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Kraftwerk-Konzert in Tokio
Fahrn auf der Autobahn in 3D

Kraftwerk ist Trendscout: Als Pionier des Elektropop hat die Düsseldorfer Band mit Hits wie "Autobahn" und "Das Model" den Techno maßgeblich mitgeprägt. Auch auf ihrer aktuellen Japan-Tour verteilte Kraftwerk 3D-Brillen - und schuf ein audiovisuelles Experiment mit interessantem Ergebnis.

Von Kathrin Erdmann |
Die Musiker der Band Kraftwerk sind als digitale Animation zu sehen
Arbeiteten wieder und wieder an der Schnittstelle zwischen Musik und Bildender Kunst: Kraftwerk (Felix Hörhager/dpa)
"Mensch. Maschine."
Kraftwerk – wie man sie kennt. Die Fans haben schon lange vor Einlass vor der "Bunkamura Orchard Hall" gewartet, obwohl jeder einen Sitzplatz hat:
"Ich mag die Texte von Kraftwerk."
"Eigentlich mag ich alles an der Band, durch sie bin ich zum Techno gekommen und ich freue mich total, dass sie nach Japan gekommen sind."
"Ich mag die sich wiederholenden Rhythmen. Kraftwerk hat eine Musik erschaffen, die es vorher nicht gab, die sich in die Ewigkeit fortträgt."
Und Texte, die man auch singen kann.
"Fahrn, fahrn, fahrn auf der Autobahn."
"Radioaktivität."
Fein gemusterte Taucheranzüge
Yoshiko hat sich ganz so gekleidet wie in dem Lied "Roboter". Rotes Hemd und schwarze Krawatte - das typische Kraftwerk Outfit. Doch da ist er heute der Einzige. Die vier Bandmitglieder – allen voran Gründer Ralf Hütter – treten heute in einer Art Taucheranzug, die fein gemustert sind und im Scheinwerferlicht ständig die Farbe wechseln, hinter ihre Synthesizer – und so bleiben sie auch die nächsten zwei Stunden stehen.
Vorher wurden an alle Zuschauer 3D-Brillen verteilt. Bei "The Man Machine" scheint man so an einer nicht enden wollenden Hochhäuserzeile vorbeizufahren, das nächste Mal sitzt man wie in einem Raumschiff, rauscht an der Erde vorbei, ein Ufo nähert sich erst dem Fuji, landet dann vor der Konzerthalle "Bunkamura", bevor es erneut abhebt und in den Zuschauerraum zu fliegen scheint. Die schnelle Abfolge der Songs – von "Computer Love" über "The Model" bis zu "Autobahn".
Fan: "Es ist eine relativ intelligente Musik, da überlagern sich verschiedene Melodien, teilweise hat es Elemente von der Klassik, dann hört es sich wie Rock an, es ist einfach eine sehr vielschichtige Musik."
Ein erfrischender Kontrast zur Strenge auf der Bühne sind die Tontechniker, die in Flipflops hinter dem Mischpult stehen.
Auch wenn Kraftwerk die alten Lieder erneut gespielt hat, enttäuscht war am Schluss keiner:
"Ich bin 54 Jahre alt und dachte, es würde ein bisschen retrospektiv sein, aber gar nicht, das war sehr zeitgenössisch."
"Fantastisch, was anderes fällt mir gar nicht ein, ich fand sie auch irgendwie süß, wie sie auf der Bühne standen."
Zu Tränen gerührt
Er habe eine Liebe der Band zu Japan gespürt, sagt dieser Besucher. Auch diese Japanerin, die eigentlich in Düsseldorf lebt, ist noch ganz gerührt, ihr sei sogar eine Träne während des Auftritts über die Wange gekullert, wegen des Bandleaders Ralf Hütter:
"Ralf ist schon 64, wie mein Vater. Ja, und dann komme ich nochmal am Freitag, ich habe eine weitere Karte gekauft."
Während des Konzerts heftig mit dem Kopf zur Musik gewackelt hat ein junger Chinese, er hat Kraftwerk schon in Hongkong gesehen – da musste man stehen und konnte tanzen:
"Ich bin nicht so glücklich über das japanische Publikum, denn wenn du so eine Musik hörst, dann musst du eigentlich tanzen."
Aber einfach allein aufstehen und tanzen, wenn alle sitzen?! Das hat er sich dann doch nicht getraut. Schön war's trotzdem.