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Korruptionsvorwürfe in Portugal
"Goldene Visa" geraten in Verruf

Seit sechs Jahren können reiche Chinesen, Russen oder auch Inder in Portugal eine Aufenthaltserlaubnis erwerben, wenn sie im Gegenzug investieren. Eine Oppositionspartei fordert nun ein Ende dieses einträglichen Geschäftsmodells. Möglicherweise hatten portugiesische Beamte und Politiker mitkassiert.

Von Tilo Wagner |
    Lissabons Einkaufsstrasse Rua Auguasta
    Neu-EU-Bürger kaufen sich vor allem in Lissabon ein. (imago / Travel-Stock-Image)
    João Batalha steht im Büro der Antikorruptionsagentur "Transparência e Integridade" in Lissabon und steckt kleine Gegenstände in einen Umschlag: Ein Poster, eine Postkarte und ein USB-Stick mit wichtigen Informationen über die sogenannten "Goldenen Visa". Batalha will die Umschläge am heutigen Mittwoch im Parlament verteilen und damit Aufmerksamkeit für ein Thema schaffen, das seiner Meinung nach im Zentrum der politischen Debatte stehen sollte:
    "Das Programm 'Goldenes Visum' wurde in Portugal zurzeit der Finanzkrise geschaffen, als das Land dringend Investitionen aus dem Ausland benötigte. Es wurde schnell und unbedacht entworfen, ohne Mechanismen gegen mögliche Risiken: Verbrechen wie Geldwäsche oder die Vergabe von Aufenthaltsgenehmigungen an im Ausland gesuchte Kriminelle. Von Beginn an lag ein Schatten auf diesem Programm und das hat unter anderem auch zu einem großen Korruptionsprozess gegen führende Beamte und den Ex-Innenminister geführt."
    6500 "Goldene Visa" vergeben
    Seit der Einführung vor sechs Jahren haben die portugiesischen Behörden etwa 6500 goldene Visa ausgestellt. Anrecht auf die Aufenthaltsgenehmigung hat jeder, der entweder eine Immobilie im Wert von über 500.000 Euro kauft, eine direkte Kapitalinvestition durchführt oder mit einer Unternehmensgründung zehn Arbeitsplätze schafft. Mehr als 90 Prozent der Nicht-EU-Bürger entschieden sich für den Kauf einer Zweitwohnung vor allem in Lissabon und haben damit auch zu einem starken Anstieg der Immobilienpreise beigetragen.
    Dennoch sei das Programm sehr wichtig für die portugiesische Wirtschaft, sagt Tiago Caiado Guerreiro. Er leitet eine große Anwaltskanzlei in Lissabon, die sich darauf spezialisiert hat, ausländische Klienten bei der Visumsantragsstellung zu unterstützen. Rund 60 Prozent kommen aus China, deshalb hat Guerreiro mittlerweile sieben Angestellte unter Vertrag, die Mandarin sprechen. Der Anwalt weist darauf hin, dass die positive Wirkung des Programms auf die Wirtschaft nicht immer sofort erkennbar sei:
    "Portugal hat sehr hohe Staatsschulden, und das Geld aus dem Ausland hilft uns, die Schulden abzubauen. Die Leute, die mit dem Visum kommen, lernen erst das Land kennen und dann bringen sie vielleicht ihre Unternehmen hierher, ihr eigenes Personal, sie importieren aus ihren Ländern und exportieren portugiesische Waren. Der Immobilienmarkt profitiert, es werden neue private Krankenhäuser gebaut, und sie beauftragen portugiesische Dienstleister, sei es im IT-Bereich, in der Gebäudereinigung oder bei Steuerfragen."
    Diese Argumente scheinen bisher auch die politischen Verantwortlichen in Portugal zu überzeugen.
    Politische Interessenskonflikte
    Die Linkspartei "Bloco Esquerd" will jetzt trotzdem den "Goldenen Visa" in Portugal ein Ende bereiten. Doch das stößt bei den großen Parteien auf Widerstand: Ein parlamentarischer Ausschuss hat den Gesetzentwurf der Linkspartei überprüft und sich eindeutig gegen ein Ende der Visumspolitik ausgesprochen. Allerdings hat die Sache einen Haken: die Stellungnahme wurde von einem Abgeordneten verfasst, der bei der Anwaltskanzlei Caiado Guerreiro als juristischer Berater tätig ist.
    Für den Antikorruptionskämpfer João Batalha ist das ein Zeichen, dass es unter diesen Bedingungen schwierig sein wird, einen kritischeren Blick auf die Vor- und Nachteile der Visumspolitik zu werfen:
    "Leider gehört das in Portugal zum Alltag: In fast allen wirtschaftsbezogenen Fragen finden wir Abgeordnete, die persönlich von einer bestimmen Gesetzeslage profitieren. Und das stört natürlich eine offene Debatte wie jetzt bei den "Goldenen Visa". Die Abgeordneten in Portugal lassen sich viel zu sehr von starken ökonomischen Interessen beeinflussen."