Archiv

Krankenhaus im Gaza-Streifen
"Drei Frühchen in einem Bett"

Im Schifa-Krankenhaus im Gaza-Streifen fehlt es an Allem: an Strom, an Personal und an Betten. Besonders prekär ist die Lage auf der Intensivstation für Früh- und Neugeborene. Dort müssen sich Babys Betten und Brutkästen teilen. Und hat ein Baby eine Infektion, steckt es das andere an. Das kann tödlich enden.

Von Tim Aßmann |
    Drillinge im Schifa-Krankenhaus, Gaza-Stadt
    Auf der Intensivstation für Frühgeborene im Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt (Deutschlandradio / Tim Assmann)
    Dicht an Dicht stehen kleine Betten, Brutkästen und jede Menge Medizintechnik in einem Raum des Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt. Das regelmäßige, eintönige Piepen der Geräte ist überall auf der Welt für Ärzte und Pflegepersonal ein Zeichen, das alles in Ordnung ist. Für Dr. Allam Abu Hamda bedeutet dieses Piepen noch mehr. Solange alles piept, fließt auch Strom und davon liefert das Leitungsnetz im Gaza-Streifen nur noch wenige Stunden pro Tag.
    "Sechs Stunden vielleicht? Jetzt sind es vier. Bei Ausfällen kommt der Strom von Generatoren, aber auch die funktionieren nicht immer. Alles hier hängt an der Stromversorgung. Die Monitore, die Beatmungseinheiten. Das beeinträchtigt unsere Arbeit."
    Seit Monaten ist die Stromversorgung eingeschränkt. Das Schifa-Krankenhaus hat natürlich Diesel-Generatoren zur Notstromversorgung. Dennoch kam es auf der Intensivstation für Früh- und Neugeborene zuletzt immer wieder zu minutenlangen Ausfällen. Dann wurde per Hand mit dem Ambu-Beutel beatmet, erzählt Dr. Abu Hamda. Er ist der Leiter der Station.
    "Wir hatten Ausfälle, aber es gelang uns die Babys zu retten. Wenn der Strom aber länger ausfällt, fürchte ich, dass wir viele Kinder verlieren werden."
    Babys müssen sich Brutkästen teilen
    Die Stromausfälle sind nicht das einzige Problem. Die Geburtenrate im Gaza-Streifen liegt bei 3,2. Die Station ist völlig überbelegt. Sie hat 21 Betten für Früh- und Neugeborene und als ich sie besuche 48 Patienten- darunter drei Mal Drillinge und sieben Mal Zwillinge. Die Konsequenz: Die Babys müssen sich die Betten und Brutkästen teilen.
    "Wir haben nicht genug Betten. Hier liegen zwei Babys in einem Brutkasten. Natürlich sollte eigentlich in jedem Brutkasten nur ein Kind sein, aber leider müssen wir zwei in einen legen. Wenn ein Kind eine Infektion hat, wird das andere sie auch bekommen und das kann tödlich enden. Diese Kinder sind ohnehin schon sehr anfällig. Ideal wäre ein Brutkasten für jedes Baby."
    Auch in den speziellen Behandlungs-Betten neben den Brutkästen liegen bis zu drei Babys gemeinsam. Allam Abu Hamda zeigt mir Fotos, auf denen sogar sechs Neugeborene in einem dieser Betten liegen. Abu Hamda ist 47 Jahre alt und der einzige Facharzt für Frühgeborene im Gaza-Streifen.
    "Es fehlt an Allem. An Personal, Ausrüstung und Material, auch an Beatmungseinheiten für die Babys. Wir geben unser Bestes aber wenn diese Engpässe anhalten und dazu kommen noch die vielen Stromausfälle, dann werden die Todesfälle zu nehmen."
    Kaum Strom vorhanden
    Aktuell liegt die Todesrate auf der Station bei zehn Prozent. Die Probleme mit der Stromversorgung hat nicht nur die Intensivstation von Dr. Abu Hamda. Sie betreffen das ganze Schifa-Krankenhaus. Dr. Medhat Abbas ist Generaldirektor der größten Klinik im Gaza-Streifen mit jährlich rund 400 000 Patienten.
    "Wir haben manchmal 15 Stromausfälle pro Tag. Ein, aus, ein, aus - die ganze Zeit. Darunter leiden natürlich die medizinischen Geräte, und wir haben kein Geld für neue. Ersatzteile sind hier aber Mangelware und es kam schon vor, dass wir ein Jahr auf ein Ersatzteil für einen Computertomographen warten mussten."
    Hintergrund der Stromkrise ist der Dauerstreit zwischen den beiden verfeindeten Palästinensergruppen Hamas und Fatah. Um Druck auf die Hamas im Gaza-Streifen zu machen, hat die Autonomiebehörde von Palästinenserpräsident Abbas die Zahlungen für die Stromlieferungen eingestellt und außerdem die Gehälter der staatlichen Angestellten gekürzt – also auch des Personals im Schifa-Krankenhaus. Meine Angestellten bekommen ein Drittel weniger Gehalt, klagt Krankenhausdirektor Abbas, der Wert auf die Feststellung legt, dass er mit dem gleichnamigen Palästinenserpräsidenten nicht verwandt ist.
    "Das Gehalt wurde auf das Rentenniveau reduziert. Sie bekommen als Gehalt nun das, was sie später als Rente kriegen würden, obwohl sie noch arbeiten. Die Leute befürchteten sogar gefeuert zu werden – als Teil der Maßnahmen von Präsident Abbas im Streit zwischen den beiden wichtigsten politischen Kräften der Palästinenser."
    So wird die Fehde zwischen den politischen Fraktionen einmal mehr auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen und ein Ende der Strom-Engpässe ist nicht in Sicht.