Besnik Istrefi führt durch die Wasseraufbereitungsanlage in der Nähe von Mitrovica. Fünf Kommunen werden von hier aus mit Wasser versorgt, zwei im Norden und drei im Süden der Stadt. Insgesamt 250.000 Menschen, erklärt der Bauleiter:
"Unter diesen Bewohnern, da sind nicht nur Albaner-Kosovaren, sondern gibt's auch andere Minoritäten, wie die Serben, die Türken, die Bosnier und die Roma, wo wir alle hier zusammen in Mitrovica leben."
Doch ein wirkliches Zusammenleben in Mitrovica gibt es nicht, das weiß auch Besnik Istrefi. Seit dem Kosovo-Krieg ist Mitrovica geteilt, in einen serbischen Norden und einen albanischen Süden.
Auf der Brücke über den Fluss Ibar, der die 100.000-Einwohner-Stadt teilt, stehen zwei italienische Soldaten der NATO-geführten Schutztruppe KFOR. Immer wieder ist es hier in den vergangenen Jahren zu Protesten und Ausschreitungen gekommen. Seit Jahren blockiert die serbische Minderheit die Brücke für den Autoverkehr – erst mit Sandhaufen, Holzbarrikaden und alte Autos, seit diesem Sommer durch den sogenannten "Peace Park".
Sadete Deliu schlendert mit einer Freundin an den Blumenkübeln vorbei, die den "Friedenspark" begrenzen. Die Albanerin wohnt mit ihrer Familie im serbischen Norden. Sie ist eine der wenigen, die geblieben sind:
"Wir spüren die Spannungen, es gab eine Serie von Handgranaten-Anschlägen, auch unser Haus wurde getroffen, das war furchtbar. Aber ich wurde hier geboren, ich fühle mich hier zu Hause. Wir haben in den vergangenen 15 Jahren viel durchgemacht, aber jetzt möchte ich nicht mehr weg."
2004 Ausschreitung gegen serbische Minderheit
Auch die serbische Minderheit wurde in den vergangenen Jahren immer wieder Opfer von Anschlägen. 2004 kam es zu den schlimmsten Ausschreitungen seit Kriegsende, zu pogromartigen Übergriffen. Tausende Serben verließen das Kosovo damals. Unterschwellig, sagt Branislav Nešović von der Nichtregierungsorganisation AKTIV, seien Spannungen zwischen Serben und Albanern im Kosvo immer zu spüren:
"Allein durch die Tatsache, dass man sich nicht sieht. Serben und Albaner treffen sich nicht, gehen nicht in dieselben Parks oder Cafés, kennen die Kultur des anderen nicht. Auch das führt zu Spannungen und Missverständnissen."
Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen
Spannungen und Missverständnisse aber versperren Kosovo und Serbien den Weg in Richtung Europa. Also haben sie verhandelt, Monate lang, bis im April 2013 ein Abkommen zur Normalisierung ihrer Beziehungen unterzeichnet wurde. Als "historisch" wurde dieses Abkommen damals in Brüssel gefeiert.
Und Editha Tahiri, damals Verhandlungsführerin des Kosovo, bleibt dabei. Die 58-Jährige aus Prizren, im Süden des Landes, ist eine zähe, manche sagen furchteinflößende Verhandlerin:
"Ich denke schon, dass wir heute sagen können, dass sich unsere Beziehungen grundlegend verändert haben. Natürlich muss noch eine Menge geschehen, aber das war damals ein Durchbruch."
Beliebt gemacht hat sich Edita Tahiri damals nicht überall – doch die Vorteile des Abkommens lägen auf der Hand, sagt sie, und zählt auf: Kosovo-Albaner könnten nach Serbien reisen, Waren nach Serbien exportieren. Außerdem gebe es dank vermehrter Kontrollen an den Grenzübergängen weniger Kriminalität. Und auch die serbische Minderheit sei inzwischen besser integriert:
"Bei unseren nationalen Wahlen haben wir inzwischen auch serbische Parlamentarier aus dem Norden. Das ist eine große Veränderung. Sie identifizieren sich mehr und mehr mit dem Kosovo."
