"Wir sitzen in den Startlöchern. Wir müssen jetzt hoffen, dass es wärmer und trocken wird, damit wir auf dem Acker die Bodenbearbeitung beginnen können, sodass der Mais Mitte bis Ende April in die Erde gelegt werden kann. "
Kraft aller Elemente. Energiequellen mit Zukunft. Teil 1: Hölzer, Halme, Kilowatt. Eine Sendung von Frank Grotelüschen.
"Der Mais wird Ende September geerntet. Wenn es trocken ist, etwas früher, wenn es feucht ist, etwas später. Die Maisernte wird innerhalb von zehn Tagen erledigt sein."
Das Dorf Fintel in Niedersachsen. 9000 Tonnen Mais will Steffen Florin in diesem Jahr von seinen Feldern holen. Mais, der nicht für Futtertröge oder Popcorn-Tüten bestimmt ist, sondern für Strom und Wärme - für Bioenergie. Eine Energie, die mächtig boomt.
"Guten Tag meine Damen und Herren. Ich darf sie ganz herzlich zu unserer Veranstaltung "Energie vom Feld" begrüßen. Als wir vor anderthalb Jahren mit der Planung dieser Veranstaltung begonnen haben, war das noch ein Thema von Experten für Experten. Ehrlich gesagt dachten wir an 40 bis 50 Teilnehmer. Dass es heute so viele geworden sind, zeigt sicherlich, dass die Biomasse eine Bedeutung erlangen kann, wenn es darum geht, Lösungen für den Klimaschutz, für Rohstoff- und Versorgungssicherheit in der Zukunft zu leisten."
Berlin, eine Veranstaltung von Econsense, einer Art Öko-Netzwerk der deutschen Industrie. Statt der erwarteten 50 Teilnehmer begrüßt Geschäftsführer Klaus Mittelbach 300, die meisten in Schlips und Kragen. Die Veranstaltung zeigt: Bioenergie ist en Vogue. Quasi über Nacht hat sich ihr Image gewandelt: vom Öko-Hobby für Schweinestallbesitzer zum Hoffnungsträger für Nadelstreifen. Aus Pflanzen Energie zu machen, scheint Zukunft zu haben.
Die Bioenergie verspricht zwei Vorteile. Erstens: Sie ist regenerativ und klimaschonend. Beim Wachsen nehmen die Pflanzen dieselbe Menge an Treibhausgas CO2 auf, die sie später beim Verbrennen wieder abgeben. Zweitens: Bioenergie ist flexibler als andere erneuerbare Energien. Denn aus Biomasse lässt sich alles machen, was der Markt braucht - Strom, Wärme, Kraftstoff.
Schon heute deckt die Bioenergie mehr als vier Prozent des europäischen Energieverbrauchs. Auf lange Sicht ist viel mehr drin, sagt Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung.
"Wir schätzen das Potenzial bis zum Jahre 2050 auf 200 Exajoule pro Jahr. Das wäre die Hälfte des heutigen Primärenergieverbrauchs. Das ist ein gewaltiges Potenzial. Und dabei denken wir, dass die Biomasse genutzt werden sollte einerseits für Treibstoffe, aber natürlich auch im Wärme- und Elektrizitätssektor."
In Deutschland wird die Bioenergie seit ein paar Jahren stark gefördert. Und das hat Folgen: Auf immer mehr Feldern blüht knallgelb der Raps, der Rohstoff für Biodiesel. Holzkraftwerke schießen aus dem Boden, sie verfeuern Restholz aus Wäldern und Sägewerken und liefern Strom und Wärme. Und Bauern pflanzen ihren Mais nicht mehr nur als Viehfutter, sondern lassen ihn immer öfter zu Biogas vergären. 3500 Biogasanlagen gibt es heute, zusammen produzieren sie soviel Strom wie ein Kernkraftwerk. Eine dieser Anlagen gehört Bauer Florin aus Fintel.
Die Anlage ist alles andere als klein: ein Betonrund, 36 Meter Durchmesser und fast fünf Meter hoch, dazu eine Wellblechscheune. Daneben - auf einer Fläche halb so groß wie ein Fußballfeld - der Maissilo: hohe Betonwände, dazwischen lagert der klein gehäckselte Mais. Florin greift in den Haufen und lässt ein paar Schnipsel durch die Finger gleiten: Körner, Blätter und Stängel. Verwertet wird die ganze Pflanze.
Jetzt startet Florin seinen Radlader. Er schaufelt eine Fuhre Mais aus dem Silo und schüttet ihn in einen Metallcontainer neben dem Betonrund.
"Der Behälter fasst ziemlich genau eine Tagesmenge. So können wir mit einer festen Arbeitszeit pro Tag die Fütterung erledigen."
Florin füttert seine Bakterien. Sie leben zu Abermilliarden in dem Betonrund. Eine Art Förderband läuft vom Container zum Betonzylinder und versorgt die Mikroben mit Maishäckseln. 25 Tonnen sind es pro Tag, sagt Wilken Corleis. Seine Firma EURO Biogas hat die Anlage gebaut.
"Einmal in der vollen Stunde wird gefüttert. Rund um die Uhr zu jeder vollen Stunde geht die ganze Technik automatisch an. Über diese Förderschnecken wird das in den Behälter eingeführt."
Zusätzlich zum Mais kommt Gülle ins Betonrund. Sie sammelt sich kostenlos in Bauer Florins Viehställen.
Auf einer Metalltreppe geht Corleis nach oben, auf das Dach des Betonzylinders. Dann nimmt er eine Lampe und leuchtet durch ein Bullauge nach unten, in den Behälter hinein.
"Wenn man die Luftblasen sieht, kann man erkennen, wie das Gas aufsteigt und sich in diesem Bereich hier sammelt. Mit der Lampe, wenn man hier reinstrahlt, kann man das genau sehen."
Unten, in den Fermentern, tun die Bakterien ihren Dienst. In einer Suppe aus Gülle und Maisschnipseln, unter Luftabschluss und bei 40 Grad Celsius. Innerhalb von acht Wochen zersetzen sie den Mais in ein brennbares, methanhaltiges Gas - Biogas.
"Was hier passiert, ist ein ganz natürlicher Prozess, der im Mais, in der Gülle, schon vorhanden ist. Das entsteht von allein. Wir beschleunigen es nur dadurch, dass wir rühren, dass wir gezielt auf Temperatur bringen und dadurch den ganzen Prozess optimieren."
Mit Biogasanlagen ähnlich wie der von Bauer Florin hat die Branche Großes vor. Die Vision: Künftig sollen sie nicht nur Strom erzeugen, sondern auch Gas, das sich direkt ins Erdgasnetz einspeisen lässt.
"Das Thema Direkteinspeisung von Biogas ins Erdgasnetz hat im Moment eine Wahnsinns-Dynamik. Man überschlägt sich geradezu. Die neue Studie, die wir gemeinsam mit der Bündnis 90/Grünen-Fraktion gemacht haben, hat die europäische Betrachtungsweise angesetzt. Ergebnis: Allein wenn wir die Flächenkorridore entlang der osteuropäischen Erdgas-Pipelines nutzen würden, um dort Biogasanlagen zu setzen und das Gas dann einzuspeisen, können wir den Erdgasbedarf von ganz EU 25 ersetzen. Ein gigantisches Potenzial."
Markus Ott, stellvertretender Geschäftsführer des Fachverbands Biogas. Etwa 70.000 Anlagen wären nötig, um sich von den russischen Gasimporten unabhängig zu machen, so die Studie. Auf den ersten Blick klingt das höchst eindrucksvoll. Aber: Es gibt auch Probleme. Denn ohne weiteres lässt sich Biogas nicht in eine Erdgaspipeline einspeisen.
