" Auf dem Balkan herrschte zum großen Teil die Türkei – in einer gewissen Rivalität mit Österreich-Ungarn – und die Türkei war der kranke Mann am Bosporus. Sie stand unter großem Druck von innen und von außen, und der Balkan geriet unter den Einfluss von Nationalbewegungen, "
so sieht Professor Thomas Mergel von der Humboldt-Universität Berlin die politische Situation auf der Balkanhalbinsel um 1875, eine äußerst schwierige Lage für die Machthaber des Osmanischen Reiches. Sie hatten Jahrhunderte lang rücksichtslos ihre meist christlichen Untertanen durch Steuern und hohe Abgaben ausgesogen. Zudem modernisierten sie ihre Armee, so dass die Türkei von Schulden und fälligen Zinszahlungen erstickt wurde. Der Balkan war zum Pulverfass geworden. Es bedurfte nur eines Funkens, ihn zur Explosion zu bringen, aber im Jahr 1874 gab es gleich zwei davon: eine Missernte und der unbedachte Trinkspruch des Kaisers Franz Joseph anlässlich der Geburtstagsfeier für den Zaren:
" Ein Hoch auf meinen Freund, auf Alexander II. von Russland. "
Das allein genügte, die Gerüchteküche anzuheizen. Zu gern hielt man einen Wunsch für Realität und glaubte, die Türkei werde im Einverständnis mit dem Zaren die Herzegowina an Österreich abtreten, das dafür einen Teil der Staatsschulden übernehmen würde. Die Verzweiflung über ihre Lage und die Hoffnung auf Österreichs Hilfe bewirkten, dass sich die Herzegowiner gegen türkische Statthalter und mohammedanische Grundherren erhoben. Kaum hatten sie zu den Waffen gegriffen, folgten ihnen die Bewohner des benachbarten Bosnien. Die lokale Unruhe drohte ein weltweiter Konflikt zu werden. Thomas Mergel:
" In den 70er Jahren erhoben sich die Serben, die Bosnier, die Montenegriner gegen die türkische Herrschaft, unterstützt von Russland, das seine orthodoxen Brüder und auch seine slawischen Brüder beschützen wollte. Das wiederum stieß auf die Konkurrenz Österreich-Ungarns, das befürchtete, dass Russland zu viel Gewicht erlangen könnte auf dem Balkan. Dazu war wiederum Großbritannien stark daran interessiert, den Einfluss Russlands nicht zu groß werden zu lassen, weil es befürchtete, dass seine Seemacht im Mitteleer und im Schwarzen Meer in Gefahr geraten könnte. "
Alle Großmächte belauerten den Balkan, immer auf der Suche nach einer Gelegenheit, ihren Einfluss auf Kosten der Türkei zu vergrößern. Russland erklärte 1877 als erster Staat den Krieg, stand wenige Monate später vor Konstantinopel und zwang dem Sultan den entehrenden Frieden von San Stefano auf.
Serbien, Montenegro und Rumänien werden sofort unabhängige Staaten. Bulgarien, das vom Schwarzen Meer bis zur Ägäis reicht, bleibt für zwei Jahre von Russland besetzt.
Mit diesen Hauptpunkten des Diktatfriedens waren selbstverständlich die anderen Großmächte nicht einverstanden. Sie wollten nicht leer ausgehen. Das war die Stunde Otto von Bismarcks:
Der Balkan-Konflikt kann nur durch Verhandlungen aus der Welt geräumt werden. Ich bin bereit, wie ein ehrlicher Makler den Kongress zu leiten.
