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Korruptionsskandal in Moldau
Die Bürger wollen Neuwahlen

Seit April wird die Ex-Sowjetrepublik Moldau von einem massiven Korruptionsskandal erschüttert. An diesem Sonntag gingen erneut Tausende Menschen auf die Straßen in dem kleinen Land zwischen der Ukraine und Rumänien. Sie protestierten gegen die neue Regierung und die Macht von Oligarchen.

Von Florian Kellermann |
    In der moldauischen Hauptstadt Chisinau beteiligten sich tausende Menschen an dem Protest.
    In der moldauischen Hauptstadt Chisinau beteiligten sich tausende Menschen an dem Protest. (picture alliance /dpa /Dumitru Doru)
    Monatelang haben die Moldauer friedlich demonstriert, Sonntag für Sonntag auf der zentralen Verkehrsader der Hauptstadt Chisinau, so auch gestern.
    Doch inzwischen droht die Stimmung zu kippen. Die Protestführer mahnen die Menschen, nicht gewalttätig zu werden. So wie am vergangenen Mittwoch: Einige Dutzend Demonstranten durchbrachen die Reihen der Polizei und stürmten das Parlament. Auf beiden Seiten gab es Verletzte.
    Was war passiert? Die Regierungskoalition hatte schon vor Wochen den Oligarchen Vladimir Plachotniuk zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Plachotniuk gilt als maßgebliche Figur hinter dem korrupten Staatsapparat, er soll unter anderem das Justizsystem beherrschen. Die Demonstranten fordern seit Langem seine Verhaftung. Nachdem Staatspräsident Nicolae Timofti sich weigerte, Plachotniuk zu vereidigen, wählte das Parlament am Mittwoch einen neuen Regierungschef - Pawel Filip.
    Besonders empört, wie der neue Regierungschef gewählt wurde
    Aber auch er gehört der Partei von Plachotniuk an - der Demokratischen Partei Moldawiens.
    Zwar erklärte Filip:
    "Ich und die anderen Kabinettsmitglieder werden eine Erklärung unterschreiben, dass wir nicht käuflich sind. Das machen wir nicht zur Show. Wir übergeben die Erklärung Vertretern der Zivilgesellschaft."
    Aber damit konnte er die Demonstranten kaum beruhigen. Ein älterer Herr, der in einem Protestzeltlager im Regierungsviertel lebt:
    "Wir bleiben hier so lange, bis es vorgezogene Neuwahlen gibt. Die neue Regierung ist nicht legitimiert. Sie ist eine Schande für unsere Demokratie und unsere Nation, die Gerechtigkeit verlangt."
    Besonders empört die Menschen, wie der neue Regierungschef gewählt wurde: in einer eilig einberufenen Sondersitzung des Parlaments. Er hatte sein Programm weder der Öffentlichkeit noch den Abgeordneten vorgestellt. Auch Abgeordnete der Opposition stimmten für ihn, sie sollen gekauft und erpresst worden sein, sagen Kritiker. Ebenso heimlich, noch in derselben Nacht, wurde Filip vom Staatspräsidenten vereidigt.
    Die Demokratische Partei von Filip und Plachotniuk und ihr Koalitionspartner, die Liberaldemokratische Partei, wollen das Land an der Europäischen Union orientieren. Sie sind maßgeblich für den Assoziierungsvertrag verantwortlich, der seit Jahresbeginn zwischen der Republik Moldau und der EU gilt.
    Aus den Banken ist Geld "verschwunden"
    Wohl auch deshalb hält sich die EU mit Kritik an der neuen Regierung zurück. Die USA scheinen sie sogar vorsichtig zu unterstützen. Der US-Botschafter in Chisinau James Pettit sagte dem Fernsehsender TV7:
    "Wir hatten wenig Vertrauen in die abgetretene Regierung und haben wenig Vertrauen in die neue. Aber ich gebe zu bedenken: Wenn es keine Regierung gibt, gibt es auch keine Stabilität. Deshalb sind wir gegen vorgezogene Neuwahlen. Schließlich befindet sich das Land am Rand einer Wirtschaftskrise."
    Das ist noch überaus vorsichtig formuliert. Der Staatshaushalt steht tief in den roten Zahlen, seit Ende 2014 der Betrag von über einer Milliarde Euro spurlos aus heimischen Banken verschwand. Denn die Nationalbank hatte das Geld nachgeschossen. Der Internationale Währungsfonds weigert sich, dem Land aus der selbst verschuldeten Misere zu helfen. Er verbat sogar dem benachbarten Rumänien, der Republik Moldau einen Kredit zu geben. Der neue Ministerpräsident Filip versprach, die Verhandlungen mit dem Währungsfonds wieder aufzunehmen.
    Die Demonstranten in Chisinau dürfte er damit kaum besänftigen. Sie bestehen zwar aus zwei, eigentlich sehr unterschiedlichen Lagern - den prorussischen Sozialisten einerseits und auf der anderen Seite der pro-europäischen Partei "Wahrheit und Würde". Aber die beiden Gruppierungen demonstrieren inzwischen auch gemeinsam. Ihr Ziel bleiben Neuwahlen. Umfragen zeigen, dass - wenn es dazu kommt - pro-russische Parteien im Parlament die Mehrheit stellen könnten.