"Es muss gereinigt werden. Es kommt als Rohgas aus dem Prozess. Wir müssen vor allen Dingen Spuren- und Schadgase entfernen. Und wir müssen es aufkonzentrieren. Biogas ist eine Mischung, etwa halb/halb aus Methan und Kohlendioxid, das wir nicht brauchen können. Dieser Aufbereitungsprozess kostet durchaus Energie und ist auch kostenintensiv. Aber danach haben wir identisch mit Erdgas reines Methan. Diese Technologie ist etabliert, die funktioniert. Es gibt bereits die ersten Anlagen, die das machen."
Das Manko: Wirtschaftlich ist Biogas derzeit nicht konkurrenzfähig. Es kostet ca. dreimal soviel wie Erdgas. Deshalb lautet das große Ziel der Branche: runter mit den Kosten.
"Da gibt es sehr viele interessante Ansätze. Sie dürfen nicht vergessen: Biogas wird erst seit einigen Jahren wirklich produziert. Es gibt ein geflügeltes Wort, dass wir vielleicht nur 2 Prozent der Bakterien im Prozess überhaupt mit dem Namen kennen und von denen nicht mal wissen, was sie tun. Das ist ein großer weißer Fleck. Und deswegen ist auch dort ein großer Hebel anzusetzen. Es gibt jetzt die ersten Labors, dass wir wirklich hingehen, Bakterien sortieren, zählen. Welche Bakterienfamilien arbeiten mit welchen wie zusammen? Und ist das abhängig von der optimalen Fütterung?"
Bakterien zu finden, die Mais und auch andere Pflanzen effektiver zersetzen als heute - das ist das Ziel der Fachleute. Damit wollen sie innerhalb der nächsten 10 Jahre den Preis für Biogas um ein Viertel senken. Dass sich dennoch die Biogas-Herstellung für Landwirt Florin heute schon lohnt, liegt allein am Erneuerbare-Energien-Gesetz. Es zwingt die Stromkonzerne, den Strom zu einem hohen Preis abzunehmen: 16 Cent pro Kilowattstunde - rund doppelt soviel wie bei einem Windrad.
"Dort sehen Sie die Gasleitungen mit verschiedenen Absperrhähnen, Sicherheitsventilen. Wenn wir diese Leitung hier verfolgen: Es geht hier am Behälter runter, einmal ganz quer über den Hof, durch das Gebäude und dann direkt zu den Motoren, wo es verbrannt wird."
Die Leitung führt zu der Scheune aus grünem Wellblech. Wilken Corleis greift in die Hosentasche und sucht die Schlüssel.
"So, wir gehen jetzt in den Motorenraum. Und ab da werden wir nicht mehr so viel hören."
Zwei Motoren stehen hier und machen einen Heidenlärm. Sie verbrennen das Biogas und erzeugen Strom. Jeder Motor leistet 250 Kilowatt - soviel wie ein Sportwagen. Eine Mauer aus Schalldämmsteinen schluckt den ärgsten Lärm. Rohre nehmen die Abwärme der Motoren auf und führen sie nach außen. Die Abwärme hält die Fermenter im Betonrund auf 40 Grad Celsius und beheizt ein paar Wohnungen und Ställe in der Nähe. Landwirt Steffen Florin hat seinen Motoren Namen gegeben. Links steht Hugo, rechts Bärbel.
"Um den täglichen Umgang etwas einfacher zu machen, haben wir die beiden Motoren getauft. Wenn jetzt mal irgendwelche Störungen auftreten, können wir einfach sagen: Hugo ist kaputt, oder Bärbel zickt gerade ein bisschen rum."
Wilken Corleis schließt den Motorenraum ab und steuert auf die letzte Station der Biogasanlage zu - den Trafo.
" Unterirdisch läuft ein Kabel zu diesem Transformator-Häuschen. In diesem Trafo wird direkt eingespeist der fertige Strom. "
Innerhalb von sieben Stunden produziert die Anlage soviel Strom wie ein Vier-Personen-Haushalt im Jahr verbraucht.
Aus Biogas wird Strom gemacht, dazu ein bisschen Wärme. In Zukunft will man es ins Gasnetz einspeisen, um Erdgas zu ersetzen. Doch es gibt auch andere, konkurrierende Pläne. Pläne, die man vor allem in den USA schmiedet:
"In den Biokraftstoffen sieht Präsident Bush die wichtigste Maßnahme, um sich aus der Abhängigkeit vom Erdöl zu befreien. Der Mineralölkonzern BP will eine halbe Milliarde Dollar ausgeben, um Biokraftstoffe weiterzuentwickeln. Etwa die gleiche Summe investiert das US-Energieministerium. Also: Biokraftstoffe sind bei uns ein Riesenthema, auch wenn's vielleicht noch nicht jeder gemerkt hat."
Mel Simon, California Institute of Technology, Pasadena. Den "Sprit vom Acker" gibt es in zwei Varianten - als Biodiesel oder als Bioethanol, einem Benzinersatz. Die USA setzen vor allem auf Bioethanol. Ähnlich wie die Schnapsbrenner vergären die amerikanischen Farmer Maiskörner zu Bioethanol. Dem Benzin beigemengt deckt er heute zwei Prozent des Verbrauchs. Doch das ist nicht die Zukunft, sagt Chris Somerville (sprich wie Sommerville) von der kalifornischen Stanford University.
"Wir nutzen bei der Bioethanol-Herstellung bislang nur einen Teil der Pflanze. Das begrenzt natürlich die Produktivität. Sinnvoller wäre es, die gesamte Pflanze zu verwerten. Wenn wir das machen, holen wir viel mehr Liter Bioethanol aus dem Hektar als heute."
Derzeit sind es rund 3000 Liter pro Hektar. Würde man die ganze Pflanze verwerten statt nur das Korn, wären es fast dreimal soviel. Dann, so die Hoffnung, wird Bioethanol so billig wie Benzin aus Mineralöl.
"Der US-Energieminister hat das Ziel ausgegeben, den Preis auf unter einen Dollar pro Gallone zu senken. Das ist in etwa ein Drittel des heutigen Preises. Und ich bin zuversichtlich, dass das im nächsten Jahrzehnt auch gelingt, und zwar durch eine Reihe von technischen Fortschritten. Dann werden die Biokraftstoffe mit den fossilen Treibstoffen konkurrieren können."
Das Potenzial jedenfalls ist riesig, meint Chris Somerville.
"Das Landwirtschafts- und das Energieministerium haben in einer gemeinsame Studie erhoben, wie viel Biomasse in den USA theoretisch für die Herstellung von Biokraftstoff zur Verfügung steht. Sie kamen auf einen Wert von 1,3 Milliarden Tonnen. Mit dem Bioethanol, den man daraus machen könnte, könnte man zwei Drittel des Kraftstoffbedarfs der USA decken."
Nur: Soweit ist es noch lange nicht. Um den Bioethanol kostengünstig herzustellen, sind noch diverse technologische Durchbrüche nötig. Und an denen wird überall in der Welt gearbeitet - auch in Deutschland.
In einem Labor der Universität Frankfurt überprüft der Biologe Eckhard Boles den Brutraum. Bei 30 Grad Hitze schwenkt eine Rüttelmaschine lauter Glaskoben hin und her. In den Kolben schwappt eine Flüssigkeit, die aussieht wie Federweißer. Ein Nährmedium für eine neue Hefeart.