Skepsis ist angebracht. Fragt man eine Gruppe serbischer Schüler in Nord-Mitrovica, ob sie auch Albanisch sprechen, ist die Antwort deutlich:
"No, no, no!"
"No, no, no!"
Serben sperren sich gegen Abkommen
Der gewählte Bürgermeister von Nord-Mitrovica wollte seine Ernennungsurkunde nicht unterschreiben, weil das Kosovo-Staatswappen darauf ab. Die Stadt Mitrovica steht beispielhaft für die Lage im Kosovo: Es gibt einen Norden mit der serbischen Minderheit und einen albanischen Süden. Trotz des Abkommens 2013 zwischen dem Kosovo und Serbien zur dauerhaften Normalisierung der Beziehungen beider Länder, ist das bisher nur auf dem Papier der Idealfall, die Statusfrage des Kosovos bleibt umstritten gebildet war. Die serbische Minderheit im Norden hat das Abkommen von Beginn an abgelehnt, und daran hat sich bis heute nicht viel geändert, erzählt Branislav Nešović von der NGO "Aktiv". Denn der heikelste Teil des Abkommens ist bis heute vage geblieben: Als Gegenleistung dafür, dass die serbischen Parallelstrukturen im Norden verschwinden – Verwaltung, Schulen, Polizei und Justiz – sollen sich die Serben zu einem Gemeindeverbund zusammenschließen und Sonderrechte erhalten, in den Bereichen Bildung und Gesundheit etwa.
"Genau das ist das Problem des Abkommens, dass es doppeldeutig ist. Wie sollen diese Sonderrechte aussehen, von denen Belgrad mehr und Pristina weniger will? Es wird also neue Verhandlungen geben. Das Abkommen wurde uns als etwas verkauft, was uns schützt und mehr Sicherheit bringt. Tatsächlich aber ist die Unsicherheit groß, vor allem wirtschaftlich."
Denn bislang wurden die Parallelstrukturen im Norden von Belgrad finanziert und subventioniert.
"Ich kann die Ängste verstehen, und ich kann auch verstehen, warum die serbischen Gemeinden Kosovo nicht als Staat akzeptieren."
Deswegen wiederum könnten die Verhandlungen auch auf kosovarischer Seite ins Stocken geraten, besonders dann, wenn in Pristina die Partei "Vetëvendosje!" an der Regierung beteiligt wird. Shpend Ahmeti sitzt im Rathaus an einem langen Verhandlungstisch.
Er ist stellvertretender Parteivorsitzender und Bürgermeister von Pristina. Von Sonderrechten für Serben – etwa bei der Vergabe von Polizei- und Justizposten – hält er wenig. Betont gelassen erläutert der kräftigte 35-Järhige die umstrittene Position seiner Partei:
"Die EU hat gedacht, das Problem liege darin, dass wir nicht miteinander reden. Wir haben nicht etwa Kriege geführt, weil wir nicht miteinander geredet hätten, sondern weil wir uns zu gut kennen. Und wenn Dein Gesprächspartner Dich von vorneherein nicht anerkennt und am Ende noch einmal sagt, dass er Dich nicht anerkennt – warum sollte man sich dann zusammensetzen?"
"Vetëvendosje!" will also zuerst mit Brüssel verhandeln – und dann mit Belgrad. Und das auch erst, wenn Serbien für seine Gräueltaten im Kosovo-Krieg Verantwortung übernommen habe.
"So würden wir unsere Beziehungen normalisieren. Nicht, indem wir auf Fotos nebeneinander lächeln."
Noch stockt die Regierungsbildung in Pristina. Von ihr wird es abhängen, ob und wie der Dialog mit Serbien weitergeht.