Thomas Mergel: " Die Situation des Deutschen Reiches in den 70er Jahren kann man ein wenig vergleichen mit der Situation Deutschlands nach der Wiedervereinigung 1990. Es war jetzt ein Koloss, ein wissenschaftlich und politisch starkes Reich in Europa entstanden, und Bismarck musste ein starkes Interesse daran haben, dass die anderen großen Mächte sich nicht bedroht fühlten durch Deutschland. Das heißt: Er bot das Deutsche Reich als einen Vermittler an – insofern als neutral und als möglichen Gesprächspartner für alle großen Mächte. "
Einen Monat lang wurde in Berlin diskutiert. Am 13. Juli 1878 endete der Kongress zur Neuordnung des Balkan, indem die Halbinsel „balkanisiert“ wurde, wie bis auf den heutigen Tag die Auflösung eines großen Gebietes in kleine Staaten genannt wird. Auf die Frage, ob der Berliner Kongress ein Erfolg war, antwortet Professor Mergel:
" Zunächst ja, weil die Lage auf dem Balkan soweit entworren wurde, dass Krieg vermieden wurde, es wurden die meisten Forderungen Russlands erfüllt. Es wurden Serbien, Montenegro und Rumänien zu selbständigen Nationalstaaten, der Weg für Bulgarien als selbständiges Reich wurde zumindest geebnet. Gleichzeitig erhielt Österreich-Ungarn auch einiges vom Kuchen, nämlich die Verwaltung über Bosnien. "
so sieht Professor Thomas Mergel von der Humboldt-Universität Berlin die politische Situation auf der Balkanhalbinsel um 1875, eine äußerst schwierige Lage für die Machthaber des Osmanischen Reiches. Sie hatten Jahrhunderte lang rücksichtslos ihre meist christlichen Untertanen durch Steuern und hohe Abgaben ausgesogen. Zudem modernisierten sie ihre Armee, so dass die Türkei von Schulden und fälligen Zinszahlungen erstickt wurde. Der Balkan war zum Pulverfass geworden. Es bedurfte nur eines Funkens, ihn zur Explosion zu bringen, aber im Jahr 1874 gab es gleich zwei davon: eine Missernte und der unbedachte Trinkspruch des Kaisers Franz Joseph anlässlich der Geburtstagsfeier für den Zaren:
" Ein Hoch auf meinen Freund, auf Alexander II. von Russland. "
Das allein genügte, die Gerüchteküche anzuheizen. Zu gern hielt man einen Wunsch für Realität und glaubte, die Türkei werde im Einverständnis mit dem Zaren die Herzegowina an Österreich abtreten, das dafür einen Teil der Staatsschulden übernehmen würde. Die Verzweiflung über ihre Lage und die Hoffnung auf Österreichs Hilfe bewirkten, dass sich die Herzegowiner gegen türkische Statthalter und mohammedanische Grundherren erhoben. Kaum hatten sie zu den Waffen gegriffen, folgten ihnen die Bewohner des benachbarten Bosnien. Die lokale Unruhe drohte ein weltweiter Konflikt zu werden. Thomas Mergel:
" In den 70er Jahren erhoben sich die Serben, die Bosnier, die Montenegriner gegen die türkische Herrschaft, unterstützt von Russland, das seine orthodoxen Brüder und auch seine slawischen Brüder beschützen wollte. Das wiederum stieß auf die Konkurrenz Österreich-Ungarns, das befürchtete, dass Russland zu viel Gewicht erlangen könnte auf dem Balkan. Dazu war wiederum Großbritannien stark daran interessiert, den Einfluss Russlands nicht zu groß werden zu lassen, weil es befürchtete, dass seine Seemacht im Mitteleer und im Schwarzen Meer in Gefahr geraten könnte. "
Alle Großmächte belauerten den Balkan, immer auf der Suche nach einer Gelegenheit, ihren Einfluss auf Kosten der Türkei zu vergrößern. Russland erklärte 1877 als erster Staat den Krieg, stand wenige Monate später vor Konstantinopel und zwang dem Sultan den entehrenden Frieden von San Stefano auf.
Serbien, Montenegro und Rumänien werden sofort unabhängige Staaten. Bulgarien, das vom Schwarzen Meer bis zur Ägäis reicht, bleibt für zwei Jahre von Russland besetzt.
Mit diesen Hauptpunkten des Diktatfriedens waren selbstverständlich die anderen Großmächte nicht einverstanden. Sie wollten nicht leer ausgehen. Das war die Stunde Otto von Bismarcks:
Der Balkan-Konflikt kann nur durch Verhandlungen aus der Welt geräumt werden. Ich bin bereit, wie ein ehrlicher Makler den Kongress zu leiten.
Thomas Mergel: " Die Situation des Deutschen Reiches in den 70er Jahren kann man ein wenig vergleichen mit der Situation Deutschlands nach der Wiedervereinigung 1990. Es war jetzt ein Koloss, ein wissenschaftlich und politisch starkes Reich in Europa entstanden, und Bismarck musste ein starkes Interesse daran haben, dass die anderen großen Mächte sich nicht bedroht fühlten durch Deutschland. Das heißt: Er bot das Deutsche Reich als einen Vermittler an – insofern als neutral und als möglichen Gesprächspartner für alle großen Mächte. "
Einen Monat lang wurde in Berlin diskutiert. Am 13. Juli 1878 endete der Kongress zur Neuordnung des Balkan, indem die Halbinsel „balkanisiert“ wurde, wie bis auf den heutigen Tag die Auflösung eines großen Gebietes in kleine Staaten genannt wird. Auf die Frage, ob der Berliner Kongress ein Erfolg war, antwortet Professor Mergel:
" Zunächst ja, weil die Lage auf dem Balkan soweit entworren wurde, dass Krieg vermieden wurde, es wurden die meisten Forderungen Russlands erfüllt. Es wurden Serbien, Montenegro und Rumänien zu selbständigen Nationalstaaten, der Weg für Bulgarien als selbständiges Reich wurde zumindest geebnet. Gleichzeitig erhielt Österreich-Ungarn auch einiges vom Kuchen, nämlich die Verwaltung über Bosnien. "