Bis 1988 - fast 25 Jahre lang - hat ihr Mann mit Asbest gearbeitet. In verschiedenen Brauereien, wo das Mineral oft zum Filtrieren eingesetzt wurde, erinnert sich Karin Herrmann: "Und das eben in einem Raum, wo keine Fenster sind. Und das war unten im Keller und da hat er praktisch den ganzen Tag die Einwirkungen von Asbest gehabt."
Mediziner wussten schon damals, dass das Mineral gefährlich ist. Trotzdem arbeitete rund eine Million Menschen in Deutschland mit Asbest, die meisten davon waren ahnungslos. "Also man hat ihnen nicht gesagt, dass das Gift ist. Und die haben auch keinen Mundschutz getragen, das ist es ja. Keiner hat sich darum gekümmert."
Im Februar 2013 ist ihr Mann an einer Lungenfibrose und Lungenkrebs gestorben. Eine Anerkennung als Berufskranker und finanzielle Entschädigung hat er nicht mehr erlebt. Karin Herrmann kämpft nun alleine weiter – das Antragsverfahren läuft schon seit fünf Jahren. Die Mühlen der Gesetzlichen Unfallversicherung mahlen langsam, bedauert die Kölnerin. "Der eine sagt dies, der andere sagt das. Das Verfahren, was sie als eine erstes begonnen haben, haben sie jetzt wieder umbenannt. Also da blickt kein Mensch mehr durch."
Werden Menschen hierzulande durch ihre Arbeit krank, dann haben sie einen gesetzlich festgeschrieben Anspruch auf Rehabilitation und auf finanzielle Entschädigung. Doch bevor es soweit ist, prüft die Berufsgenossenschaft ganz genau, ob es tatsächlich zum Beispiel der Asbest auf der Arbeit war, der einen Beschäftigten krank gemacht hat, erklärt Stefan Boltz, Pressesprecher der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung:
"Es wird beim Arbeitgeber ermittelt, wie sozusagen die Arbeitsbedingungen waren. Fachleute werden befragt, zum Beispiel der Betriebsarzt. Und natürlich werden die medizinischen Befunde nochmal genau darauf geprüft."
Oft fehlt es an Beweisen für eine Berufskrankheit
Und hier beginnt das besondere Problem der Asbestopfer, erklärt der Arbeitsmediziner Xaver Baur von der Berliner Charité: Weil nach dem Kontakt mit dem gefährlichen Stoff bis zu dem Ausbruch einer asbestbedingten Krankheit meist mehrere Jahrzehnte vergehen, fehlt es den Betroffenen oft an Beweisen, die für eine Berufskrankheit sprechen.
"Der Betrieb, in dem damals der Beschäftigte war, existiert häufig gar nicht mehr oder Unterlagen über die damaligen Arbeitsbedingungen, die verarbeiteten Materialien und so weiter existieren nicht mehr. Es gibt keine umfassende Dokumentation, wo, in welchem Umfang, auf welche Weise Asbest verarbeitet wurde und Beschäftigte eben ihre Krankheit letztendlich bekommen haben."
Auch sind medizinische Befunde selten eindeutig. Das macht die Anerkennung gerade bei Asbestgeschädigten langwierig. Gut die Hälfte aller Anträge wird abgelehnt. Und wenn es häufig an Beweisen fehlt, beurteilen die Versicherungsträger aufgrund von Wahrscheinlichkeiten, bedauert Professor Baur. Auch die Gewerkschaftlerin Petra Müller-Knöss von der IG Metall kritisiert das bestehende Berufskrankheiten-System. "Es muss für die Betroffenen leichter werden, Beweise zu ersetzen. es muss möglich werden, glaubhaft zu machen, dass bestimmte Bedingungen bestanden in der Arbeit. und dass man - wenn man Unterlagen nicht beibringen kann - dass man quasi durch diese eidesstattliche Erklärung sowas auch ersetzen kann. das muss möglich sein!"
Doch eine Änderung ist politisch nicht in Sicht. Und so müssen viele ehemalige Asbestarbeiter vor das Sozialgericht ziehen, um als Berufskranke anerkannt zu werden. Nur: Das fällt vielen schwer. "Ein kranker Mensch, der kann das nicht mehr! Und der wird auch die ganzen Formalitäten, die da kommen, ja gar nicht mehr Herr drüber. Das ist so schwierig und das ist ein Beamtendeutsch noch dazu. Und da hat man Schwierigkeiten, damit zum Recht zu kommen", sagt Karin Herrmann, die sich auch in einer Asbestose-Selbsthilfegruppe engagiert. Hier finden Asbestkranke Unterstützung, nicht nur im Kampf um eine Entschädigung.