Resistente Bakterien sind gefährlich. Darum werden Patienten zum Beispiel am Universitätsklinikum Münster alle auf Methicillinresistente Staphylococcus Aureus, kurz MRSA, untersucht. Wer in einem asiatischen oder afrikanischen Land krank geworden ist und nach Deutschland zurückgebracht wird, den untersucht das Personal zudem auf antibiotikaresistente Darmkeime. Fanden die Mikrobiologen ein solches Bakterium, hieß das bis vor Kurzem für den Patienten noch pauschal: Isolation im Einzelzimmer. Zudem musste das Personal beim Betreten extra Schutzkittel anlegen. Denn für Patienten mit offenen Wunden und schwachem Immunsystem drohen lebensgefährliche Infektionen. Die Isolation belastet die Patienten und kann weitere Nachteile mit sich bringen, sagt Dr. Alexander Mellmann.
"Es gibt Studien, die gezeigt haben, dass es durchaus zum Vorteil des Patienten ist, wenn man nicht in einem Einzelzimmer isoliert ist, weil einfach Personal häufiger reinkommt. Man muss sich das so vorstellen, wenn man mehrere Tage allein in einem Einzelzimmer liegt, das ist auch für einen selber als betroffenen Patienten relativ unangenehm."
Next Generation Sequencing
Der Oberarzt vom Institut für Hygiene des Universitätsklinikums Münster und seine Kollegen wollten deshalb wissen, ob die strengen Maßnahmen notwendig sind. Dafür sequenzieren die Forscher die kompletten Genome sämtlicher multiresistenter Erreger. So können sie nachvollziehen wie die Erreger sich im Krankenhaus ausbreiten. Dazu setzen Mellmann und seine Mitarbeiter Next Generation Sequencing ein.
"Das Besondere ist eben, dass diese Technologie es jetzt ermöglicht, dass wir wirklich mit maximalem Auflösungsvermögen und höchster Genauigkeit sozusagen die Erregerausbreitung untersuchen können, was vorher technisch so nicht ohne Weiteres möglich war oder nur mit einem riesengroßen Aufwand."
Das Ergebnis: In den meisten Fällen hat der Patient, bei dem solche Bakterien auftauchen, sie selbst mitgebracht. Sie breiten sich kaum aus im Krankenhaus. Die bisherigen Hygienemaßnahmen reichten also aus, sagt Alexander Mellmann.
"Sodass wir sogar im Gegenteil einen Teil unserer Hygienemaßnahmen etwas weiter runterfahren können, weil wir jetzt genau wissen, was bei uns im Krankenhaus passiert, vorher war es eher eine relativ weiche, subjektive Beurteilung, und jetzt haben wir wirklich harte Fakten, wo wir sagen können, nein, die beiden Patienten, die vielleicht auf derselben Station lagen, haben vollkommen unterschiedliche Erreger, damit ist eine Ausbreitung ausgeschlossen.
Analysen haben ihren Preis
Die Erkenntnisse, die Alexander Mellmann und seine Kollegen mithilfe der schnellen, genauen Sequenzierung gewonnen haben, wirken sich direkt auf den Klinikalltag aus.
"Was wir haben streichen können, ist, dass diese Patienten routinemäßig isoliert werden, und ein weiterer Nebeneffekt ist, dass natürlich der Arbeitsaufwand für das Personal auf der Station reduziert wird, dadurch, dass eben nicht aufwendige Isolationsmaßnahmen, das heißt, Anziehen von Schutzkleidung, Anziehen von Handschuhen, umfangreiche Desinfektionsmaßnahmen erforderlich sind, sondern dass diese Patienten genau wie jeder andere auch behandelt werden können."
Doch manche Patienten bleiben weiter von den Lockerungen ausgeschlossen. Zum einen, wenn sie mit MRSA, besiedelt sind. Denn MRSA sitzen auf der Haut oder in der Nase. Bei ihnen genügt es, die Krankenschwester anzuniesen, um sie anzustecken. Bei gramnegativen Bakterien wiederum müssen die Mikrobiologen genau hinschauen. Das sind hauptsächlich Darmbakterien wie die EHEC-Erreger. Bei diesen Keimen können sich Schwestern und Pfleger anstecken, wenn sie zum Beispiel die Unterhose wechseln. Manche dieser Keime sind bereits gegen vier Antibiotikaklassen resistent. Patienten mit diesen Bakterien werden weiterhin isoliert.
Einsparungen von etwa einer Million Euro
Das Projekt lief zunächst nur für ein halbes Jahr, denn die Analysen haben ihren Preis. Pro Patient rechnet Alexander Mellmann mit Laborkosten von 200 Euro.
"Auf der anderen Seite ist es aber so, dass wir durch Isolationsmaßnahmen, die wir nicht mehr umsetzen müssen, pro Tag zum Beispiel auf einer Intensivstation über 1.000 Euro einsparen können, und wir haben das mal hochgerechnet für ein halbes Jahr Zeitraum und dort kommen wir zu Einsparungen unterm Strich von etwa einer Million Euro."
Die Patienten profitieren, das Personal profitiert, und der kaufmännische Direktor kann auch zufrieden sein – kein Wunder, dass das Projekt in Münster weitergeht.