Hans Klages rast über den argentinischen Highway 184. Sein Wagen wirbelt mächtig Staub auf – der Highway ist eine Schotterpiste mitten in der Pampa.
"Wir sind hier am Rande der Anden", sagt er, "gar nicht so weit von der chilenischen Grenze im Westen Argentiniens. Hier ist es wirklich flach und karg. Hier beginnt Patagonien."
Strahlung wird in Wassertonnen nachgewiesen
Klages ist einer der 400 Physiker des Pierre-Auger-Observatoriums. Durch das Pampa-Gras geht er auf eines der Kernelemente zu: eine Tonne aus gelbem Kunstharz, schulterhoch, gefüllt mit 12.000 Litern Wasser. Ein Nachweisgerät für kosmische Strahlung, sagt Klages' Kollege Ralf Engel:
"Dazu muss das Wasser sehr sauber sein. Wenn wir im Wasser zu viele Bakterien haben, fangen diese Bakterien an zu wachsen. Und am Ende wird das Wasser zu trübe für das Licht, das wir messen wollen."
Bei Einschlag kosmischer Teilchen leuchtet es
Trifft ein kosmisches Teilchen auf die Erdatmosphäre, erzeugt es dort einen regelrechten Schauer an Sekundärteilchen. Diese Schauer lassen sich durch die Tanks in der Pampa messen: Im Wasser hinterlassen sie ein schwaches Leuchten, das Lichtsensoren nachweisen können.
Nun interessieren sich die Forscher vor allem für die besonders energiereichen Teilchen, manche von ihnen haben die Energie eines schnell geschlagenen Tennisballs.
Sehr viele Tanks – um einen Raser zu erwischen
Allerdings sind solche Raser selten: Nur einmal pro Jahr schlägt einer von ihnen auf einem Quadratkilometer ein. Um sie aufschnappen zu können, mussten die Forscher also sehr viele Wassertanks in die Pampa stellen – 1600, verteilt über eine Fläche dreimal größer als Berlin. Das Areal soll vor allem eine Frage klären, sagt der Physiker Andrej Dundovic von der Universität Hamburg:
"Nach wie vor wissen wir nicht, woher diese hochenergetische kosmische Strahlung kommt. Bislang schien es so, als würde sie aus allen Richtungen gleich auf die Erde treffen."
Strahlung nicht gleich stark aus allen Richtungen
Seit 2004 ist die Anlage in Betrieb. Doch erst jetzt, nach der Analyse von 30.000 Einschlägen, haben die Forscher genug Daten, um ein belastbares Ergebnis zu präsentieren:
"Nachdem wir so viele Ereignisse gesammelt haben, können wir nun sagen: Es stammen mehr Teilchen aus der einen Hälfte des Himmels als aus der anderen. Das ist das erste sichere Anzeichen dafür, dass die hochenergetische kosmische Strahlung nicht gleich über den Himmel verteilt ist, sondern ungleich."
Raser kommen offenbar nicht aus der Milchstraße
Einfach allerdings waren diese Analysen nicht. So mussten die Forscher berücksichtigen, dass die schnellen Teilchen im All von Magnetfeldern abgelenkt werden können. Dadurch lässt sich nur recht grob abschätzen, wo sie ihren Ursprung haben. Eines aber scheint klar:
"Die energiereiche kosmische Strahlung kommt offenbar nicht aus dem Zentrum unserer Milchstraße, sondern von anderswo her, von anderen Galaxien. Und das ist durchaus überraschend."
Nicht wenige Experten nämlich hatten das Zentrum der Milchstraße als eine der Quellen für die Raser vermutet. Dort dürfte ein gewaltiges schwarzes Loch lauern, und das wäre im Prinzip als kosmische Teilchenschleuder in Betracht gekommen.
Woraus bestehen diese schnellen Teilchen?
Die Physiker vom Pierre-Auger-Observatorium jedenfalls machen munter weiter. Sie sind dabei, ihre Tanks in der Pampa mit zusätzlichen Sensoren zu bestücken, um den kosmischen Teilchen in ein paar Jahren noch genauer auf die Schliche zu kommen, sagt Andrej Dundovic:
"Wir würden gerne besser verstehen, aus was diese Teilchen bestehen. Wie stark sind sie geladen? Dadurch hoffen wir herauszufinden, woher genau sie stammen – eine Frage, die nach wie vor ein Mysterium ist."