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Korruptionsvorwürfe im Europarat
"Frau Strenz muss ihr Bundestagsmandat zurückgeben"

Mitgliedern des Europarats wird Korruption vorgeworfen, darunter auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz, die 22.000 Euro aus Aserbaidschan erhalten haben soll. Der Europa-Parlamentarier Frank Schwabe (SPD) fordert ihren Rücktritt. Er kritisierte auch den Umgang der Unionsfraktion im Bundestag mit dem Fall.

Frank Schwabe im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Fallback Image
    Christiane Kaess: Sie sollen eigentlich gegen Korruption vorgehen, aber jetzt stehen Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates selbst am Pranger. Die Institution soll darüber wachen, dass die Menschenrechte in ihren 47 Mitgliedsstaaten eingehalten werden sowie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Alle EU-Staaten gehören dazu, aber auch zum Beispiel die Türkei, Russland und Aserbaidschan - Länder, bei denen die Menschenrechte oft nicht so groß geschrieben werden.
    Mehr als 300 Parlamentarier aus den Mitgliedsländern gehören zur Parlamentarischen Versammlung des Europarates, also auch Mitglieder des Bundestages. Jetzt allerdings stehen einige Abgeordnete unter Korruptionsverdacht, darunter auch deutsche. Sie sollen sich für Aserbaidschan eingesetzt und dafür Geld aus dem autoritären Land bekommen haben, auch Luxusartikel wie Kaviar, teure Uhren oder Teppiche sollen Abgeordnete geschenkt bekommen haben, um im Gegenzug kritische Berichte über Wahlen oder die Menschenrechtssituation in Aserbaidschan zu verhindern. Externe Ermittler, die sehen starke Hinweise auf Korruption bei mehreren aktiven und ehemaligen Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung.
    Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Frank Schwabe von der SPD. Er ist stellvertretender Vorsitzender der deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und im Bundestag ist er Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD-Fraktion. Guten Morgen, Herr Schwabe.
    Frank Schwabe: Schönen guten Morgen.
    "Überlegen, wie mit den Fällen umgehen"
    Kaess: Externe Ermittler sehen starke Hinweise auf Korruption. Ist das für Sie auch so eindeutig?
    Schwabe: Das ist sehr eindeutig. Sie müssen immer sehen: Am Ende ist es ja keine staatsanwaltschaftliche Untersuchung gewesen, sondern die Personen konnten nur Zeugen befragen und daraus entsprechend ihre Rückschlüsse ziehen. Deswegen müssen Sie sehen, dass die Sprache gelegentlich noch etwas diplomatisch gehalten ist. Aber die Hinweise sind klar, es sind Personen konkret benannt, fünf von den aktiven Personen und einige der ehemaligen, und das war denen schon sehr bewusst, dass sie diese Leute benennen, und wir überlegen jetzt auch, wie man mit diesen Fällen umgeht.
    Kaess: Das heißt, die Vorwürfe sind belegbar?
    Schwabe: Sie sind belegbar über Zeugenaussagen. Es sind keine staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen, es sind keine Detektive losgegangen, sondern es sind Personen befragt worden, Zeugen befragt worden – die, die sich freiwillig gemeldet haben, die, die vorgeladen worden sind – und daraus haben diese drei Personen, die ja erfahrene Richter und Staatsanwälte sind, ihre Rückschlüsse gezogen. Und man kann schon davon ausgehen, dass sie das sehr sorgsam gemacht haben. Wenn dort Personen benannt werden, dann ist das auch so. Bei manchen Leuten wissen wir viel mehr, als am Ende diese drei Personen aufgeschrieben haben, aber das liegt in der Natur dieses Untersuchungsauftrages.
    Wahl-Statement - "Das ist wirklich ein Witz"
    Kaess: Wann haben Sie etwas gemerkt davon? Wann haben Sie gemerkt, hier läuft was falsch?
    Schwabe: Das erste Mal war es eigentlich im Jahr 2012, als es die Debatte gab um den sogenannten Strässer-Report. Es gab einen Report des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Christoph Strässer, der am Ende nach langer und kontroverser Debatte niedergestimmt wurde im Europarat, wo man sich dachte, was ist da eigentlich los. Ich habe das damals gar nicht verstanden. Und dann ist es mir noch mal augenscheinlich geworden bei einer Wahlbeobachtungsmission 2015, an der ich teilgenommen habe, wo klar war, dass die Wahlen in Aserbaidschan nicht frei und fair sind, aber wir am Ende ein Statement abgegeben haben – nach langem Kampf über drei Tage -, in dem drinstand, dass es ein weiterer richtiger Schritt hin zu freien und fairen Wahlen war. Das ist wirklich ein Witz. Und wenn man sich dann überlegt, wie kommt so was eigentlich zustande, dann fängt man an, darüber nachzugrübeln. Man denkt wirklich noch nicht an Korruption, aber man denkt, irgendwas stimmt da nicht und das müssen wir uns noch mal genau angucken.
