Es gibt nur wenige Kriminalfälle der Nachkriegszeit, die Juristen, Ärzte, Psychologen und die Öffentlichkeit so sehr beschäftigten, wie die des Serienmörders Jürgen Bartsch. Vier Jungen im Alter von acht bis zwölf Jahren hat er zwischen 1962 und 1966 umgebracht - getrieben von sadistischen und pädosexuellen Neigungen, die, wie er selbst sagte, "einen unwiderstehlichen Drang" ausübten. "Bestie von Langenberg" und "Teufel in Menschengestalt" lauteten denn auch die Schlagzeilen am Morgen nach der Festnahme des damals 19-jährigen Metzgergesellen. Das Urteil fiel entsprechend aus: Lebenslänglich, Gutachter hielten ihn für zurechnungsfähig. Genau das bezweifelten aber schon damals viele Psychiater. Und tatsächlich erreichten seine Verteidiger im Revisionsverfahren, dass in der deutschen Rechsprechung erstmals der Begriff der "schweren seelischen Abartigkeit"
" als Exculpierungsgrundlage, also als Grundlage einer verminderten Schuldfähigkeit eingeführt wurde. Krankheit entschuldigt ja nach unserem Rechtsverständnis, "
sagt Jack Kreuz, Chefarzt für forensische Diagnostik an den Rheinischen Kliniken im nordrhein-westfälischen Bedburg-Hau. Das Problem ist nur: Wie lässt sich feststellen, ob ein Straftäter kriminell ist oder krank? Ob der Täter
" vielleicht eine andere Organisation auf Hirnebene hat, eine andere Sozialisation genossen hat, und aufgrund dessen zu Delinquenz neigt oder delinquent wurde, "
fragt Hans Markowitsch, Professor für Physiologische Psychologie an der Universität Bielefeld. Verantworten Gene menschliches Verhalten, die soziale Umwelt oder keines von beiden, weil ja - zumindest theoretisch - jeder Mensch frei in seinen Entscheidungen ist? Sowohl als auch, meint Markowitsch. Auch er geht davon aus, dass bestimmte Genabweichungen häufig gewaltbereites und asoziales Verhalten auslösen. Studien diagnostizieren bei auffallend vielen Straftätern psychotische Störungen oder Hirnschäden. Doch Kriminalität ist nicht nur eine Frage der Gene. Hans Markowitsch:
" Welche Gene zum Zuge kommen, hängt wiederum von der Umwelt ab, das heißt, von alldem, was zum Teil schon vorgeburtlich, aber im wesentlichen nach der Geburt auf das Individuum einwirkt. Je nachdem in welcher Art es einwirkt, können Gene aktiv werden oder sie bleiben verborgen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich Gene, die den Hang zu abweichendem Verhalten verstärken, die müssen aber nicht grundsätzlich zum Tragen kommen. "
Die genetische Ausstattung ist festgelegt, die soziale Entwicklung variabel. Daraus folgt für Markowitsch, dass die mittlerweile zum Klischee verkümmerte Floskel von der "schwierigen Kindheit" eines Täters auch weiterhin Grundlage für seine Beurteilung sein muss.
" Die Standardgeschichten sind, kein normales Elternhaus, eine sehr schlechte Umgebung, was die Peer Group angeht, also die anderen Kinder, was dann im weiteren hinzukommen kann sind psychiatrische Auffälligkeiten, man hat er z.B. in den USA eine Untersuchung gemacht mit 18 texanischen Jugendlichen, die alle schon zum Tode verurteilt waren, hat herausgefunden, dass 17 von den 18 eine Schädelhirnverletzung hatten, dass alle irgendwie psychiatrische Auffälligkeiten hatten, dass alle kein normales Elternhaus hatten. Die Autorin der Studie, eine Neuropsychiaterin, Dorothy Lewis, resümiert dann, kann so jemand eigentlich noch normal werden, wenn alle Voraussetzungen, die andere Kinder haben, bei ihnen nicht gegeben sind? "
Natürlich nicht! Die Frage ist nur, wie die Gesellschaft mit kranken Kriminellen umgehen soll? Eine drängende Frage schon deshalb, weil sich die Zahl psychisch auffälliger Straftäter in den letzten 30 Jahren verfünffacht hat. Drogen sind ein wichtiger Grund für diese Entwicklung, sagt Jack Kreuz:
" Es gehört ja für viele Menschen in sozialen Schwierigkeiten dazu, Drogen zu konsumieren, um ihre Situation überhaupt erträglich zu machen. Die Inkas haben über Kokablättern gesagt, sie machen das Unerträgliche erträglich, unsere Kultur entdeckt das so langsam bei anderen Drogen auch. Ein anderer Grund mag sein, dass sich die gesellschaftlichen Strukturen verändern und dementsprechend der Druck auf psychisch kranke Menschen zunimmt, wie auch Studien aus anderen Ländern hier zeigen. "
Der Umgang mit psychisch Kranken Straftätern ist zurzeit heftig umstritten: "Wegsperren für immer" sagen die einen, Resozialisation sei Sozialromantik, therapiefähig kaum jemand. Dem gegenüber plädieren viele Fachleute auch weiterhin für Therapieangebote. Und zwar aus einem einfachen Grund.
