Krankenhausreform
Großer Wurf oder großer Murks?

Das Bundeskabinett hat die lange geplante Krankenhausreform auf den Weg gebracht. Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) plant unter anderem ein neues Vergütungssystem für Kliniken. Kritiker warnen, die Reform werde das Kliniksterben nicht aufhalten.

16.05.2024
    Eine Operation im Unfallkrankenhaus Berlin. Menschen in grünen Kitteln mit OP-Masken stehen um einen Patienten herum.
    Geht es nach den Plänen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), sollen sich Krankenhäuser künftig stärker spezialisieren. (picture alliance / dpa / Annette Riedl)
    Finanzierung, Organisation und Leistungsspektrum der Krankenhäuser in Deutschland sollen nach den Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) grundlegend reformiert werden, um eine bessere Versorgung der Bevölkerung zu erreichen. Der Gesetzentwurf vom 15. März 2024 sieht vor, die Fallpauschalen abzusenken und setzt auf Groß-Zentren statt auf Klein-Kliniken. Am 15. Mai 2024 wurde die Reform vom Bundeskabinett verabschiedet. Sie kommt jetzt in den Bundestag.
    Von verschiedenen Seiten gibt es allerdings Kritik an Lauterbachs Reformplänen: Die Union hält die Vorschläge zur Finanzierung für unausgegoren. Die Maßnahmen reichten nicht aus, um das Kliniksterben aufzuhalten. Die Stiftung Patientenschutz wirft Lauterbach Praxisferne vor - es sei eine "Reform am Reißbrett und mit dem Rechenschieber". Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisiert, dass ein Inflationsausgleich für Krankenhäuser im Entwurf fehle.

    Übersicht

    Was steht im Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Lauterbach?

    Kernstück ist ein neues Vergütungssystem, das die Kliniken von dem Druck befreien soll, immer mehr Patientinnen und Patienten behandeln zu müssen, um rentabel zu sein. Bislang finanzieren sich Krankenhäuser über Fallpauschalen, das heißt, sie bekommen pro Behandlungsfall, beziehungsweise Patientin oder Patient, einen pauschalen Euro-Betrag. Die Fallpauschalen sollen auf 40 Prozent abgesenkt werden.
    Die restlichen 60 Prozent sollen Kliniken nun allein für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen. Dazu zählen das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik. Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen genauer definierte Leistungsgruppen sein - also etwa "Kardiologie" statt grobe Bezeichnungen wie "innere Medizin". Die Leistungsgruppen sollen einheitliche Qualitätsvorgaben etwa bei der Ausstattung, bei Personal und Behandlungserfahrungen absichern.
    Berichten zufolge ist zusätzliches Geld ab 2027 jährlich unter anderem für die Bereitstellung von Stationen für Kindermedizin (288 Millionen Euro), Geburtshilfe (120 Millionen Euro), Schlaganfall (35 Millionen Euro) und Intensivmedizin (30 Millionen Euro) vorgesehen. Auch Unikliniken sollen mehr Geld bekommen.

    Maximal 40 Minuten Fahrzeit zur nächsten Klinik

    Krankenhäuser auf dem Land sollen erhalten bleiben, um die medizinische Grundversorgung zu gewährleisten. Bestehende Kliniken können demnach in eine "sektorenübergreifende Versorgungseinrichtung" umgewidmet werden. Dort sollen wohnortnah keine komplizierten Eingriffe mehr gemacht werden, sondern unter anderem Pflege und kleinere Operationen.
    Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass flächendeckend Krankenhäuser in maximal 30 Minuten Auto-Fahrzeit erreicht werden müssen. Das gelte für Kliniken mit Abteilungen für Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie. Alle anderen Krankenhäuser müssen dem Bericht zufolge in mindestens 40 Pkw-Fahrminuten erreichbar sein.

    Wie soll die Krankenhausreform finanziert werden?

    Für die Reform soll ein Transformationsfonds über zehn Jahre aufgebaut werden, mit einem Gesamtvolumen von 50 Milliarden Euro, je zur Hälfte finanziert von Bund und Ländern. Der Bund will seinen Teil aus dem Gesundheitsfonds der Krankenkassen und aus Ländermitteln finanzieren. Die Bundesländer übernehmen 2,5 Milliarden Euro pro Jahr.
    Kritik daran kommt unter anderem von der Arbeiterwohlfahrt: Die Reform gehe zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung und somit auf Kosten der Beitragszahlenden. Die Arbeitgeberverbände (BDA) warnen vor einer Beitragssatzanhebung um 1,5 Prozentpunkte. Sie empfehlen, der Bund solle seinen Anteil am Transformationsfonds stattdessen aus Steuermitteln finanzieren.
    Verteidiger der Reform argumentieren hingegen damit, dass die Pläne langfristig Geld einsparen oder zumindest die Kosten im Gesundheitswesen dämpfen.