    Kaess: Herr Schwabe, jetzt sind Sie stellvertretender Vorsitzender der deutschen Delegation. Was haben Sie denn in Ihrer Funktion unternommen?
    Schwabe: Wir haben im letzten Jahr, einige Kollegen – das war vor allen Dingen der Kollege Omtzigt von den Christdemokraten aus den Niederlanden und ich, am Ende aber auch viele andere – gesagt, wir wollen eine unabhängige Untersuchung dieser Vorwürfe haben. Das war ein Kampf, ein riesiger Kampf, diese Untersuchungskommission einzurichten, weil es viele, viele Widerstände gab, und am Ende gab es den Kampf darum, ob der Bericht veröffentlicht wird und all solche Geschichten.
    Doppelter Widerstand
    Kaess: Warum kommt da so viel Widerstand, nur mal, um es zu verstehen? Warum kommt da so viel Widerstand?
    Schwabe: Ich glaube, es ist ein doppelter Widerstand. Der eine Widerstand kommt von denjenigen, die wirklich Dreck am Stecken haben, die scheinbar nicht wollen, dass aufgeklärt wird, die wirklich sich auch jetzt hier der Mitwirkung verweigert haben. Das ist ja keine Kleinigkeit, wenn man da einfach nicht mitgemacht hat. Und andere sind besorgt um den Ruf dieser Institution, und da sage ich, das ist aber genau falsch, sondern es ist nun mal das passiert, was passiert ist, und deswegen haben wir nur die eine Chance, jetzt vernünftig aufzuklären und am Ende deutlich zu machen, dass diese Institution eine ist, die gebraucht wird, aber in einem vernünftigen Zustand, und in den müssen wir sie gerade wieder versetzen.
    Kaess: Unter Verdacht, wir haben es gehört, steht auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz. Haben Sie mit ihr gesprochen?
    Schwabe: Nein, habe ich nicht. Ich wüsste auch nicht, dass Gesprächsbedarf gerade da ist. Wir hätten uns ja eigentlich fast vor Gericht wiedergesehen, weil ich ja bestimmte Vorwürfe erhoben habe. Dagegen wollte sie gerichtlich vorgehen, das hat sie auch öffentlich erklärt, hat sie am Ende aber nicht getan, weil ich nämlich eine mündliche Verhandlung eingefordert habe, und dann hätte man endlich auch mal über ein paar Dinge direkter reden können, weil sie versucht, sich ja jeder Auseinandersetzung zu verweigern.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, l) und die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz (r) sprechen am Rande eines Wahlkampftauftritts in Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) miteinandern. Sechs Tage vor der Bundestagswahl kommt Merkel zu zwei Auftritten nach Mecklenburg-Vorpommern. 
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, l) und die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz (r) sprechen am Rande eines Wahlkampftauftritts in Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) miteinandern. (dpa / picture alliance / Jens Büttner)
    Sie versucht maximal, Fragen schriftlich zu beantworten, immer in einem geschützten Raum, und wenn man sie fragen würde, glaube ich, würde sie sagen, es ist nichts passiert, ich habe nichts gemacht, und das geht eben nicht. Sie gehört mit zu einem solchen Netzwerk, das scheinbar auch korruptionsgetrieben war, und ich verlange da volle Transparenz. Das macht sie nicht und wenn sie das nicht macht, dann kann sie auch nicht mehr Abgeordnete des Deutschen Bundestages sein.
    22.000 Euro aus Aserbaidschan
    Kaess: Sie verlangen, dass sie ausgeschlossen wird aus der Fraktion, oder dass sie selber ihr Mandat niederlegt. Wie stellen Sie sich das vor?
    Schwabe: Das geht ja jetzt schon über Monate so und es ist doch völlig klar: Das ist doch eine Person, die ist Bundestagsabgeordnete, und sie war Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, also der Institution, die sich Menschenrechten und Demokratie besonders verschrieben hat. Eine solche Person muss doch erklären, woher sie zum Beispiel Zahlungen bekommen hat. Sie hat ja definitiv, das hat sie ja zugegeben, 22.000 Euro von einer Firma bekommen, und das Geld kam letztendlich aus Aserbaidschan. Da gibt es noch viel anderes mehr und sie klärt darüber nicht auf. Und ich sage, wenn man darüber nicht aufklärt, dann kann man am Ende dieses Mandat auch nicht mehr behalten.
