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Kosovo
Nach zehn Jahren ist Schluss für die EU-Mission EULEX

Zehn Jahre hat die größte zivile Mission der EU, EULEX, im Kosovo zu Kriegsverbrechen, Korruption und organisierter Kriminalität ermittelt - und nun ist Schluss. EULEX verweist zwar auf 650 erreichte Urteile als Erfolg, Kritiker sprechen aber von einem eher dürftigen Ergebnis.

Von Andrea Beer |
    Gabriele Maucchi, Leiter der EULEX-Mission im Kosovo
    Gabriele Maucchi, Leiter der EULEX-Mission im Kosovo. Jetzt ist Schluss für das EU-Projekt. (AFP / Armend Nimani)
    Ein Video über die größte zivile Mission der Europäischen Union EULEX. Fast sang und klanglos zieht sich diese nun aus dem Kosovo zurück. Die Zeit internationaler Auslandsmissionen im Kosovo sei vorbei, kommentiert Präsident Hashim Thaci diesen Schritt. Ab Mitte Juni wird es also keine EU Richter und Staatsanwälte im Kosovo mehr geben. Nach zehn Jahren in denen ermittelt wurde wegen Kriegsverbrechen, Korruption und Organisierter Kriminalität. Mit wenig Erfolg wie der Jurist Genc Nimoni aus Pristina findet.
    "Als EULEX 2008 begann, dachte man zunächst, dass sie die Rechtsstaatlichkeit verbessert. EULEX hat lokale Staatsanwälte und Richter nicht ausreichend unterstützt. Und es ist bedauerlich, dass insbesondere im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität keine Ergebnisse erzielt wurden."
    EU-Mission geriet selbst in die Kritik
    Genc Nimoni arbeitet für die Nichtregierungsorganisation Cohu, die sich für den Aufbau demokratischer Strukturen und gegen Korruption engagiert. Er ist nicht der einzige, der die EULEX-Ergebnisse dürftig findet. Auch Rechtsanwalt Arianit Koci gehört zu den EULEX Kritikern.
    "Ich denke, dass die EULEX-Mission noch minimal präsent sein sollte um das Justizsystems zu kontrollieren. Ansonsten hat die EULEX ihre eigenen Probleme, und einen Skandal nach dem anderen."
    Gemeint sind die massive Korruptionsvorwürfe innerhalb der EULEX-Mission. 2012 erhob eine britische EULEX-Staatsanwältin diese gegen zwei hohe EULEX-Mitarbeiter: Unter anderem sollten Freisprüche gekauft worden sein. Die Vorwürfe konnten nicht belegt werden und die Britin wurde suspendiert. Ein weiteres Beispiel: Ende 2017 beklagte sich der Vorsitzende EULEX-Richter Malcom Simmons ebenfalls über Korruption innerhalb der EULEX. Er habe mehrere Fälle vorgebracht, es sei aber nichts passiert. Der Ex-EULEX-Richter nannte auch politische Einflussnahme auf die EULEX ein Problem. Für den NGO-Juristen Genc Nimoni ist klar.
    "Gerade in letzter Zeit, wurde die EULEX Mission nur kritisiert, da alle Hoffnungen auf diese Mission gerichtet waren. Wir haben auch viel Kritik von EU-Beamten gehört. Also EULEX wird als eine gescheiterte Mission in Erinnerung bleiben."
    Die Mächtigen könnten straffrei bleiben
    EULEX kennt diese Kritik. Ihr Ende teilte sie nur schriftlich mit und ARD Fragen nach der eigenen Bilanz ebenfalls nur per Mail. Ergebnis; EULEX-Richter und Staatsanwälte erwirkten in den letzten zehn Jahren knapp 650 Urteile. Unter andrem wegen Geldwäsche, Korruption, Menschenhandel und organisierter Kriminalität. Außerdem wurden in fast 1.000 Einsätzen nach Vermissten gesucht und die Überreste von knapp 430 Toten identifiziert. Außerdem berieten EULEX-Experten bei mehr als 150 kosovarischen Gesetzen und und verhandelten Kriegsverbrechen rund um den Kosovokrieg. Wir schrecken auch vor hohen Tiere nicht zurück, das hatte EULEX sinngemäß versprochen – doch das ist laut Kritikern nicht geschehen. Mutmaßliche UCK-Verbrechen wie Mord, Entführung oder Folter von Zivilisten werden inzwischen vor dem Kosovo-Sondertribunal in Den Haag verhandelt, und auch Präsident Thaci könnte dort angeklagt werden.
    Das Kosovotribunal ist seit einem Jahr arbeitsbereit, eine Anklage gab es bisher aber nicht. Abgesehen davon landen künftig alle Fälle vor kosovarischen Gerichten, wo sich auch einflussreiche Politiker wegen Korruption verantworten müssen. Kosovarische Staatsanwälte bleiben da sehr skeptisch. Die EULEX habe mit zu wenig Druck und zu eng mit den politisch Mächtigen im Kosovo gekungelt, heißt es oft, doch diese Mächtigen würden es nun noch einfacher haben. Und ein scheidender EULEX-Staatsanwalt brachte es so auf den Punkt: Sie warten nur darauf bis wir weg sind, weil sie dann straffrei ausgehen können.