Diese Hefe soll eine zentrale Rolle spielen bei der Herstellung von Bioethanol der 2. Generation - Bioethanol, der aus der ganzen Pflanze gewonnen wird. Doch bevor die Hefe in Aktion treten und Zucker zu Alkohol vergären kann, muss zunächst noch etwas anderes passieren, sagt Boles.
"Man muss die Pflanzen zunächst mal zerkleinern und verzuckern. Im Gegensatz zu Stärke ist der Zucker gebunden in Form von Cellulose. Diese Cellulose hat eine sehr feste Struktur, und die muss erstmal geknackt werden."
Die Cellulose, aus der eine Pflanze zum Großteil besteht, muss geknackt, muss aufgespalten werden. Das ist zurzeit noch ein Problem, denn die Enzyme, die das erledigen sollen, arbeiten noch nicht effektiv genug. Der Zucker, der durch das Aufspalten entsteht, wird anschließend von der Hefe zu Bioethanol vergärt. Auch das macht noch Schwierigkeiten. Denn beim Aufknacken der Cellulose entstehen unterschiedliche Zuckersorten: Glukose, aber auch sogenannte C5-Zucker. Und nicht für jede Zuckersorte gibt es eine Hefe, die den Zucker effektiv vergären kann.
"Und da setzt unsere Arbeit an: Wir nutzen unsere genetischen Methoden, molekularbiologischen Methoden, und ändern die Hefe so, dass sie auch C5-Zucker vergären kann. Damit kriegt man fast doppelt soviel Ethanol, und das erst würde das Verfahren wirtschaftlich machen."
Im Labor funktioniert das Verfahren schon ganz gut, sagt Boles.
"Wir sind im Moment dabei, unsere Forschungsergebnisse zu übertragen auf Industriehefen, sodass wir relativ zuversichtlich sind, dass man wahrscheinlich in zwei bis drei Jahren Industriehefen zur Verfügung haben wird, die dann sowohl die Glukose als auch die C5-Zucker komplett und relativ effizient zu Alkohol vergären können."
Aber: Der Bioethanol hat einen Konkurrenten. BTL, so heißt er - eine neue Form von Biodiesel. Mitte der 90er Jahre wurde BTL erfunden - und von der Branche müde belächelt.
"Nach dem Motto: Was wollen Sie denn da? Das macht doch keiner! Es hätte sich keiner träumen lassen, dass das dann diese Entwicklung nimmt."
Sagt Matthias Rudloff, Ingenieur bei Choren (sprich Koreen). Choren: so heißt die Firma, die gerade im sächsischen Freiberg eine respektable Fabrik baut: eine Werkhalle am Ortsrand, in der sich Kessel und Metallzylinder drängen, verbunden durch ein Labyrinth aus Röhren und Ventilen. Die Technik einer Großindustrie. Was überhaupt nicht passt, ist der Geruch: Lagerfeuerromantik liegt in der Luft; es riecht nach verkohltem Holz.
"Ziel des Unternehmens ist, aus Biomasse hochwertigen Kraftstoff zu machen. Wir können Holz, Baum- und Strauchschnitt und ähnliche Dinge einsetzen, haben damit eine extrem breite Rohstoffbasis. Die Potenziale sind viel höher als wir das von den klassischen Biokraftstoffen kennen, die ja im Wesentlichen auf Nahrungs- und Futtermitteln aufgebaut sind."
Choren stellt Biodiesel der zweiten Generation her. Der Biodiesel, den man heute tanken kann, wird aus Pflanzenöl gewonnen, vor allem aus Raps. Doch die Anbauflächen für Raps stoßen an ihre Grenzen - weshalb der Rapsdiesel vielen Experten nicht als zukunftsträchtig gilt. Anders der Diesel von Choren, im Fachjargon BTL genannt, "Biomass-to-Liquid".
"Man kann sagen: BTL wird als der Biokraftstoff der Zukunft gesehen."
Gemeinsam mit Shell baut Choren die erste industrielle BTL-Fabrik der Welt. Kostenpunkt: knapp 50 Millionen Euro. Ab Herbst soll sie pro Jahr 15.000 Tonnen Diesel herstellen.
Matthias Rudloff zeigt das Herz der Anlage: einen Komplex aus wuchtigen Tonnen, manche so groß wie ein Haus. Gespeist werden sie mit fingerdicken Holzschnitzeln.
"Wir befinden uns hier unter dem Niedertemperaturvergaser. In diesem Niedertemperaturvergaser wird das Holz verschwelt und aufgespalten in Schwelgas und Holzkohle. Und hier unten sehen Sie die Luftzufuhr in dieses System."
Dann kommen Holzkohle und Schwelgas in einen zweiten Vergaser.
"Das ist der Hochtemperaturvergaser. Der ist im Durchmesser etwa 2,5 Meter und in der Länge nach unten hin 8 Meter."
Ein paar Sekunden lang wirbelt die gemahlene Holzkohle durch ein extrem heißes Fegefeuer. Dabei entsteht ein hochreaktives Gas aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Anschließend strömt das Gas durch ein Labyrinth aus Röhren - ein chemischer Reaktor. Darin bilden sich Ketten aus Kohlenwasserstoffen. Sie werden gereinigt und destilliert, dann ist der Diesel fertig. Eine aufwändige Technik. Sie kann nur in Großanlagen rentabel sein.
"Wir bereiten im Moment das vor, was wir Standardanlagen nennen. Die nächste Generation von Anlagen, die dann noch mal 15 Mal größer sein werden und wo wir im Moment in Deutschland sehr intensiv Standorte suchen. Das heißt wir sind in der Vorbereitung der nächsten Projekte schon relativ weit."
Aus einem Hektar Anbaufläche verspricht sich Rudloff einen Jahresertrag von 4000 Litern - dreimal so viel wie beim Rapsdiesel.
"Sie können in Deutschland davon ausgehen, dass Sie guten Gewissens 10-20 Prozent des Gesamtkraftstoffbedarfs mit BTL decken können. Und da haben Sie noch kein Problem mit Nahrungsmittelproduktion und auch kein Problem damit, dass bestimmte Biomassemengen auch für Wärme- und Stromerzeugungszwecke weggehen. Also 10-20 Prozent in Deutschland. In Europa 20-40 Prozent Und weltweit könnte man noch darüber denken."
Doch BTL ist umstritten. Im Gegensatz zur Bioethanol-Herstellung in kleinen, dezentralen Anlagen sei die BTL-Produktion mit ihren großen Fabriken viel zu aufwändig, meint Eckhard Boles aus Frankfurt.
"Die Anlagen sind unwahrscheinlich teuer, die Größenordnung liegt bei 500 Millionen. Das führt dazu, dass BTL im Moment noch sehr teuer ist. Und wir denken, dass sich da auch nicht mehr viel machen lässt, und das letztendlich BTL immer deutlich teurer sein wird als Cellulose-Ethanol."
Die deutschen Autobauer sehen das anders. Sie setzen große Hoffnungen auf BTL, etwa Herbert Kohler von DaimlerChrysler.
"Ich bin optimistisch, weil ich die Zahlen von hier und heute kenne. Ganz grob heißen die: Was wir heute für einen Liter Diesel ausgeben mit Steuern, kostet der BTL-Kraftstoff bei heutiger Technik in etwa ohne Steuern. Und das ist für mich ein sehr guter Startpunkt, weil wir über technische Entwicklungen immer die Kosten reduzieren können. Also: Da bin ich sehr zuversichtlich."
