Archiv


Kräuter statt Antibiotika

Masttiere in der Landwirtschaft leben meist auf engstem Raum und deshalb müssen sie dringend vor ansteckenden Krankheiten geschützt werden. Die Folgen bei einem Krankheitsausbruch wären sonst natürlich verheerend für den Betrieb. Deshalb werden dem Tierfutter oft vorsorglich Antibiotika beigemengt, die helfen, dass die Tiere schnell und ordentlich zunehmen und dabei gesund bleiben. Häufig finden sich diese Wirkstoffe aber auch im Fleisch wieder. Und darüber wird nun heftig diskutiert, inwieweit diese Antibiotika im Fleisch den Menschen schädigen, in dem sie ihn resistent machen gegen diese Wirkstoffe, das Antibiotikum also nicht mehr wirkt im Falle einer Krankheitsbehandlung. Die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft testet derzeit anhand von Hühnerfutter, ob sich die Antibiotika nicht ersetzen lassen und zwar durch die Beimengung von Kräuter.

Von Anke Ulke |
    Wir zerteilen dies Hähnchen jetzt in bestimmte Teilstücke und dazu schneide ich als erstes den Hals auf dem Rücken lang auf, und dann trenn' ich den Hals von der Haut, so wie von der Speise- und der Luftröhre. Jetzt schneide ich den Kopf ab, und dann drehe ich mir das Tier um, so dass es auf dem Rücken liegt und schneide die Ständer im Gelenk mit den Messer einfach ab.

    Scharf wie ein Rasierklinge ist das Messer, mit dem Tierwirtmeister Karsten Knop das vor ihm liegende, maschinell gerupfte Hähnchen zerteilt. Hähnchenbrust und Keulen, die Innereien, alles, was die Kundschaft normalerweise kauft, wird sorgfältig abgeschnitten, verpackt, gewogen und später untersucht. Dieser tote Hahn ist nur einer von 90, die das Team von Versuchsleiterin Ingrid Halle heute noch schaffen muss. Im Celler "Institut für Tierschutz und Tierhaltung", der FAL, der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, werden Hähnchen zu Versuchszwecken gemästet. In einer ganz normalen Bodenmastanlage, mit genormter Käfiggröße und ein wenig Stroh zum Scharren. Auch die Tiere, die hier noch fröhlich krähen, sind am Ende ihrer Mast und kommen bald unters Messer:

    Diese Tiere sind jetzt also 84 Tage alt, man sieht dass die jetzt sehr ordentlich, sehr kräftig gewachsen sind, sich an und für sich auch wohl fühlen und wir jetzt den Versuch beenden können, um dann einen Teil dieser Tiere auch zu schlachten, um zu sehen, ob sie ordentlich Fleisch angesetzt haben und innerlich gesund sind.

    Die Broiler, wie die studierte Landwirtin Ingrid Halle sie nennt, sind zwar keine frei laufenden Bio-Hähnchen, wirken aber trotzdem munter und fit. Das liegt vermutlich einerseits an der langen Mastzeit, aber vor allen Dingen am Futter, das als kleine vorgeformte Körner, als Pellets, in den Futterschalen liegt. Und diese Pellets haben es in sich: Soja, Mais, Weizen und noch etwas:

    In diesem Versuch wo wir die kräftigen Broiler gesehen haben, da haben wir Bohnenkraut eingesetzt in einer Konzentration von 5 Gramm bzw. 10 Gramm pro Kilogramm Futter, um in dieser Abstufung zu sehen, ob sich das insgesamt, auf den Gesundheitsstatus und damit auch das Wachstum und in der Endkonsequenz auf den Ertrag an wertvollen Fleischteilen auswirkt.

    Bohnenkraut - als ätherisches Öl im Futter - wird von den Hähnchen gern genommen. Das merkt man am Endergebnis, also am höheren Mastgewicht, aber auch am Gesundheitszustand der Tiere. Und Bohnenkraut ist nicht das einzige Kraut, nach dem sich die Hähnchen förmlich den Schnabel lecken. Beliebt sind auch Schwarzkümmel, Oregano und ein wenig gemahlene Kakaoschalen. Die verschiedenen Kräuter, die in der Humanmedizin und der Naturheilkunde schon lange genutzt werden, haben bestimmte Heilwirkungen. Sie sind beispielsweise Appetit anregend oder beruhigend, wirken aber auch antibakteriell, fördern also die Darmgesundheit der Tiere. Die gemahlenen Kakaoschalen, ein Abfallprodukt bei der Kakaogewinnung, fressen die Hähnchen auch sehr gern. Diese Schalen enthalten viele so genannte Strukturkohlenhydrate, also sehr ballaststoffreiche, feste pflanzliche Verbindungen. Und in Bohnenkraut- und Oreganoöl findet sich ein sehr hoher Anteil Carvacol, ein Bestandteil einiger ätherischer Öle, der Keime verringert. Doch die Wirkung einzelner Öle auf die Masthähnchen ist unterschiedlich. Ingrid Halle:

    Bei uns haben wir festgestellt, dass sie teilweise die Futteraufnahme verbessern, aber auch teilweise die Futteraufnahme verringern, das aber insgesamt dadurch, dass sie die Darmbesiedlung stabilisieren, der Futteraufwand, also das was ein Tier an Futter aufnehmen muss, in Beziehung gesetzt ist zu dem, was es dann an Fleisch produziert, dass das dann optimaler wird.

    Versuche mit Kräuterzusätzen im Tierfutter gibt es schon seit den 50er Jahren. Beispielsweise wollte man mit Knoblauch oder Zwiebelsalz das Fleisch schon vorwürzen. Diese Versuche blieben jedoch weitgehend ergebnislos. Eine Kombination von Thymian und Leinsaat war jedoch erfolgreich und verbesserte Geruch und Geschmack von Eiern.
    Die ätherischen Öle, die im Tierversuch eingesetzt werden, sind so gezüchtet, dass sie einen besonders hohen Anteil an bestimmten Inhaltsstoffen haben - sie sind nicht für den Hausgebrauch bestimmt, denn sie sind im Geschmack zu scharf. Als Ersatz für leistungssteigernde Antibiotika können sie jedoch durchaus dienen. Vor allem das Bohnenkraut, dass auch noch aus deutschem Anbau stammt, ist viel versprechend. Doch Ingrid Halle warnt vor verfrühten Erwartungen:

    Insgesamt kann man aber bei den ganzen Kräutern sagen, dass eben der Erkenntniswert noch zu gering ist, um zu sagen, wenn ich Kräuter einsetze, habe ich unter Garantie ein positives Ergebnis. Da fehlen also noch sehr viele tiefgründige Untersuchungen, denn Kräuter sind immer die Blätter von irgendwelchen Pflanzen und da sind sehr viele Inhaltsstoffe drin, deren Wirkung man jetzt noch nicht einschätzen kann, und deren einzelne Wirkung erst untersucht werden muss. Das sind wirklich die Anfänge, um mal zu sehen, ob der Einsatz solcher Kräuter oder ätherischen Öle wirklich etwas bewirken kann. Aber noch nicht mehr.