    Am Ende ist sie Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und natürlich muss die Fraktion Konsequenzen ziehen. Im letzten Jahr habe ich gefordert, dass die Fraktion Druck ausübt, dass sie Fragen beantwortet. Das ist nicht geschehen. Die Fraktion hat sich darauf zurückgezogen, dass es ja diesen Bericht irgendwann mal geben würde und sie selber ja nicht untersuchen könnten. Jetzt gibt es den Bericht mit klaren Aussagen, mit klaren Hinweisen auch zu Frau Strenz, und jetzt fordere ich in der Tat Konsequenzen, die am Ende dazu führen müssten aus meiner Sicht, dass Frau Strenz ihr Bundestagsmandat zurückgeben muss – im Übrigen eigentlich auch das Geld, was sie zum Beispiel aus Aserbaidschan erhalten hat.
    "Man könnte das alles aufklären"
    Kaess: Karin Strenz sagt, um das hier noch einzuflechten, sie habe nicht gewusst, dass die Firma aus Aserbaidschan, für die sie gearbeitet hat, bezahlt wird. Sie habe nicht bewusst Geld aus Aserbaidschan angenommen. Schwächt das die Korruptionsvorwürfe ab?
    Schwabe: Zum einen empfehle ich – ich meine, Sie wissen es: Sie redet nicht mit Ihnen und sie redet mit sonst niemandem auch nicht, und das ist ja eine spannende Frage, warum sie das eigentlich nicht tut. Dazu gibt es klare Aussagen in diesem Report, dass es völlig unglaubwürdig sein, dass sie das nicht gewusst haben könnte. Herr Lindner hat eine Lobby-Organisation für Aserbaidschan betrieben, mit der Frau Strenz eng kooperiert hat, und als es dann darum ging, 22.000 Euro oder vielleicht mehr, das wissen wir nicht – 22.000 Euro sind belegt – bekommen hat von dieser Firma, will sie nicht gewusst haben, dass das Geld am Ende aus Aserbaidschan war. Das ist abenteuerlich, das ist absurd, das ist eine Scheinbehauptung und die kann man ihr nicht durchgehen lassen. Das könnte man alles aufklären, wenn sie bereit wäre, sich wirklich Befragungen von der Öffentlichkeit, aber auch von Untersuchungsgremien oder auch von Fraktionen zu stellen.
    Kaess: Herr Schwabe, jetzt haben wir das auch in dem Bericht gehört. Es ist nicht zum ersten Mal, dass die Parlamentarische Versammlung des Europarates in der Kritik steht, und viele sehen einfach strukturelle Probleme. Ist die Glaubwürdigkeit des Europarates eigentlich schon dahin?
    Schwabe: Ja, wir haben riesige Probleme. Klar! Das müssen Sie sich aber natürlich mal geschichtlich angucken. Der Europarat war immer eine Organisation bis 1990 exklusiv für westeuropäische Staaten, für westeuropäische Demokratien. Das war alles irgendwie ganz schick und der war wirklich im Schatten auch der Europäischen Union. Dann sind die osteuropäischen Staaten dazugekommen. Am Anfang waren die alle willig, sich Demokratie zu öffnen, zu kooperieren mit dem Europarat, und irgendwann haben wir eine Abkehr gesehen in vielen Staaten von diesen Werten, eine Hinwendung zu autoritären Strukturen. Man möchte aber nicht so benannt werden und der Europarat hat diese Aufgabe, und das hat dazu geführt, dass viele Staaten dort in seltsamer Art und Weise lobbyieren, aber Aserbaidschan das geldgetrieben tut mit Lobbyismus, der vielleicht erlaubt ist, aber bis hin zur Korruption. Deswegen ist diese Organisation in einer tiefen Krise. Das kann man aber wieder ändern, wenn man genau hinguckt, was da passiert, und wenn man sich klarmacht, wie wichtig diese Institution gerade in der aktuellen Entwicklung ist, wo viele Staaten sich abwenden von Demokratie und Menschenrechten.
    Kaess: … sagt Frank Schwabe von der SPD. Er ist stellvertretender Vorsitzender der deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Danke für Ihre Zeit heute Morgen.
    Schwabe: Ich danke Ihnen! – Ciao!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.