Eines scheint klar: Richtig durchstarten kann die Bioenergie erst, wenn die Kosten sinken. Dazu verfolgen die Fachleute zwei Strategien. Zum einen wollen sie die Technologie verbessern: Zum Beispiel suchen sie nach Mikroben, die Pflanzen effektiver zersetzen können, und verfeinern die Verfahren der Kraftstoffverflüssigung. Zum anderen aber geht es darum, die Hektarerträge zu steigern. Das Motto: Je mehr Masse auf dem Acker sprießt, umso mehr Kilowatt lassen sich ernten. Die derzeit genutzten Pflanzen - vor allem Raps und Futtermais - sind alles andere als optimal.
"Das ist die erste Generation von Bioenergie-Pflanzen, die eigentlich nicht für diese Verwendung gezüchtet worden ist. Das sind Nahrungs- und Futtermittelpflanzen, die seit Jahrhunderten genutzt werden. Das heißt wir stehen am Anfang der Optimierung pflanzlicher Rohstoffe für die Erzeugung von Energie."
Sagt Rüdiger Scheitza von Bayer aus Leverkusen. In Vergangenheit war die Züchtung vor allem darauf aus, den Ertrag von Korn und Frucht zu steigern. Doch für die Bioenergie spielen Korngüte und Fruchtmasse keine Rolle. Es kommt vor allem darauf an, möglichst schnell möglichst viel Kraut aus der Ackerkrume schießen zu lassen. Deshalb suchen die Züchter nun nach speziellen Energiepflanzen: schnell wachsende Hölzer wie Weiden oder Pappeln. Mais, der später blüht und deshalb länger wächst. Oder Gräser aus anderen Kontinenten, Chinaschilf oder Sudangras. Nur: So schnell dürften die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Denn ein Zuchtprogramm dauert zehn bis fünfzehn Jahre. Also setzt Rüdiger Scheitza auf ein weiteres Instrument:
"Die Gentechnik. In Europa nach vor umstritten, aber langfristig sicherlich ein wesentlicher Bestandteil, um die Effizienz von Pflanzen für Energieerzeugung zu ermöglichen."
Das Ziel: Gentechnisch veränderte Pflanzen sollen Wasser und Nährstoffe besser ausnutzen und mit Böden klarkommen, auf denen sonst nichts wächst. Daran tüfteln Scheitza und seine Kollegen in ihren Labors.
"Man kann ganz gezielt Gene in Pflanzen einbringen, die dort nicht vorhanden sind. Das heißt, dass Pflanzen, die heute einen hohen Wasserbedarf haben, durch Genmodifikationen mit wesentlich weniger Wasser Biomasse erzeugen können."
Eines scheint klar: Die Bioenergie wird in den kommenden Jahren kräftig wachsen - und das stellt die Branche perspektivisch vor ein Problem. Schließlich kann jede Energiepflanze nur einmal verwendet werden: Entweder kann man Gas draus machen, Strom oder Kraftstoff. Das bedeutet: Die verschiedenen Bioenergie-Formen konkurrieren miteinander um die Anbauflächen. Die Nase vorn haben dürften letztlich die, die kostengünstig die meiste Energie aus der Fläche rausholen. Genau das aber ist heute nicht der Fall, meint Folkhard Isermeyer, Ökonom an der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig.
"Pro Euro, die wir Energiekunden zahlen, holen wir im Augenblick nicht die optimale Umweltentlastung raus. Wir sehen in der Landschaft viele Biogasanlagen und Biodieselfelder, wo wir als Ökonomen kritisieren müssen, dass diese Euros in anderer Verwendung einen größeren Beitrag zu den energiepolitischen Zielen bringen könnten. Wir brauchen jetzt erstmal einen Bioenergie-Businessplan, wo wir uns sehr gründlich überlegen müssen, wie die Landwirtschaft in diesem Sektor künftig aufgestellt werden kann. Wir werden uns auf bestimmte Zweige der Bioenergie spezialisieren müssen. Und welche das sind, will wohl bedacht sein."
Doch welche Form von Bioenergie ist die günstigste? Die Antwort fällt schwer. So schneiden BTL-Kraftstoffe in einer Studie des IFEU-Instituts zwar besser ab als Rapsdiesel und Mais-Ethanol. Doch noch effizienter sei es, wenn man aus der Biomasse nicht BTL macht, sondern Strom und Wärme in einem modernen Blockheizkraftwerk. Was sich langfristig durchsetzt, hängt entscheidend ab von den technischen Fortschritten in den einzelnen Bereichen. Und die sind heute kaum vorauszusehen. Bleibt eine Frage: Gibt es überhaupt genug Anbauflächen auf der Erde? Die Experten sind sich uneins. Folkhard Isermeyer:
"Langfristig wird möglicherweise die Fotosynthesefläche auf diesem Globus sehr knapp werden, wenn die Landwirtschaft neben der Nahrungsmittelerzeugung auch die Bioenergieproduktion forcieren soll. Dann reicht die Fläche einfach nicht aus."
Dagegen sehen andere Fachleute bis auf weiteres keine Engpässe. Markus Ott vom Fachverband Biogas:
"Wir haben in Europa jede Menge Überschussflächen, die wir nicht brauchen für die Nahrungsmittelproduktion. Und die werden immer mehr, weil die Produktivität in der Landwirtschaft dramatisch ansteigt - insbesondere in den Ost-Erweiterungsländern. Da wird jetzt viel nachgeholt in der Landwirtschaft. Und wenn die auf unserem mitteleuropäischen Niveau sind, werden noch einmal viel Überschussflächen frei."
Durch die Osterweiterung wachsen die Agrarflächen der EU - und damit auch die Flächen für Energiepflanzen. Mit ihnen könnte man zwei Drittel des europäischen Kraftstoffbedarfs decken. Allerdings würde dann alles an Biomasse in BTL und Bioethanol fließen. Es bliebe nichts mehr übrig, um Strom und Wärme zu gewinnen. Das aber macht keinen Sinn, meint Ottmar Edenhofer vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung.
"Wer das Energieproblem der Zukunft lösen will, muss auf einen Energiemix setzen. Wir sollten uns vor dem Wahn hüten, als gäbe es eine einzige Option, mit der wir das Klimaproblem retten können. Wir müssen auf viele Optionen zurückgreifen. Wer natürlich in einem ambitionierten Ausmaß die erneuerbaren Energieträger nutzen will, wird auf jeden Fall die Biomasse brauchen. Aber es ist ein Spieler in einem Konzert."
"Es ist ganz wichtig, hier alles abgeschlossen zu haben, weil wir einfach außerhalb sind. Und man weiß ja nicht, was irgendwelche Spaßvögel, die hier nachts oder Sonntags nachmittags machen."
In Fintel setzt sich Steffen Florin auf seinen Trecker. Er muss zurück zum Hof, das Vieh will gefüttert werden. Die Tür zu seiner Biogasanlage hat er gut abgeschlossen. Zwei Millionen Euro hat sie gekostet, und es wird 8 bis 10 Jahre dauern, bis sie sich amortisiert hat. Bis dahin steht Florin noch viel Arbeit bevor - und zwar Tag für Tag.
"Im Durchschnitt drei Stunden. Auf jeden Fall täglich gemacht werden muss das Füttern. Und wir kontrollieren täglich den Gasgehalt. Dieser Kontrollgang muss täglich sein."
