Vehbi Kajtazi ist auf dem Weg in die Redaktion. "Koha Ditore" steht in großen roten Lettern am Eingang eines Cafés in der Innenstadt von Pristina, im ersten Stock hat die größte Tageszeitung der Region ihren Sitz.
Seit Tagen bestimmt die EULEX-Affäre die Schlagzeilen, Vehbi Kajtazi war der erste, der darüber berichtet hat. Es ist sein Scoop.
Der Journalist setzt sich an einen der Schreibtische im Großraumbüro und deutet auf den Artikel, an dem er gerade schreibt. Neben ihm liegt ein dicker Stapel Papier – Mails, Dokumente, Abschriften von Telefongesprächen.
"Gerüchte gab es schon länger, aber lange waren es eben nicht mehr als Gerüchte. Nun haben wir den Beweis, dass EULEX-Mitarbeiter in eine Korruptionsaffäre verwickelt sind. Ich spreche hier von der obersten Staatsanwältin und einem Richter, es sind also sehr schwerwiegende Vorwürfe."
Es geht um Bestechung und Einflussnahme vor Gericht, um eingestellte Verfahren und eine enge – zu enge – Verflechtung mit der lokalen Politik. Und es geht darum, dass die Rechtsstaatsmission von all dem gewusst haben soll, ohne sofort zu handeln.
Einen ersten Verdacht hatte eine britische EULEX-Staatsanwältin schon vor zwei Jahren geäußert – erst ein Jahr später soll dem nachgegangen worden sein. Die Britin wurde inzwischen suspendiert, weil sie verdächtigt wird, Papiere an "Koha Ditore" weitergegeben zu haben, was sie bestreitet.
Vehbi Kajtazi holt sein Telefon aus der Tasche und zeigt ein Foto, das ihm zugeschickt wurde. Zu sehen ist die britische Staatsanwältin im Bikini. Keine besonders vorteilhafte Aufnahme und für den Reporter der Beweis, dass die Britin diskreditiert werden soll. Ebenso werde kolportiert, sie sei frustriert, weil die EULEX-Mission verkleinert und ihr Vertrag nicht verlängert werde. Sie wiederum lässt kaum eine Gelegenheit aus, ihre Vorwürfe medial zu verbreiten.
Journalist Kajtazi fühlte sich eingeschüchtert
Eine Stellungnahme von EULEX zu den Vorwürfen bekam Vehbi Kajtazi zunächst nicht. Dann wurde er zu einem Gespräch eingeladen – das anders als erwartet verlaufen sei:
"In gewisser Weise haben Sie versucht, mich einzuschüchtern. Haben mir gedroht, gerichtlich gegen mich vorzugehen. Jetzt haben wir also zwei Skandale: Korruption und Druck auf die Medien."
Dragana Nikolic Solomon erzählt eine andere Version der Geschichte.
"Wir hatten nicht die Absicht, ihn zu bedrohen, ihn rechtlich zu belangen oder daran zu hindern, die Geschichte zu schreiben. Wir räumen ein, dass er sich bedroht gefühlt haben könnte – aber das war nie unsere Absicht."
Wie der Journalist erhält auch die Sprecherin der Rechtstaatsmission seit Tagen Medienanfragen aus ganz Europa – antworten aber könne sie nur in begrenztem Maße, schließlich handele es sich um laufende Ermittlungen. Und die gebe es, betont sie, seit 2013. Und auch EULEX habe erneut Stellung bezogen, betont Dragana Nikolic Solomon:
"Der neue EULEX-Chef hat bekräftigt, dass wir Korruption innerhalb der Mission mit null Toleranz begegnen. Ich glaube, das ist jetzt der einzige Weg."