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Kostenreduzierung auf Kosten der Journalisten

Der Deutsche Journalistenverband hat erfolgreich vor Gericht eine Praxis bekämpft, die in immer mehr Verlagshäusern um sich greift: Der Nordkurier verlangte von seinen freien Mitarbeitern sämtliche Nutzungsrechte sowie Eigentumsrechte an den Verlag abzutreten, ohne weiteres Honorar zu erhalten. Der Verlag begründet das damit, dass in einer strukturschwachen Region die Einnahmen zu gering seien.

Von Almuth Knigge |
    250.000 Euro Strafe, wahlweise bis zu zwei Jahren Ordnungshaft - das droht dem "Nordkurier" bei Zuwiderhandlung gegen die einstweilige Verfügung, die er am Freitag gegen den Deutschen Journalistenverband DJV einkassiert hat. Minimal Zeit für ein kleines Triumphgefühl, für Kai Voigtländer, Vorsitzender des DJV in Mecklenburg-Vorpommern:

    "Das ist ein Erfolg, weil man damit ein Zeichen gesetzt hat, dass man mit freien Journalisten nicht umgehen kann, wie man will. Mein Gefühl ist, die haben sie das Urteil geholt, was sie verdienen und jetzt müssen wir langsam zur Vernunft zurückkommen und gucken, was man machen kann."

    Der Deutsche Journalistenverband konnte eine einstweilige Verfügung gegen die Honorarbedingungen des Nordkurier erwirken, denn die hatten es in sich:

    Voigtländer: "Und auch das ist vor Gericht ja sehr deutlich geworden egal, wie wirtschaftlich schlecht es den Verlagen geht, es gibt ihnen nicht das Recht, rechtswidrige Geschäftsbedingungen den Mitarbeitern aufzudiktieren."

    Der Verlag wollte sich mit seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von sämtlichen Risiken freikaufen, und gleichzeitig auch die Urheberrechte für sämtliche auch nur ansatzweise vorstellbare Nutzungsarten - Print, Internet, Werbung - im In- und Ausland bekommen, inklusive der Eigentumsrechte an Manuskripten, Illustrationen und Bildern, plus der Negative. Also - eigentlich alles. Die dritte Zivilkammer des Landgerichtes Rostock befand: Nein, so geht es nicht. Diese Klauseln stünden mit "wesentlichen Grundgedanken " gesetzlicher Regelungen insbesondere dem Urhebergesetz nicht im Einklang" und zögen eine "unangenehme Benachteiligung" der freien Mitarbeiter nach sich.

    Michael Seidel, Chefredakteur des Nordkurier und selber DJV-Mitglied, der in einem offenen Brief an den Journalistenverband selber von unterirdischen Honoraren gesprochen hat, ringt um Verständnis.

    Seidel: "Der Urgrund ist, dass wir die Zeitung sind im wohl strukturschwächsten Verbreitungsgebiet im Bundesgebiet, was Rückschlüsse zulässt auf die Erlöse, die so eine Zeitung dort erzielen kann, wir bauen im Moment gerade um zu einem Medienhaus, wir sind nicht mehr nur eine Tageszeitung, das bleibt das Kernprodukt, aber wir werden künftig auch auf anderen Kanälen publizieren und dazu brauchen wir die Rechte an den Beiträgen, die wir ankaufen."

    Kai Voigtländer schüttelt den Kopf

    Voigtländer: "Der Zusammenhang ist mir nicht einleuchtend, warum sie dafür die Rechte brauchen, sollen sie doch machen, von mir aus gerne, wäre schön, wenn sie damit vor fünf Jahren angefangen hätten, also ich kann mir da viel vorstellen, die können von mir aus ihre Nachrichten aufs iPhone packen oder auf irgendwelche mobilen Endgeräte oder in lokale Fernsehstationen, warum denn nicht? Der entscheidende Punkt, dafür brauchen sie Journalisten, die motiviert, qualifiziert und gut ausgebildet sind, die anständig bezahlt werden, irgendwo muss der Content ja herkommen und das machen nicht die Schüler, Rentner und Hausfrauen, von denen Herr Schumacher immer schwärmt."

    Schumacher, der Verlagsleiter, wird von Branchenkennern auch der "Zumacher" genannt, seit er in Münster über Nacht eine ganze Lokalredaktion gegen ein neues Team ausgetauscht hat. Der "Brutalsanierer", wie er seitdem heißt, hatte Anfang Juni noch kommentiert, der Rechtsstreit sei ein vorgeschobener Anlass, um einen Dauerstreit gegen den Verlag weiterzuführen, der seit dessen Austritt aus der Tarifgemeinschaft im Jahr 2007 herrsche.

    Doch die Auseinandersetzung zwischen Nordkurier und dem Deutschen Journalisten Verband ist nur der vorläufige Höhepunkt in einer besorgniserregenden Entwicklung. Sparzwang ist in den gesamten neuen Bundesländern eigentlich von Anfang an Redaktionsalltag. Immer mehr Kooperationen, immer weniger Vielfalt. Seit anderthalb Jahren gibt es deshalb die Initiative der Gewerkschaften "Qualität und Vielfalt sichern".

    Voigtländer: "Einerseits fehlt es an einer starken kritischen Presse, die Politiker sind einsam auf ihren Pressekonferenzen, das finden sie natürlich nicht so schön, und auf der anderen Seite gibt es Schwierigkeiten, wichtige Inhalte an einen repräsentativen Kreis der Bevölkerung zu vermitteln."

    In dünn besiedelten Gebieten, wo die Zustellung der Zeitung ein Vielfaches mehr kostet als in der Großstadt, könnten sich die Verlage sogar irgendwann ganz zurückziehen, fürchten Experten, Regionen in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern, die von der Abwanderung der Bevölkerung besonders stark betroffen sind, könnten so zu zeitungsfreien Zonen werden. Mittlerweile, so Voigtländer, haben die Politiker nahezu parteiübergreifend begriffen, welche gefährliche Entwicklung damit begonnen hat.

    Voigtländer: "Leute, ihr müsst aufpassen, dass ihr nicht nur ein paar Zeitungen verliert als Werbeträger, sondern dass hier ein elementarer Wesensbestandteil von demokratischem Diskurs verlorengeht."