" Behandlung ist ja eigentlich der beste Opferschutz, ein behandelter Straftäter hat wesentlich weniger Rückfalltendenzen als ein Unbehandelter, und das hat sich in den letzten 30 bis 40 Jahren immer wieder in der Rechtsprechung gefunden. "
Daran ändern auch tragische Ereignisse nichts, wenn etwa ein Sexualstraftäter wenige Wochen nach seiner Entlassung einen weiteren Mord begeht. Sie belegen einfach nur, dass die Instrumente der forensischen Psychiatrie trotz aller Forschung noch nicht ausgereift sind. Und sie offenbaren Defizite an anderer Stelle. Eine effektive Therapie kranker Krimineller ist teuer: Es fehlt geschultes Personal, vor allem aber fehlt der politische Wille, für dieses Problemfeld, viel Geld auszugeben. Dass es sich lohnt, genauer hinzuschauen, ob jemand kriminell oder krank ist, weiß Hans Markowitsch aus vielen Beispielen.
" Da gibt es einen Fall, der vor zwei Jahren in den USA veröffentlicht wurde, als ein braver Familienvater sich mit einem mal an seinen zwei Kindern verging, der sollte dann auch verurteilt werden, irgendwann im Laufe des Verfahrens kam man dann aber darauf, bei ihm eine Hirnuntersuchung zu machen, eine Kernspintomographie, und hat dann gefunden, dass er im rechten Stirnhirn einen recht großen Tumor hatte, und dann hat man natürlich sein Fehlverhalten auf diese Tumorentwicklung zurückgeführt und hat dann auch gefunden, als der Tumor dann entfernt war, dass sein Verhalten wieder normal wurde und keine Neigungen zeigte, wie er zum Zeitpunkt der Tumorentstehung aufwies. "
" als Exculpierungsgrundlage, also als Grundlage einer verminderten Schuldfähigkeit eingeführt wurde. Krankheit entschuldigt ja nach unserem Rechtsverständnis, "
sagt Jack Kreuz, Chefarzt für forensische Diagnostik an den Rheinischen Kliniken im nordrhein-westfälischen Bedburg-Hau. Das Problem ist nur: Wie lässt sich feststellen, ob ein Straftäter kriminell ist oder krank? Ob der Täter
" vielleicht eine andere Organisation auf Hirnebene hat, eine andere Sozialisation genossen hat, und aufgrund dessen zu Delinquenz neigt oder delinquent wurde, "
fragt Hans Markowitsch, Professor für Physiologische Psychologie an der Universität Bielefeld. Verantworten Gene menschliches Verhalten, die soziale Umwelt oder keines von beiden, weil ja - zumindest theoretisch - jeder Mensch frei in seinen Entscheidungen ist? Sowohl als auch, meint Markowitsch. Auch er geht davon aus, dass bestimmte Genabweichungen häufig gewaltbereites und asoziales Verhalten auslösen. Studien diagnostizieren bei auffallend vielen Straftätern psychotische Störungen oder Hirnschäden. Doch Kriminalität ist nicht nur eine Frage der Gene. Hans Markowitsch:
" Welche Gene zum Zuge kommen, hängt wiederum von der Umwelt ab, das heißt, von alldem, was zum Teil schon vorgeburtlich, aber im wesentlichen nach der Geburt auf das Individuum einwirkt. Je nachdem in welcher Art es einwirkt, können Gene aktiv werden oder sie bleiben verborgen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich Gene, die den Hang zu abweichendem Verhalten verstärken, die müssen aber nicht grundsätzlich zum Tragen kommen. "
Die genetische Ausstattung ist festgelegt, die soziale Entwicklung variabel. Daraus folgt für Markowitsch, dass die mittlerweile zum Klischee verkümmerte Floskel von der "schwierigen Kindheit" eines Täters auch weiterhin Grundlage für seine Beurteilung sein muss.