Es sprachen:
Produktion: Axel Scheibchen
Redaktion: Christiane Knoll
Den nächsten Teil hören Sie in einer Woche. Kraft aller Elemente Teil 2: Strom aus der Tiefe. Am kommenden Sonntag um 16 Uhr 30
Kraft aller Elemente. Energiequellen mit Zukunft. Teil 1: Hölzer, Halme, Kilowatt. Eine Sendung von Frank Grotelüschen.
"Der Mais wird Ende September geerntet. Wenn es trocken ist, etwas früher, wenn es feucht ist, etwas später. Die Maisernte wird innerhalb von zehn Tagen erledigt sein."
Das Dorf Fintel in Niedersachsen. 9000 Tonnen Mais will Steffen Florin in diesem Jahr von seinen Feldern holen. Mais, der nicht für Futtertröge oder Popcorn-Tüten bestimmt ist, sondern für Strom und Wärme - für Bioenergie. Eine Energie, die mächtig boomt.
"Guten Tag meine Damen und Herren. Ich darf sie ganz herzlich zu unserer Veranstaltung "Energie vom Feld" begrüßen. Als wir vor anderthalb Jahren mit der Planung dieser Veranstaltung begonnen haben, war das noch ein Thema von Experten für Experten. Ehrlich gesagt dachten wir an 40 bis 50 Teilnehmer. Dass es heute so viele geworden sind, zeigt sicherlich, dass die Biomasse eine Bedeutung erlangen kann, wenn es darum geht, Lösungen für den Klimaschutz, für Rohstoff- und Versorgungssicherheit in der Zukunft zu leisten."
Berlin, eine Veranstaltung von Econsense, einer Art Öko-Netzwerk der deutschen Industrie. Statt der erwarteten 50 Teilnehmer begrüßt Geschäftsführer Klaus Mittelbach 300, die meisten in Schlips und Kragen. Die Veranstaltung zeigt: Bioenergie ist en Vogue. Quasi über Nacht hat sich ihr Image gewandelt: vom Öko-Hobby für Schweinestallbesitzer zum Hoffnungsträger für Nadelstreifen. Aus Pflanzen Energie zu machen, scheint Zukunft zu haben.
Die Bioenergie verspricht zwei Vorteile. Erstens: Sie ist regenerativ und klimaschonend. Beim Wachsen nehmen die Pflanzen dieselbe Menge an Treibhausgas CO2 auf, die sie später beim Verbrennen wieder abgeben. Zweitens: Bioenergie ist flexibler als andere erneuerbare Energien. Denn aus Biomasse lässt sich alles machen, was der Markt braucht - Strom, Wärme, Kraftstoff.
Schon heute deckt die Bioenergie mehr als vier Prozent des europäischen Energieverbrauchs. Auf lange Sicht ist viel mehr drin, sagt Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung.
"Wir schätzen das Potenzial bis zum Jahre 2050 auf 200 Exajoule pro Jahr. Das wäre die Hälfte des heutigen Primärenergieverbrauchs. Das ist ein gewaltiges Potenzial. Und dabei denken wir, dass die Biomasse genutzt werden sollte einerseits für Treibstoffe, aber natürlich auch im Wärme- und Elektrizitätssektor."
In Deutschland wird die Bioenergie seit ein paar Jahren stark gefördert. Und das hat Folgen: Auf immer mehr Feldern blüht knallgelb der Raps, der Rohstoff für Biodiesel. Holzkraftwerke schießen aus dem Boden, sie verfeuern Restholz aus Wäldern und Sägewerken und liefern Strom und Wärme. Und Bauern pflanzen ihren Mais nicht mehr nur als Viehfutter, sondern lassen ihn immer öfter zu Biogas vergären. 3500 Biogasanlagen gibt es heute, zusammen produzieren sie soviel Strom wie ein Kernkraftwerk. Eine dieser Anlagen gehört Bauer Florin aus Fintel.
Die Anlage ist alles andere als klein: ein Betonrund, 36 Meter Durchmesser und fast fünf Meter hoch, dazu eine Wellblechscheune. Daneben - auf einer Fläche halb so groß wie ein Fußballfeld - der Maissilo: hohe Betonwände, dazwischen lagert der klein gehäckselte Mais. Florin greift in den Haufen und lässt ein paar Schnipsel durch die Finger gleiten: Körner, Blätter und Stängel. Verwertet wird die ganze Pflanze.
Jetzt startet Florin seinen Radlader. Er schaufelt eine Fuhre Mais aus dem Silo und schüttet ihn in einen Metallcontainer neben dem Betonrund.
"Der Behälter fasst ziemlich genau eine Tagesmenge. So können wir mit einer festen Arbeitszeit pro Tag die Fütterung erledigen."
Florin füttert seine Bakterien. Sie leben zu Abermilliarden in dem Betonrund. Eine Art Förderband läuft vom Container zum Betonzylinder und versorgt die Mikroben mit Maishäckseln. 25 Tonnen sind es pro Tag, sagt Wilken Corleis. Seine Firma EURO Biogas hat die Anlage gebaut.
"Einmal in der vollen Stunde wird gefüttert. Rund um die Uhr zu jeder vollen Stunde geht die ganze Technik automatisch an. Über diese Förderschnecken wird das in den Behälter eingeführt."
Zusätzlich zum Mais kommt Gülle ins Betonrund. Sie sammelt sich kostenlos in Bauer Florins Viehställen.
Auf einer Metalltreppe geht Corleis nach oben, auf das Dach des Betonzylinders. Dann nimmt er eine Lampe und leuchtet durch ein Bullauge nach unten, in den Behälter hinein.
"Wenn man die Luftblasen sieht, kann man erkennen, wie das Gas aufsteigt und sich in diesem Bereich hier sammelt. Mit der Lampe, wenn man hier reinstrahlt, kann man das genau sehen."
Unten, in den Fermentern, tun die Bakterien ihren Dienst. In einer Suppe aus Gülle und Maisschnipseln, unter Luftabschluss und bei 40 Grad Celsius. Innerhalb von acht Wochen zersetzen sie den Mais in ein brennbares, methanhaltiges Gas - Biogas.
"Was hier passiert, ist ein ganz natürlicher Prozess, der im Mais, in der Gülle, schon vorhanden ist. Das entsteht von allein. Wir beschleunigen es nur dadurch, dass wir rühren, dass wir gezielt auf Temperatur bringen und dadurch den ganzen Prozess optimieren."
Mit Biogasanlagen ähnlich wie der von Bauer Florin hat die Branche Großes vor. Die Vision: Künftig sollen sie nicht nur Strom erzeugen, sondern auch Gas, das sich direkt ins Erdgasnetz einspeisen lässt.
"Das Thema Direkteinspeisung von Biogas ins Erdgasnetz hat im Moment eine Wahnsinns-Dynamik. Man überschlägt sich geradezu. Die neue Studie, die wir gemeinsam mit der Bündnis 90/Grünen-Fraktion gemacht haben, hat die europäische Betrachtungsweise angesetzt. Ergebnis: Allein wenn wir die Flächenkorridore entlang der osteuropäischen Erdgas-Pipelines nutzen würden, um dort Biogasanlagen zu setzen und das Gas dann einzuspeisen, können wir den Erdgasbedarf von ganz EU 25 ersetzen. Ein gigantisches Potenzial."
Markus Ott, stellvertretender Geschäftsführer des Fachverbands Biogas. Etwa 70.000 Anlagen wären nötig, um sich von den russischen Gasimporten unabhängig zu machen, so die Studie. Auf den ersten Blick klingt das höchst eindrucksvoll. Aber: Es gibt auch Probleme. Denn ohne weiteres lässt sich Biogas nicht in eine Erdgaspipeline einspeisen.
