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Korruption bei Tokio 2020
Große Party für einige wenige

Die Olympischen Sommerspiele 2020 lassen die Veranstalter in Tokio auch im Jahr 2022 noch nicht in Ruhe. Ein Korruptionsverdacht nach dem anderen kommt ans Licht. Das gefährdet auch den Plan, die Winterspiele 2030 nach Sapporo zu holen.

Von Felix Lill |
Ermittler gehen ins Hauptquartier des japanischen Verlags Kadokawa im Zuge der Korruptionsvorwürfe rund um die Vergabe der Olympischen Sommerspiele nach Tokio 2020.
Im Korruptionsskandal rund um die Olympischen Spiele in Tokio kehrt einfach keine Ruhe ein. (dpa / picture alliance / Jiji Press)
"Das hat es überhaupt nicht gegeben. Das hat es überhaupt nicht gegeben!", dies beteuerte Tsuguhiko Kadokawa diese Woche gegenüber dem japanischen TV-Sender TBS. Der 79-jährige ist Vorsitzender des Großverlags Kadokawa, der im Zuge der Olympischen Spiele von Tokio zu den offiziellen nationalen Sponsoren gezählt hat.
Durch diesen erlesenen Status durfte Kadokawa nicht nur mit dem Olympialogo werben, sondern wurde auch zum Publikationspartner bei Veröffentlichungen wie Guidebooks und Olympiarückblicken. Allerdings hat Kadokawa dieses Recht womöglich mit unlauteren Mitteln erworben.

76 Millionen Yen an Bestechungsgelder

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Kadokawa Mitglieder des Tokioter Organisationskomitees bestochen hat. Es geht um eine Summe von 76 Millionen Yen, nach derzeitigem Wechselkurs rund 528.000 US-Dollar. Kadokawa-Chef Tsuguhiko Kadokawa will davon nichts wissen.
Auf die Frage, ob wirklich kein Geld an ein Mitglied der Olympiaorganisatoren gezahlt worden sei, antwortete er:
"Genau, ich habe ihm nichts überwiesen, denke ich."

"Tokyo 2020" ein Fest der Korruption?

Wobei er damit nicht sagt, dass überhaupt kein Geld geflossen ist. Entsprechend wurden Anfang der Woche ein Manager von Kadokawa sowie ein Berater festgenommen. Und dies ist längst nicht der erste Fall von Korruptionsverdacht rund um die Tokioter Sommerspiele.
Am Mittwoch berichtete der Sender Nihon Terebi über den ehemaligen Vorsitzenden des Bekleidungskonzerns Aoki Holdings: „Im Korruptionsfall um die Spiele von Tokio ist der Vorsitzende von Aoki, Hironori Aoki, der gestern angeklagt wurde, gegen Kaution aus der Haft entlassen worden. Die Kaution beträgt 300 Millionen Yen.“
Das entspricht knapp 2,1 Millionen US-Dollar. Und wie beim Verlag Kadokawa haben die Ermittler auch bei Aoki als Empfänger der Zahlungen Haruyuki Takahashi identifiziert: Takahashi war Mitglied des olympischen Organisationskomitees von Tokio und kümmerte sich dort um Marketing. Auch Takahashi wurde zuletzt festgenommen und nun wieder gegen Kaution freigelassen.
Die Ermittlungen aber laufen weiter. Dabei entsteht der Eindruck, als wäre "Tokyo 2020", das die Organisatoren einst als "großes Fest für alle in Japan“ angekündigt hatten, vor allem für ein paar wenige Offizielle eine große Party gewesen. So hat Haruyuki Takahashi mutmaßlich Bestechungen in Höhe von fast einer Million US-Dollar erhalten.

