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Kosten für Flüchtlinge
"Weniger Geld für andere Aufgaben"

Klaus Ritgen vom Deutschen Landkreistag unterstützt den Vorstoß von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, wonach der Bund die Kommunen bei der Flüchtlingsbetreuung stärker finanziell unterstützen soll. Das Geld für die Unterbringung fehle sonst für andere kommunale Aufgaben, sagte Ritgen im DLF.

Klaus Ritgen im Gespräch mit Matthias von Hellfeld |
    Flüchtlinge sitzen auf Feldbetten in einem Zelt der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen.
    Wenn die Kapazitäten der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Gießen ausgelastet sind, müssen Neuankömmlinge in Zelten untergebracht werden. (picture alliance / dpa/ Boris Roessler)
    Matthias von Hellfeld: Wie viel Geld brauchen die Kommunen, um die vom Bund übertragene Aufgabe der Betreuung der Flüchtlinge so bewältigen zu können, dass andere kommunale Aufgaben darunter nicht leiden? Diese Frage hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel aufgeworfen und höhere Zahlungen des Bundes ins Spiel gebracht. Dazu ist jetzt Klaus Ritgen zugeschaltet. Er ist Referent beim Deutschen Landkreistag.
    Matthias von Hellfeld: Die Kommunen erhalten ja derzeit eine halbe Milliarde Euro pro Jahr für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge. Reicht diese Summe möglicherweise deshalb nicht aus, weil es mehr Flüchtlinge als erwartet gibt?
    Klaus Ritgen: Herr von Hellfeld, diese 500 Millionen sind das Ergebnis einer Absprache zwischen dem Bund und den Ländern im Dezember letzten Jahres gewesen und seither hat sich die Zahl der Asylbewerber deutlich erhöht. Wir waren nicht dabei, als diese Zahl festgelegt worden ist. Ich kann also nicht genau sagen, auf welchen Annahmen das beruht hat. Aber wir müssen sehen, dass sich die Zahl der Asylbewerber in den ersten Monaten dieses Jahres deutlich erhöht hat. Wir hatten ja im März gerade die letzte Ankündigung, dass es 32.000 Asylbewerber allein in diesem Monat gewesen sind. Das sind 184 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Und das zeigt eigentlich recht deutlich, dass diese Finanzspritze des Bundes auf einer vermutlich nicht zutreffenden Grundlage beruht.
    von Hellfeld: Wofür wird das Geld ausgegeben? Welche Leistungen können Sie von der halben Milliarde den Flüchtlingen gegenüber erbringen?
    Ritgen: Das Geld geht ja zunächst mal an die Länder. Es ist ja nicht so, dass der Bund diese 500 Millionen jetzt unmittelbar direkt auf die Kommunen verteilt. Es geht an die Länder und die Länder haben gegenüber dem Bund die Verpflichtung übernommen, das an die Kommunen weiterzugeben. Und es soll weitergegeben werden insbesondere für die Unterbringung der Asylbewerber, die jetzt in sehr großer Zahl zu uns kommen. Das heißt insbesondere für die Einrichtung neuer Asylbewerber-Unterkünfte.
    von Hellfeld: Ist es zutreffend, wie der Minister heute in seiner Rede angedeutet hat, dass die Kommunen beziehungsweise die Länder Geld zuschießen müssen, weil es möglicherweise mehr sein, weil die Kosten höher sind, weil weitere Ausgaben dazugekommen sind und dieses Geld möglicherweise tatsächlich woanders abknapsen müssen.
    Ritgen: Ja! Es ist ja jetzt nicht so, dass diese 500 Millionen auch nur annähernd ausreichen würden, die aus der Wahrnehmung dieser Aufgabe entstehenden Kosten zu decken. Das ist eine Ad-hoc-Leistung sozusagen des Bundes, aber das reicht gewiss nicht aus, um alle Aufwendungen abzudecken. Und es ist völlig richtig: Je mehr Geld in die Unterbringung von Asylbewerbern fließt, umso weniger steht das für andere Aufgaben zur Verfügung.
    von Hellfeld: Können Sie mal sagen eine ungefähre Summe, eine ungefähre Größenordnung, wie viel Geld tatsächlich benötigt wird zur Unterbringung, zur Versorgung, zur sozialen Abfederung der Menschen, die hier nach Deutschland kommen?
    Ritgen: Das kann Ihnen, glaube ich, niemand genau beziffern. Uns liegen da jedenfalls auch keine konkreten Zahlenangaben vor.
    von Hellfeld: Gibt es denn tatsächlich konkrete Beispiele, in denen Kommunen gezwungen waren, sage ich mal, ein Schwimmbad oder ein Orchester oder eine örtliche Feuerwehr, was er da aufgezählt hat, zu schließen, weil das Geld eben woanders hin musste?
    Kommune bekommt Asylbewerber zugeteilt
    Ritgen: Solche Beispiele werden Sie im Zweifel sicher finden. Sie müssen wissen, dass wir jetzt nicht genau nachvollziehen können, was in jeder einzelnen Kommune passiert. Aber ich bin sicher, dass es derartige Beispiele gibt. Es ist ja klar: Man kann den Euro nur einmal ausgeben und das ist jetzt eine Aufgabe, die wir ja auch nicht verschieben können. Sie kriegen als Kommune die Asylbewerber zugewiesen und müssen darauf sofort reagieren. Die Ausgaben für andere Aufgaben lassen sich ja eher strecken, weil sie nicht aktuell anfallen.
    von Hellfeld: Wie sind Sie für die nächsten Monate vorbereitet?
    Ritgen: Wir sind als Kommunen, als Landkreise und als kreisfreie Städte dafür zuständig, die Asylbewerber unterzubringen. Das ist eine große Herausforderung. Wir glauben aber schon, dass wir diese Herausforderung auch bewältigen können. Wir sind dafür dann aber auch auf die Unterstützung der Menschen vor Ort angewiesen. Solche Ereignisse wie von Tröglitz, die dürfen sich selbstverständlich nicht wiederholen.
    von Hellfeld: Aber ich kann aus Ihren Äußerungen zusammenfassend entnehmen, dass Sie den Vorstoß des Bundeswirtschaftsministers unterstützen und sagen, ja, er hat eigentlich Recht?
    Ritgen: Das ist natürlich ein gutes Signal, wenn einer der Koalitionspartner sagt, wir müssen noch mal schauen, ob das Geld, das wir im Dezember zur Verfügung gestellt haben, ob das wirklich ausreicht. Das muss noch mal geprüft werden. Das ist sicherlich ein gutes Signal, denn es mag sein, dass die Vorhersagen, auf denen das seinerzeit beruht hat, durch die Ereignisse überholt worden sind. Einige Bundesländer rechnen schon mit bis zu 500.000 Asylbewerbern und auf solchen Zahlen beruht diese Summe ganz sicherlich nicht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.