"Es muss gereinigt werden. Es kommt als Rohgas aus dem Prozess. Wir müssen vor allen Dingen Spuren- und Schadgase entfernen. Und wir müssen es aufkonzentrieren. Biogas ist eine Mischung, etwa halb/halb aus Methan und Kohlendioxid, das wir nicht brauchen können. Dieser Aufbereitungsprozess kostet durchaus Energie und ist auch kostenintensiv. Aber danach haben wir identisch mit Erdgas reines Methan. Diese Technologie ist etabliert, die funktioniert. Es gibt bereits die ersten Anlagen, die das machen."
Das Manko: Wirtschaftlich ist Biogas derzeit nicht konkurrenzfähig. Es kostet ca. dreimal soviel wie Erdgas. Deshalb lautet das große Ziel der Branche: runter mit den Kosten.
"Da gibt es sehr viele interessante Ansätze. Sie dürfen nicht vergessen: Biogas wird erst seit einigen Jahren wirklich produziert. Es gibt ein geflügeltes Wort, dass wir vielleicht nur 2 Prozent der Bakterien im Prozess überhaupt mit dem Namen kennen und von denen nicht mal wissen, was sie tun. Das ist ein großer weißer Fleck. Und deswegen ist auch dort ein großer Hebel anzusetzen. Es gibt jetzt die ersten Labors, dass wir wirklich hingehen, Bakterien sortieren, zählen. Welche Bakterienfamilien arbeiten mit welchen wie zusammen? Und ist das abhängig von der optimalen Fütterung?"
Bakterien zu finden, die Mais und auch andere Pflanzen effektiver zersetzen als heute - das ist das Ziel der Fachleute. Damit wollen sie innerhalb der nächsten 10 Jahre den Preis für Biogas um ein Viertel senken. Dass sich dennoch die Biogas-Herstellung für Landwirt Florin heute schon lohnt, liegt allein am Erneuerbare-Energien-Gesetz. Es zwingt die Stromkonzerne, den Strom zu einem hohen Preis abzunehmen: 16 Cent pro Kilowattstunde - rund doppelt soviel wie bei einem Windrad.
"Dort sehen Sie die Gasleitungen mit verschiedenen Absperrhähnen, Sicherheitsventilen. Wenn wir diese Leitung hier verfolgen: Es geht hier am Behälter runter, einmal ganz quer über den Hof, durch das Gebäude und dann direkt zu den Motoren, wo es verbrannt wird."
Die Leitung führt zu der Scheune aus grünem Wellblech. Wilken Corleis greift in die Hosentasche und sucht die Schlüssel.
"So, wir gehen jetzt in den Motorenraum. Und ab da werden wir nicht mehr so viel hören."
Zwei Motoren stehen hier und machen einen Heidenlärm. Sie verbrennen das Biogas und erzeugen Strom. Jeder Motor leistet 250 Kilowatt - soviel wie ein Sportwagen. Eine Mauer aus Schalldämmsteinen schluckt den ärgsten Lärm. Rohre nehmen die Abwärme der Motoren auf und führen sie nach außen. Die Abwärme hält die Fermenter im Betonrund auf 40 Grad Celsius und beheizt ein paar Wohnungen und Ställe in der Nähe. Landwirt Steffen Florin hat seinen Motoren Namen gegeben. Links steht Hugo, rechts Bärbel.
"Um den täglichen Umgang etwas einfacher zu machen, haben wir die beiden Motoren getauft. Wenn jetzt mal irgendwelche Störungen auftreten, können wir einfach sagen: Hugo ist kaputt, oder Bärbel zickt gerade ein bisschen rum."
Wilken Corleis schließt den Motorenraum ab und steuert auf die letzte Station der Biogasanlage zu - den Trafo.
" Unterirdisch läuft ein Kabel zu diesem Transformator-Häuschen. In diesem Trafo wird direkt eingespeist der fertige Strom. "
Innerhalb von sieben Stunden produziert die Anlage soviel Strom wie ein Vier-Personen-Haushalt im Jahr verbraucht.
Aus Biogas wird Strom gemacht, dazu ein bisschen Wärme. In Zukunft will man es ins Gasnetz einspeisen, um Erdgas zu ersetzen. Doch es gibt auch andere, konkurrierende Pläne. Pläne, die man vor allem in den USA schmiedet:
"In den Biokraftstoffen sieht Präsident Bush die wichtigste Maßnahme, um sich aus der Abhängigkeit vom Erdöl zu befreien. Der Mineralölkonzern BP will eine halbe Milliarde Dollar ausgeben, um Biokraftstoffe weiterzuentwickeln. Etwa die gleiche Summe investiert das US-Energieministerium. Also: Biokraftstoffe sind bei uns ein Riesenthema, auch wenn's vielleicht noch nicht jeder gemerkt hat."
Mel Simon, California Institute of Technology, Pasadena. Den "Sprit vom Acker" gibt es in zwei Varianten - als Biodiesel oder als Bioethanol, einem Benzinersatz. Die USA setzen vor allem auf Bioethanol. Ähnlich wie die Schnapsbrenner vergären die amerikanischen Farmer Maiskörner zu Bioethanol. Dem Benzin beigemengt deckt er heute zwei Prozent des Verbrauchs. Doch das ist nicht die Zukunft, sagt Chris Somerville (sprich wie Sommerville) von der kalifornischen Stanford University.
"Wir nutzen bei der Bioethanol-Herstellung bislang nur einen Teil der Pflanze. Das begrenzt natürlich die Produktivität. Sinnvoller wäre es, die gesamte Pflanze zu verwerten. Wenn wir das machen, holen wir viel mehr Liter Bioethanol aus dem Hektar als heute."
Derzeit sind es rund 3000 Liter pro Hektar. Würde man die ganze Pflanze verwerten statt nur das Korn, wären es fast dreimal soviel. Dann, so die Hoffnung, wird Bioethanol so billig wie Benzin aus Mineralöl.
"Der US-Energieminister hat das Ziel ausgegeben, den Preis auf unter einen Dollar pro Gallone zu senken. Das ist in etwa ein Drittel des heutigen Preises. Und ich bin zuversichtlich, dass das im nächsten Jahrzehnt auch gelingt, und zwar durch eine Reihe von technischen Fortschritten. Dann werden die Biokraftstoffe mit den fossilen Treibstoffen konkurrieren können."
Das Potenzial jedenfalls ist riesig, meint Chris Somerville.
"Das Landwirtschafts- und das Energieministerium haben in einer gemeinsame Studie erhoben, wie viel Biomasse in den USA theoretisch für die Herstellung von Biokraftstoff zur Verfügung steht. Sie kamen auf einen Wert von 1,3 Milliarden Tonnen. Mit dem Bioethanol, den man daraus machen könnte, könnte man zwei Drittel des Kraftstoffbedarfs der USA decken."
Nur: Soweit ist es noch lange nicht. Um den Bioethanol kostengünstig herzustellen, sind noch diverse technologische Durchbrüche nötig. Und an denen wird überall in der Welt gearbeitet - auch in Deutschland.
In einem Labor der Universität Frankfurt überprüft der Biologe Eckhard Boles den Brutraum. Bei 30 Grad Hitze schwenkt eine Rüttelmaschine lauter Glaskoben hin und her. In den Kolben schwappt eine Flüssigkeit, die aussieht wie Federweißer. Ein Nährmedium für eine neue Hefeart.