    Was sieht das Transparenzgesetz vor?

    Die Reform wird vom sogenannten Transparenzgesetz flankiert. Damit sollen die Leistungen der Krankenhäuser öffentlich gemacht werden, damit Patienten einfacher nach geeigneten Behandlungsmöglichkeiten und Kliniken suchen können.
    "Dafür wird der Bund die Krankenhäuser Versorgungsstufen (Level) zuordnen sowie die Verteilung der Leistungsgruppen auf die einzelnen Standorte transparent darlegen", heißt es im Eckpunkte-Papier, dem Vorläufer des Gesetzentwurfs. Diese Veröffentlichung durch den Bund habe aber "keine Konsequenz für die Krankenhausplanung der Länder und für die Krankenhausvergütung".
    Gerald Gaß von der Deutschen Krankenhausgesellschaft verweist im Interview mit dem Deutschlandfunk auf das schon existierende Krankenhausregister. Qualität, Fallzahlen, Personalausstattung würden dort aufgeführt. Lauterbach stelle sich als Erfinder der Qualität dar, das sei aber falsch.

    Wer hatte die Fallpauschale eingeführt?

    Die Fallpauschalen hatte die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) im Jahr 2003 eingeführt. Dieses Finanzierungsmodell löste damals die Bezahlung nach der Liegezeit ab. Kernziel der Reform war, die Liegezeiten zu reduzieren und damit Kosten zu sparen.
    Die Finanzierung der Krankenhäuser läuft seitdem fast ausschließlich über Fallpauschalen. Die Krankenhäuser bekommen also für eine bestimmte Behandlung eine Pauschale in festgelegter Höhe.
    Krankenhäuser brauchen in diesem Abrechnungssystem viele Patienten, um wirtschaftlich tragfähig arbeiten zu können. Insbesondere kleine Kliniken auf dem Land haben dafür oft nicht genügend Fälle.
    Das bisherige System führe auch dazu, dass „Eingriffe gemacht werden, die nicht unbedingt medizinisch notwendig sind, nur damit das Krankenhaus überleben kann“, sagte Lauterbach am 6. Dezember 2022 im Deutschlandfunk. Zudem seien ganze medizinische Fachbereiche in diesem System schwer finanzierbar, etwa die Kinderheilkunde und die Pflege, aber auch oft die Spitzenmedizin.

    Hilft die Reform gegen den Personalmangel?

    Zu den Plänen gehört, dass mehr Behandlungen ambulant statt stationär erfolgen sollen. Damit bräuchte es dann auch weniger Nachtschichten in der Pflege – und das würde mehr Einsätze am Tag ermöglichen. Ziel ist es also, das zur Verfügung stehende Personal effizienter einsetzen zu können.
    Bundesgesundheitsminister Lauterbach geht zudem davon aus, dass die Reform die Arbeitsbedingungen verbessern wird. Er hofft, dass dadurch mehr Fachkräfte gehalten und gewonnen werden können. Es brauche eine Struktur, die dazu beiträgt, dass Menschen gerne im Krankenhaus arbeiten.

    (Wann) kommt die Krankenhausreform?

    Das ist derzeit schwer absehbar, aber: Es wird wahrscheinlich noch dauern: Bundesgesundheitsminister Lauterbach will mehr Tempo, um das Gesetz auf den Weg zu bringen. Dafür müsse er aber mehr auf die Bundesländer zugehen, heißt es. Die Länder kritisieren unter anderem, dass sie die Folgen der Reform noch nicht abschätzen könnten und wollen Ausnahmen in dem Gesetz, zum Beispiel für Kliniken auf dem Land. Das kann die Reform verzögern. Wenn sich die Länder gegen den Bund verbünden, könnten sie die Reform in den Vermittlungsausschuss schicken. Am Ende könnten auch Gerichte entscheiden, Bayern hat bereits mit einer Klage gedroht.

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