" Die Standardgeschichten sind, kein normales Elternhaus, eine sehr schlechte Umgebung, was die Peer Group angeht, also die anderen Kinder, was dann im weiteren hinzukommen kann sind psychiatrische Auffälligkeiten, man hat er z.B. in den USA eine Untersuchung gemacht mit 18 texanischen Jugendlichen, die alle schon zum Tode verurteilt waren, hat herausgefunden, dass 17 von den 18 eine Schädelhirnverletzung hatten, dass alle irgendwie psychiatrische Auffälligkeiten hatten, dass alle kein normales Elternhaus hatten. Die Autorin der Studie, eine Neuropsychiaterin, Dorothy Lewis, resümiert dann, kann so jemand eigentlich noch normal werden, wenn alle Voraussetzungen, die andere Kinder haben, bei ihnen nicht gegeben sind? "
Natürlich nicht! Die Frage ist nur, wie die Gesellschaft mit kranken Kriminellen umgehen soll? Eine drängende Frage schon deshalb, weil sich die Zahl psychisch auffälliger Straftäter in den letzten 30 Jahren verfünffacht hat. Drogen sind ein wichtiger Grund für diese Entwicklung, sagt Jack Kreuz:
" Es gehört ja für viele Menschen in sozialen Schwierigkeiten dazu, Drogen zu konsumieren, um ihre Situation überhaupt erträglich zu machen. Die Inkas haben über Kokablättern gesagt, sie machen das Unerträgliche erträglich, unsere Kultur entdeckt das so langsam bei anderen Drogen auch. Ein anderer Grund mag sein, dass sich die gesellschaftlichen Strukturen verändern und dementsprechend der Druck auf psychisch kranke Menschen zunimmt, wie auch Studien aus anderen Ländern hier zeigen. "
Der Umgang mit psychisch Kranken Straftätern ist zurzeit heftig umstritten: "Wegsperren für immer" sagen die einen, Resozialisation sei Sozialromantik, therapiefähig kaum jemand. Dem gegenüber plädieren viele Fachleute auch weiterhin für Therapieangebote. Und zwar aus einem einfachen Grund.
" Behandlung ist ja eigentlich der beste Opferschutz, ein behandelter Straftäter hat wesentlich weniger Rückfalltendenzen als ein Unbehandelter, und das hat sich in den letzten 30 bis 40 Jahren immer wieder in der Rechtsprechung gefunden. "
Daran ändern auch tragische Ereignisse nichts, wenn etwa ein Sexualstraftäter wenige Wochen nach seiner Entlassung einen weiteren Mord begeht. Sie belegen einfach nur, dass die Instrumente der forensischen Psychiatrie trotz aller Forschung noch nicht ausgereift sind. Und sie offenbaren Defizite an anderer Stelle. Eine effektive Therapie kranker Krimineller ist teuer: Es fehlt geschultes Personal, vor allem aber fehlt der politische Wille, für dieses Problemfeld, viel Geld auszugeben. Dass es sich lohnt, genauer hinzuschauen, ob jemand kriminell oder krank ist, weiß Hans Markowitsch aus vielen Beispielen.
" Da gibt es einen Fall, der vor zwei Jahren in den USA veröffentlicht wurde, als ein braver Familienvater sich mit einem mal an seinen zwei Kindern verging, der sollte dann auch verurteilt werden, irgendwann im Laufe des Verfahrens kam man dann aber darauf, bei ihm eine Hirnuntersuchung zu machen, eine Kernspintomographie, und hat dann gefunden, dass er im rechten Stirnhirn einen recht großen Tumor hatte, und dann hat man natürlich sein Fehlverhalten auf diese Tumorentwicklung zurückgeführt und hat dann auch gefunden, als der Tumor dann entfernt war, dass sein Verhalten wieder normal wurde und keine Neigungen zeigte, wie er zum Zeitpunkt der Tumorentstehung aufwies. "