Diese Hefe soll eine zentrale Rolle spielen bei der Herstellung von Bioethanol der 2. Generation - Bioethanol, der aus der ganzen Pflanze gewonnen wird. Doch bevor die Hefe in Aktion treten und Zucker zu Alkohol vergären kann, muss zunächst noch etwas anderes passieren, sagt Boles.
"Man muss die Pflanzen zunächst mal zerkleinern und verzuckern. Im Gegensatz zu Stärke ist der Zucker gebunden in Form von Cellulose. Diese Cellulose hat eine sehr feste Struktur, und die muss erstmal geknackt werden."
Die Cellulose, aus der eine Pflanze zum Großteil besteht, muss geknackt, muss aufgespalten werden. Das ist zurzeit noch ein Problem, denn die Enzyme, die das erledigen sollen, arbeiten noch nicht effektiv genug. Der Zucker, der durch das Aufspalten entsteht, wird anschließend von der Hefe zu Bioethanol vergärt. Auch das macht noch Schwierigkeiten. Denn beim Aufknacken der Cellulose entstehen unterschiedliche Zuckersorten: Glukose, aber auch sogenannte C5-Zucker. Und nicht für jede Zuckersorte gibt es eine Hefe, die den Zucker effektiv vergären kann.
"Und da setzt unsere Arbeit an: Wir nutzen unsere genetischen Methoden, molekularbiologischen Methoden, und ändern die Hefe so, dass sie auch C5-Zucker vergären kann. Damit kriegt man fast doppelt soviel Ethanol, und das erst würde das Verfahren wirtschaftlich machen."
Im Labor funktioniert das Verfahren schon ganz gut, sagt Boles.
"Wir sind im Moment dabei, unsere Forschungsergebnisse zu übertragen auf Industriehefen, sodass wir relativ zuversichtlich sind, dass man wahrscheinlich in zwei bis drei Jahren Industriehefen zur Verfügung haben wird, die dann sowohl die Glukose als auch die C5-Zucker komplett und relativ effizient zu Alkohol vergären können."
Aber: Der Bioethanol hat einen Konkurrenten. BTL, so heißt er - eine neue Form von Biodiesel. Mitte der 90er Jahre wurde BTL erfunden - und von der Branche müde belächelt.
"Nach dem Motto: Was wollen Sie denn da? Das macht doch keiner! Es hätte sich keiner träumen lassen, dass das dann diese Entwicklung nimmt."
Sagt Matthias Rudloff, Ingenieur bei Choren (sprich Koreen). Choren: so heißt die Firma, die gerade im sächsischen Freiberg eine respektable Fabrik baut: eine Werkhalle am Ortsrand, in der sich Kessel und Metallzylinder drängen, verbunden durch ein Labyrinth aus Röhren und Ventilen. Die Technik einer Großindustrie. Was überhaupt nicht passt, ist der Geruch: Lagerfeuerromantik liegt in der Luft; es riecht nach verkohltem Holz.
"Ziel des Unternehmens ist, aus Biomasse hochwertigen Kraftstoff zu machen. Wir können Holz, Baum- und Strauchschnitt und ähnliche Dinge einsetzen, haben damit eine extrem breite Rohstoffbasis. Die Potenziale sind viel höher als wir das von den klassischen Biokraftstoffen kennen, die ja im Wesentlichen auf Nahrungs- und Futtermitteln aufgebaut sind."
Choren stellt Biodiesel der zweiten Generation her. Der Biodiesel, den man heute tanken kann, wird aus Pflanzenöl gewonnen, vor allem aus Raps. Doch die Anbauflächen für Raps stoßen an ihre Grenzen - weshalb der Rapsdiesel vielen Experten nicht als zukunftsträchtig gilt. Anders der Diesel von Choren, im Fachjargon BTL genannt, "Biomass-to-Liquid".
"Man kann sagen: BTL wird als der Biokraftstoff der Zukunft gesehen."
Gemeinsam mit Shell baut Choren die erste industrielle BTL-Fabrik der Welt. Kostenpunkt: knapp 50 Millionen Euro. Ab Herbst soll sie pro Jahr 15.000 Tonnen Diesel herstellen.
Matthias Rudloff zeigt das Herz der Anlage: einen Komplex aus wuchtigen Tonnen, manche so groß wie ein Haus. Gespeist werden sie mit fingerdicken Holzschnitzeln.
"Wir befinden uns hier unter dem Niedertemperaturvergaser. In diesem Niedertemperaturvergaser wird das Holz verschwelt und aufgespalten in Schwelgas und Holzkohle. Und hier unten sehen Sie die Luftzufuhr in dieses System."
Dann kommen Holzkohle und Schwelgas in einen zweiten Vergaser.
"Das ist der Hochtemperaturvergaser. Der ist im Durchmesser etwa 2,5 Meter und in der Länge nach unten hin 8 Meter."
Ein paar Sekunden lang wirbelt die gemahlene Holzkohle durch ein extrem heißes Fegefeuer. Dabei entsteht ein hochreaktives Gas aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Anschließend strömt das Gas durch ein Labyrinth aus Röhren - ein chemischer Reaktor. Darin bilden sich Ketten aus Kohlenwasserstoffen. Sie werden gereinigt und destilliert, dann ist der Diesel fertig. Eine aufwändige Technik. Sie kann nur in Großanlagen rentabel sein.
"Wir bereiten im Moment das vor, was wir Standardanlagen nennen. Die nächste Generation von Anlagen, die dann noch mal 15 Mal größer sein werden und wo wir im Moment in Deutschland sehr intensiv Standorte suchen. Das heißt wir sind in der Vorbereitung der nächsten Projekte schon relativ weit."
Aus einem Hektar Anbaufläche verspricht sich Rudloff einen Jahresertrag von 4000 Litern - dreimal so viel wie beim Rapsdiesel.
"Sie können in Deutschland davon ausgehen, dass Sie guten Gewissens 10-20 Prozent des Gesamtkraftstoffbedarfs mit BTL decken können. Und da haben Sie noch kein Problem mit Nahrungsmittelproduktion und auch kein Problem damit, dass bestimmte Biomassemengen auch für Wärme- und Stromerzeugungszwecke weggehen. Also 10-20 Prozent in Deutschland. In Europa 20-40 Prozent Und weltweit könnte man noch darüber denken."
Doch BTL ist umstritten. Im Gegensatz zur Bioethanol-Herstellung in kleinen, dezentralen Anlagen sei die BTL-Produktion mit ihren großen Fabriken viel zu aufwändig, meint Eckhard Boles aus Frankfurt.
"Die Anlagen sind unwahrscheinlich teuer, die Größenordnung liegt bei 500 Millionen. Das führt dazu, dass BTL im Moment noch sehr teuer ist. Und wir denken, dass sich da auch nicht mehr viel machen lässt, und das letztendlich BTL immer deutlich teurer sein wird als Cellulose-Ethanol."
Die deutschen Autobauer sehen das anders. Sie setzen große Hoffnungen auf BTL, etwa Herbert Kohler von DaimlerChrysler.
"Ich bin optimistisch, weil ich die Zahlen von hier und heute kenne. Ganz grob heißen die: Was wir heute für einen Liter Diesel ausgeben mit Steuern, kostet der BTL-Kraftstoff bei heutiger Technik in etwa ohne Steuern. Und das ist für mich ein sehr guter Startpunkt, weil wir über technische Entwicklungen immer die Kosten reduzieren können. Also: Da bin ich sehr zuversichtlich."