Der Status des Olympiasponsors ist heiß begehrt

Und auch gegenüber Yoshiro Mori – einst Japans Premierminister und bis zu einem Skandal um sexistische Äußerungen auch Vorsitzender des Organisationskomitees – besteht dieser Verdacht. Auf Anfragen lässt Mori über seinen Anwalt in einer Presseerklärung wissen:
"Es laufen Ermittlungen, die wir nicht behindern dürfen, sodass wir von der Beantwortung von Fragen absehen"
Der Status des Olympiasponsors ist heiß begehrt. So heiß, dass Unternehmen nicht nur zu hohen Bestechungszahlungen bereit schienen. Ihre Unterstützung des Events zogen sie auch dann nicht zurück, als die Tokioter Spiele inmitten gestiegener Kosten sowie den Beschränkungen und Gefahren durch die Pandemie längst unbeliebt geworden waren.
Michael Naraine, Professor für Betriebswirtschaft an der kanadischen Brock University und Experte für Sportfinanzen, erklärte dies kurz vor Beginn der Spiele im vergangenen Sommer so:
„Bei den Olympischen als Sponsor dabei zu sein, maximiert die Zahl an Augenpaaren, die den Namen und das Logo eines Unternehmens sehen. Die Erträge erscheinen daher immer größer als die Risiken. Sponsoren wollen neue demographische Kundengruppen. Und es zeigt sich, dass Sportsponsoring Teil einer Langfriststrategie ist. Die Betriebe wollen langfristig mit Sport und all seinen Werten verbunden werden.“

Idee des Sponsorings auf die Spitze getrieben

Im Zuge der Spiele von Tokio wurde die Idee des Sponsorings zudem auf die Spitze getrieben. Anders als vorige Olympiagastgeber betonte Tokio nicht das Exklusive von Olympia, sondern das Patriotische und Nationale. So wurde pro Wirtschaftsbranche erstmals mehr als ein einziger Sponsor aus dem Gastgeberland zugelassen. "Tokyo 2020" nahm damit rund drei Milliarden US-Dollar ein.
Mit dieser Strategie gab es etwa zwei Fluglinien, die mit dem Tokioter Logo werben konnten, zwei Sanitärhersteller, zwei Banken und so weiter. Weil unter den Konzernen aber dennoch Wettbewerb um den Status des Sponsors bestand, konnten die Organisatoren zwischen Interessenten auswählen. Und mit Bestechungen ließen sie sich offenbar überzeugen.
Im Zuge von Aoki haben Bestechungen wohl sogar zu einem Rabatt bei der Sponsoringsumme geführt – was in Japan umso mehr für Aufregung sorgt. Denn der Bevölkerung war das letztlich leere Versprechen gemacht worden, die Spiele würden kein Steuergeld kosten. Am Ende muss die öffentliche Hand mit Milliarden US-Dollar einstehen.

Die Schatten betreffen Sapporos Bewerbung für die Spiele 2030

Dass sich offenbar Olympiaoffizielle bereicherten, während die Einnahmen für das Großevent durch Rabatte verringert wurden, wirft ein gutes Jahr nach Ende dieser umstrittenen Spiele einen noch weitreichenderen Schatten über „Tokyo 2020.“
Und der betrifft mittlerweile nicht mehr nur die letzten Sommerspiele, sondern auch die Olympiabewerbung des nordjapanischen Sapporo für die Winterspiele 2030:
"Das hat mit unseren Bewerbungsaktivitäten zwar nichts zu tun, aber insgesamt glaube ich, dass so das Ansehen der Olympischen und Paralympischen Spiele beschädigt wird", sagte am Donnerstag der Bürgermeister von Sapporo, Katsuhiro Akimoto. Ein Treffen in der Schweiz mit dem IOC haben die Bewerber aus Sapporo kurzerhand abgesagt.
Mit dem Wirbel um die Spiele von Tokio – bei denen auch noch der Verdacht des Stimmenkaufs für das Austragungsrecht besteht – habe dies aber nichts zu tun, heißt es offiziell.
Allerdings berichtet die Nachrichtenagentur Kyodo von einer Quelle, die unter der Bedingung der Anonymität das Gegenteil bestätigt. An diesen unruhigen Tagen wolle man nicht für noch mehr Aufregung sorgen und damit die Bewerbung von Sapporo gefährden.