"Wir haben eine neue Strahlungsquelle entdeckt. Besonders über dem Nordatlantik und dem Nordpazifik können kleine Störungen des Erdmagnetfeldes dazu führen, dass sehr energiereiche Partikel aus dem All verstärkt und gebündelt zur Erde hin gelenkt werden und tief in die Atmosphäre eindringen. Das wirkt sich dann lokal als spürbar erhöhte Strahlung aus. Es ist als flöge man durch eine Strahlungswolke."
Kent Tobiska ist Forschungsleiter des Programms ARMAS der NASA. ARMAS ist das Kürzel für Automatisierte Strahlungsmessung für die Flugsicherheit. Es geht darum, zu erfassen, wie sich das sogenannte Weltraumwetter auf die Strahlungsbelastung in der Luftfahrt auswirkt. Eruptionen auf der Sonne lassen den Sonnenwind – das ist der Teilchenstrom, der von der Sonne ausgeht, an- und abschwellen. Dadurch kann wiederum das Erdmagnetfeld in Schwingungen geraten und gestört werden. Über Regionen, wo sich die Magnetfeldlinien zur Erde hin krümmen, zum Beispiel über dem Nordatlantik, können dann lokal solche Strahlungswolken entstehen.
"Die Weltraumwetterverhältnisse, die zu Strahlungswolken führen, gibt es recht häufig. Sie können vielleicht alle zwei Wochen für ein paar Tage auftreten. Noch mangelt es an Messungen, um das genauer sagen zu können. Aber ich könnte mir vorstellen, dass man selbst auf einem Flug von Frankfurt nach San Francisco schon durch zwei oder drei solcher Strahlungswolken fliegen kann."
Belastung für Vielflieger und Crew-Mitglieder
Bei Messflügen mit einem Forschungsflugzeug der NASA zeigte sich, dass in den Strahlungswolken die Höhenstrahlung etwa doppelt so hohe Werte erreichen kann wie normal. Die Ausdehnung der Wolken ist allerdings begrenzt. Nach rund einer halben Stunde Flug im Jet ist man hindurch. Bei Vielfliegern, vor allem aber Piloten und Crew-Mitgliedern, könnte sich die zusätzliche Strahlenbelastung aber durchaus aufsummieren.
"Ich bin selbst ein Vielflieger und mache mir schon Gedanken darüber. Es handelt sich ja um eine Komponente, die man zur üblichen Höhenstrahlung hinzurechnen muss. Das können ein paar Prozent, aber auch bis zu 20 Prozent sein, je nachdem wie viel und auf welchen Routen man fliegt."
Fluggesellschaften haben durchaus ein Interesse, die Strahlungsbelastung ihrer Besatzungen und Passagiere zu reduzieren. Kent Tobiska geht davon aus, dass künftig Flüge gezielt um solche Strahlungswolken herum geführt werden – ähnlich wie man versucht, zu vermeiden, durch Aschewolken von Vulkanausbrüchen zu fliegen.
"Wenn wir wissen, wo die Strahlungswolken sind, können die Luftverkehrsmanager die Flugzeuge auch tiefer fliegen lassen. Senkt man die Flughöhe um zwei Kilometer, halbiert sich in etwa die Strahlungsdosis. Das wäre eine mögliche Strategie. Dafür müssen wir aber wissen, was in der Strahlungsumwelt genau passiert. Das Wichtigste wäre, Messungen zu haben."
Prognose von Strahlungswolken erhofft man sich in der Zukunft
Noch in diesem Jahr sollen zahlreiche Verkehrsflugzeuge auf Linienflügen über dem Atlantik und Pazifik mit Strahlungsmessgeräten ausgestattet werden. Sie werden ihre Daten live in die Zentrale des ARMAS-Programms liefern. Dann könnten Strahlungswolken quasi in Echtzeit erkannt und nachfolgende Flugzeuge umgeleitet werden. In fünf bis zehn Jahren, so Kent Tobiska, werde man die Lage von Strahlungswolken sogar prognostizieren können. An entsprechenden Modellen für die Weltraumwettervorhersage wird schon gearbeitet.