Eines scheint klar: Richtig durchstarten kann die Bioenergie erst, wenn die Kosten sinken. Dazu verfolgen die Fachleute zwei Strategien. Zum einen wollen sie die Technologie verbessern: Zum Beispiel suchen sie nach Mikroben, die Pflanzen effektiver zersetzen können, und verfeinern die Verfahren der Kraftstoffverflüssigung. Zum anderen aber geht es darum, die Hektarerträge zu steigern. Das Motto: Je mehr Masse auf dem Acker sprießt, umso mehr Kilowatt lassen sich ernten. Die derzeit genutzten Pflanzen - vor allem Raps und Futtermais - sind alles andere als optimal.
"Das ist die erste Generation von Bioenergie-Pflanzen, die eigentlich nicht für diese Verwendung gezüchtet worden ist. Das sind Nahrungs- und Futtermittelpflanzen, die seit Jahrhunderten genutzt werden. Das heißt wir stehen am Anfang der Optimierung pflanzlicher Rohstoffe für die Erzeugung von Energie."
Sagt Rüdiger Scheitza von Bayer aus Leverkusen. In Vergangenheit war die Züchtung vor allem darauf aus, den Ertrag von Korn und Frucht zu steigern. Doch für die Bioenergie spielen Korngüte und Fruchtmasse keine Rolle. Es kommt vor allem darauf an, möglichst schnell möglichst viel Kraut aus der Ackerkrume schießen zu lassen. Deshalb suchen die Züchter nun nach speziellen Energiepflanzen: schnell wachsende Hölzer wie Weiden oder Pappeln. Mais, der später blüht und deshalb länger wächst. Oder Gräser aus anderen Kontinenten, Chinaschilf oder Sudangras. Nur: So schnell dürften die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Denn ein Zuchtprogramm dauert zehn bis fünfzehn Jahre. Also setzt Rüdiger Scheitza auf ein weiteres Instrument:
"Die Gentechnik. In Europa nach vor umstritten, aber langfristig sicherlich ein wesentlicher Bestandteil, um die Effizienz von Pflanzen für Energieerzeugung zu ermöglichen."
Das Ziel: Gentechnisch veränderte Pflanzen sollen Wasser und Nährstoffe besser ausnutzen und mit Böden klarkommen, auf denen sonst nichts wächst. Daran tüfteln Scheitza und seine Kollegen in ihren Labors.
"Man kann ganz gezielt Gene in Pflanzen einbringen, die dort nicht vorhanden sind. Das heißt, dass Pflanzen, die heute einen hohen Wasserbedarf haben, durch Genmodifikationen mit wesentlich weniger Wasser Biomasse erzeugen können."
Eines scheint klar: Die Bioenergie wird in den kommenden Jahren kräftig wachsen - und das stellt die Branche perspektivisch vor ein Problem. Schließlich kann jede Energiepflanze nur einmal verwendet werden: Entweder kann man Gas draus machen, Strom oder Kraftstoff. Das bedeutet: Die verschiedenen Bioenergie-Formen konkurrieren miteinander um die Anbauflächen. Die Nase vorn haben dürften letztlich die, die kostengünstig die meiste Energie aus der Fläche rausholen. Genau das aber ist heute nicht der Fall, meint Folkhard Isermeyer, Ökonom an der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig.
"Pro Euro, die wir Energiekunden zahlen, holen wir im Augenblick nicht die optimale Umweltentlastung raus. Wir sehen in der Landschaft viele Biogasanlagen und Biodieselfelder, wo wir als Ökonomen kritisieren müssen, dass diese Euros in anderer Verwendung einen größeren Beitrag zu den energiepolitischen Zielen bringen könnten. Wir brauchen jetzt erstmal einen Bioenergie-Businessplan, wo wir uns sehr gründlich überlegen müssen, wie die Landwirtschaft in diesem Sektor künftig aufgestellt werden kann. Wir werden uns auf bestimmte Zweige der Bioenergie spezialisieren müssen. Und welche das sind, will wohl bedacht sein."
Doch welche Form von Bioenergie ist die günstigste? Die Antwort fällt schwer. So schneiden BTL-Kraftstoffe in einer Studie des IFEU-Instituts zwar besser ab als Rapsdiesel und Mais-Ethanol. Doch noch effizienter sei es, wenn man aus der Biomasse nicht BTL macht, sondern Strom und Wärme in einem modernen Blockheizkraftwerk. Was sich langfristig durchsetzt, hängt entscheidend ab von den technischen Fortschritten in den einzelnen Bereichen. Und die sind heute kaum vorauszusehen. Bleibt eine Frage: Gibt es überhaupt genug Anbauflächen auf der Erde? Die Experten sind sich uneins. Folkhard Isermeyer:
"Langfristig wird möglicherweise die Fotosynthesefläche auf diesem Globus sehr knapp werden, wenn die Landwirtschaft neben der Nahrungsmittelerzeugung auch die Bioenergieproduktion forcieren soll. Dann reicht die Fläche einfach nicht aus."
Dagegen sehen andere Fachleute bis auf weiteres keine Engpässe. Markus Ott vom Fachverband Biogas:
"Wir haben in Europa jede Menge Überschussflächen, die wir nicht brauchen für die Nahrungsmittelproduktion. Und die werden immer mehr, weil die Produktivität in der Landwirtschaft dramatisch ansteigt - insbesondere in den Ost-Erweiterungsländern. Da wird jetzt viel nachgeholt in der Landwirtschaft. Und wenn die auf unserem mitteleuropäischen Niveau sind, werden noch einmal viel Überschussflächen frei."
Durch die Osterweiterung wachsen die Agrarflächen der EU - und damit auch die Flächen für Energiepflanzen. Mit ihnen könnte man zwei Drittel des europäischen Kraftstoffbedarfs decken. Allerdings würde dann alles an Biomasse in BTL und Bioethanol fließen. Es bliebe nichts mehr übrig, um Strom und Wärme zu gewinnen. Das aber macht keinen Sinn, meint Ottmar Edenhofer vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung.
"Wer das Energieproblem der Zukunft lösen will, muss auf einen Energiemix setzen. Wir sollten uns vor dem Wahn hüten, als gäbe es eine einzige Option, mit der wir das Klimaproblem retten können. Wir müssen auf viele Optionen zurückgreifen. Wer natürlich in einem ambitionierten Ausmaß die erneuerbaren Energieträger nutzen will, wird auf jeden Fall die Biomasse brauchen. Aber es ist ein Spieler in einem Konzert."
"Es ist ganz wichtig, hier alles abgeschlossen zu haben, weil wir einfach außerhalb sind. Und man weiß ja nicht, was irgendwelche Spaßvögel, die hier nachts oder Sonntags nachmittags machen."
In Fintel setzt sich Steffen Florin auf seinen Trecker. Er muss zurück zum Hof, das Vieh will gefüttert werden. Die Tür zu seiner Biogasanlage hat er gut abgeschlossen. Zwei Millionen Euro hat sie gekostet, und es wird 8 bis 10 Jahre dauern, bis sie sich amortisiert hat. Bis dahin steht Florin noch viel Arbeit bevor - und zwar Tag für Tag.
"Im Durchschnitt drei Stunden. Auf jeden Fall täglich gemacht werden muss das Füttern. Und wir kontrollieren täglich den Gasgehalt. Dieser Kontrollgang muss täglich sein."
Es sprachen:
Produktion: Axel Scheibchen
Redaktion: Christiane Knoll
Den nächsten Teil hören Sie in einer Woche. Kraft aller Elemente Teil 2: Strom aus der Tiefe. Am kommenden Sonntag um 16 Uhr 30