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Korruptionsaffäre in Katalonien
Nationalisten beklagen "politische Großwildjagd"

Mit ihrem Ruf nach Unabhängigkeit haben die Nationalisten in Barcelona große Erfolge gefeiert. Nun wird Mitgliedern der katalanischen Regierungspartei vorgeworfen, Bestechungsgelder kassiert zu haben. Einige sitzen bereits in Haft. Sie sehen sich als Opfer einer politischen Großwildjagd.

Von Hans-Günter Kellner |
    Auf einer Bühne stehen in der Nacht die Politiker, vor ihnen Wähler und Unterstützer. Am rechten Bildrand wehen eine Fahne Kataloniens und eine Europa-Fahne.
    "Wir von der Partei der Demokratischen Konvergenz Kataloniens stehen im Fadenkreuz einer politischen Großwildjagd.": Regierungschef der Partei Demokratische Konvergenz, Artur Mas, hält die Festnahmen für übertrieben. (LLUIS GENE / AFP)
    "Drei Prozent": Diese Zahl ist im nordostspanischen Katalonien längst zum geflügelten Wort geworden für Korruption in der Politik. Schon 2005 sagte der damalige Chef der katalanischen Sozialisten Pasqual Maragall zu Nationalistenchef Artur Mas: "Sie haben ein Problem. Und dieses Problem heißt drei Prozent."
    Doch damals blieb es bei Andeutungen, die Nationalisten hätten jahrzehntelang bei öffentlichen Aufträge drei Prozent an Parteispenden kassiert. Jetzt ermittelt die Sonderstaatsanwaltschaft für Korruptionsvergehen. Der Schatzmeister der Regierungspartei Demokratische Konvergenz Kataloniens ist in Untersuchungshaft – er hatte mutmaßliches Beweismaterial geschreddert –, und dem Leiter des Büros für öffentliche Aufträge der Regionalregierung wurde der Reisepass entzogen. Regierungschef Artur Mas sagte dazu am Donnerstag:
    "Diese ganzen Maßnahmen der Guardia Civil und der Staatsanwaltschaft sind völlig übertrieben und sind unter dem Licht der gegenwärtigen politischen Situation zu verstehen, die Katalonien derzeit erlebt. Wir von der Partei der Demokratischen Konvergenz Kataloniens stehen im Fadenkreuz einer politischen Großwildjagd."
    Konspiration gegen katalanische Unabhängigkeitsbewegung?
    Die Ermittlungen wären also eine Konspiration Spaniens gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung. Carlos Jiménez Villarejo wundern die Festnahmen und Hausdurchsuchungen hingegen überhaupt nicht. Er war bis 2003 Sonderstaatsanwalt für Korruptionsvergehen und hatte schon 1986 Anklage gegen den damaligen nationalistischen Ministerpräsidenten Kataloniens, Jordi Pujol, erhoben.
    Pujol habe sich beim Zusammenbruch der teilweise in Familienbesitz befindlichen Bank Banca Catalana bereichert, so der Vorwurf damals. Seither fuße die Macht der Nationalisten auf korrupten Netzwerken.
    "Diese Partei hat sich seit ihren Anfängen durch Korruption finanziert. Die Beweise werden doch jetzt vorgelegt. Ich habe ein ganzes Buch über die Korruption in Katalonien verfasst, die noch weitere Parteien betrifft. Man hat den Eindruck, dass die Politik die Korruption als einen Teil der katalanischen Identität hinnimmt. Das ist mit Blick auf die Zukunft wirklich schwerwiegend."
    Korruption als Teil der katalanischen Identität
    Jiménez Villarejo ist bei seinen Ermittlungen mehrmals von den Regierenden in Spanien ausgebremst worden. Im Falle der Banca Catalana kam es niemals zur mündlichen Verhandlung. Die damalige spanische Regierung des Sozialisten Felipe González habe ihre schützende Hand über die Familie Pujol gehalten, meint Jiménez Villarejo. Und 2003 wurde der unbequeme Jurist ganz abgesetzt.
    Heute hingegen sei die Justiz nicht mehr so leicht zu steuern, ist er überzeugt. Gegen Jordi Pujol und vier seiner Söhne wird wegen mehrerer Wirtschaftsdelikte ermittelt. Und auch im Rest Spaniens laufen Korruptionsverfahren gegen Parteien und Behörden.
    "Es hat sich seither viel verändert. Die Bevölkerung reagiert heute mit großer Empörung auf diese vielen Korruptionsfälle. Bei den letzten Kommunalwahlen hat sie die regierende Volkspartei dafür abgestraft. Diese Haltung hat sich auf Staatsanwälte und Richter übertragen, das ist ein wichtiger Pluspunkt in Spanien. Als Folge der Empörung sind neue Parteien gegründet wurden. Aber wir sollten nicht zu optimistisch sein. Bislang sind nur wenige Verantwortliche für diese schweren Straftaten in Haft."
    Bevölkerung steht hinter katalanischen Nationalisten
    So wie eben die ehemaligen Schatzmeister der in Spanien regierenden Volkspartei oder der katalanischen Nationalisten. Doch während die Korruption die großen Parteien im Rest Spaniens Stimmen und Macht kostet, halten sich die Konsequenzen für die katalanischen Nationalisten in Grenzen. Mit ihrem Ruf nach Unabhängigkeit haben sie einen großen Teil der Bevölkerung hinter sich gebracht.
    "Es geht nur darum, einen noch größeren Raum für die Straflosigkeit zu erreichen, als sie ihn bisher haben. Ich mag mir kein Land vorstellen, das von der Demokratischen Konvergenz gesteuert wird. Die Vorstellung macht mir Angst, wir hätten keine Richter und Staatsanwälte mehr, die die Korruption verfolgen könnten. Hinter dem Streben nach einem eigenen Staat steht vieles - auch der Wunsch, sich der rechtsstaatlichen Kontrolle zu entziehen, die es in Spanien gibt."
    Jiménez Villarejo lebt seit Jahrzehnten in Barcelona, fühlt sich als Teil der katalanischen Gesellschaft. Doch mit seinen Positionen macht er sich nicht bei allen bliebt. Auf der Straße, erzählt er, sei er aber auch schon aufgefordert worden, die Koffer zu packen und die Region zu verlassen.