einige von ihnen, um sich als Wohltäter in Szene zu setzen: Der Stahlmagnat Rinat Achmetow etwa, auf der Forbes-Liste der Reichsten Menschen der Welt die Nummer 39, zahlte das EM-Stadion in seiner Heimatstadt Donezk aus eigener Tasche. Woher der Mulitmilliardär sein Reichtum hat, weiß selbst in der Ukraine niemand so genau.