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Krank durch Asbest
Keine Heilung, nur Linderung

Asbest ist in der EU seit 1990 verboten, und doch steigt die Zahl der Asbest-Erkrankungen derzeit an: Erkrankungen treten in der Regel erst viele Jahre nach dem Kontakt mit dem krebserregenden Stoff auf – und in den 60er-Jahren wurde die damals sogenannte Wunderfaser bedenkenlos eingesetzt.

Von Daniela Siebert |
    Ein Stethoskop hängt über einem Schreibtischstuhl in einer Hausarztpraxis.
    Bei Asbesterkrankungen ist immer die Lunge betroffen. (dpa / picture alliance / Klaus Rose)
    "Asbest ist ein krebsauslösender Stoff und er macht zusätzlich bindegewebige Verhärtungen vor allem in der Lunge, also ein von der Dosis abhängig gesundheitsgefährlicher, sogar lebensbedrohlicher Stoff", sagt der emeritierte Professor für Arbeitsmedizin Xaver Baur. Asbest schadet dem Menschen nur, wenn es eingeatmet wird. Über diesen Weg kann es diverse Krebserkrankungen auslösen: am Kehlkopf, in der Lunge, im Bauch- oder Rippenfell, an den Eierstöcken. Außerdem:
    "Die sogenannte 'Asbestose', das ist eine bindegewebige Verhärtung der Lunge, das kann aber auch das Rippenfell betreffen, wir sprechen dann von asbest-bedingten 'Pleuraplaques'." Die Asbestose und Lungenkrebs seien die häufigsten Asbest-verursachten Erkrankungen so Baur.
    Fehlendes Gefahrenbewusstsein in den 60er-Jahren
    Einer der betroffenen Patienten ist Peter Sperber. Seit mittlerweile 17 Jahren leidet der Berliner an Asbestose:
    "Ich habe 2000 aufgehört zu rauchen, und meine Frau hat gesagt: 'Mensch, du hast so einen komischen Husten, geh mal zum Lungenarzt.' Und der hat mich dann geröntgt, und auf dieser ganz normalen Röntgenplatte hat man gesehen, dass ich Asbest in der Lunge habe, also nicht nur in der Lunge, auch Bauchfell, Rippenfell. An dem Rippenbogen hier außen bilden sich so kleine Hügel, sag ich mal. Daran sieht man, dass dort Asbestfasern sich verkalkt haben und die dort angedockt haben."
    Der 66-Jährige hält seine Lehrlingszeit für die Ursache seiner Asbestose. In den 60er Jahren lernte er Maschinenschlosser, in einer Firma, die Eisenbahnwaggons herstellte und dafür Asbest verwendete. Abends habe er als Lehrling immer den Dreck in der Werkstatt zusammenfegen müssen, erinnert sich Sperber, einen Mundschutz habe er damals nicht getragen. Es sagte ihm auch niemand, dass seine Arbeit gesundheitsschädigend sein könnte. Die lange Zeitspanne zwischen dem Kontakt mit Asbest und dem Ausbruch einer Erkrankung ist ein großes Problem. Es können viele Jahrzehnte dazwischen liegen und das schädliche Asbest ist womöglich im Körper gar nicht mehr nachweisbar. Der Grund:
    "Dass in Deutschland eine Asbest-Art fast ausschließlich verwendet wurde, die nicht beständig ist, in der Lunge. Die nach Jahrzehnten verschwunden ist. Sodass es ein Trugschluss ist, dass man aus dem fehlenden Nachweis von Asbest-Fasern oder einer geringen Zahl von Asbest-Fasern schließt, hier ist Asbest nicht die Ursache."
    Am wenigsten Chancen von allen Asbest-Erkrankungen lässt den Patienten das Mesotheliom, also Krebs am Bauch- oder Rippenfell. Hier liege zwischen Diagnosestellung und Tod meist nur ein Jahr, so Xaver Baur. Für die anderen Krebserkrankungen gilt: Es kommt sehr darauf an, in welchem Stadium die Tumore entdeckt werden. Je später, desto schlechter die Prognose. Vergleichsweise besser dran sind die Asbestose-Patienten. Peter Sperbers Erkrankung beispielsweise schreitet – über die Jahre – langsam voran.
    "Der Husten ist stärker geworden, die Luftnot ist stärker geworden, das heißt, früher wie so ein junger Gott die Treppen hoch, das ist also ... Zwei Stockwerke schaffe ich und dann muss ich anhalten, weil ich keine Luft mehr kriege."
    Zahl der Erkrankungen steigt an
    Eine Heilung seiner Krankheit gibt es nicht. Linderung verschafft ihm ein Asthma-Spray und alle zwei Jahre eine Atem-Kur in feuchter, salzhaltiger Luft in Bad Reichenhall.
    Später, in einem fortgeschritteneren Stadium der Asbestose-Erkrankung, säßen Patienten oft im Rollstuhl und bekämen über einen Generator Sauerstoff zugeführt, berichtet Xaver Baur.
    Obwohl Asbest in Deutschland schon so lange verboten ist, steige die Zahl der Patienten derzeit an, bilanziert der Mediziner. Grund dafür sei der Zeitverzug bis zum Ausbruch einer Erkrankung. Vorwiegend betroffen seien Menschen, die beruflich mit Asbest zu tun hatten:
    "Isolierer, andere Leute, die im Baugewerbe tätig waren, Dachdecker, auch Automechaniker, die Bremsbeläge ausgewechselt haben, die durch Asbest kontaminiert waren, oder aus Asbest bestanden, zum Teil auch Frauen, die in der Asbest-Industrie nach dem Krieg gearbeitet haben."