"Opfer von Kinderpornografie zu werden, bedeutet eigentlich immer zweierlei. Also zum einen, ganz real: Opfer sexueller Übergriffe zu werden. Und wenn die Bilder erst mal irgendwo gelandet sind, kann das Opfer die nicht wieder zurückholen. Das ist im Prinzip ein doppelter Missbrauch.
Und wir hören halt tatsächlich auch häufig noch so Sätze wie: Na, ich habe ja selber nicht missbraucht, und das gibt es doch alles im Internet. Und das war mir zwar bewusst, dass es strafbar ist, aber wenn ich das überall frei kriegen kann, kann`s ja so schlimm eigentlich nicht gewesen sein.
Also, im Prinzip ist das wie der übliche Hase-und-Igel-Lauf: Man ist als Strafverfolger immer ein bisschen hinterher. Die Doofen wird man immer kriegen – und die, die clever sind, die schaffen's einfach."
Jeden Tag werden 200 neue Kinderpornografie-Bilder ins Internet gestellt. Mehr als 15 Millionen Abbildungen kursieren bereits im Netz. Allein in Deutschland gibt es schätzungsweise 50.000 Konsumenten von Missbrauchsdarstellungen. So die alarmierende Analyse des Kinderhilfswerks Unicef vom vergangenen Jahr.
Wer produziert die verbrecherischen Aufnahmen? Wie werden sie vertrieben? Und: Wer besorgt sich die Vergewaltigungsbilder und -videos?
"Na, bei mir durften zum Beispiel keine Jungs dabei sein. Sondern wirklich nur Mädchen. Für mich war eigentlich erst mal schon befriedigend, erst mal überhaupt die Seite zu finden. Weil das eben verboten war. Das war denn eben dieser berühmte Kick, den man denn so brauchte manchmal. Und denn so als Zweites denn irgendwo in Selbstbefriedigung geendet. Dis ... . war klar. Das ist im Prinzip wie ne Sucht bei mir."
Bernd Schmück. 35 Jahre alt - blass, schmal und zurückhaltend. Schmück arbeitet in Berlin bei einem Logistikunternehmen und wohnt noch bei seinen Eltern. Der Berliner, der anonymisiert auftritt, hat sich nach eigener Aussage nie an einem Kind vergangen. Aber er fühlt sich von Missbrauchsbildern angezogen. Zweimal wurde er von der Polizei erwischt und zu Geldstrafen verurteilt, weil er Tausende Fotos sowie eine Handvoll Videos auf seiner Festplatte gehortet hatte. Angefangen hat alles in seiner Jugend, als er eine FKK-Zeitschrift in die Hände bekam. Mit Strandbildern nackter Familien.
"Jahre später habe ich mal, weil ich im Internet auch normale Pornos gesucht hatte, mich auch irgendwo mal registriert habe, dann mal ne Mail gekriegt. Und da waren denn eben auch kinderpornografische Seiten mit bei gewesen. Man hat sich dann Abend für Abend auf die Suche gemacht: Gibt es irgendwo paar neue Seiten? Was kann man da entdecken? Und so hat sich das langsam immer ringesteigert."
Klick: Werbung für Erwachsenensex-Videos. Klick: Werbung für Teenagersex-Bilder. Klick: Werbung für Kinderpornos: ein typischer Weg zu den verbotenen Webseiten. Viele Popups zeigen zumeist noch keine Nacktaufnahmen, sondern Jungen und Mädchen im Lolita-Stil. "Anreißer-Bilder" werden sie genannt. Der Hannoveraner Forscher Arnd Hüneke kennt die Aufmachung.
"Sie sehen im Prinzip ein Kind auf dem Bild, das ist bekleidet, relativ stark aufgebrezelt, geschminkt, die möglicherweise ne etwas unnatürliche Körperhaltung hat, die Beine spreizt oder sonst irgendwas macht. Unsere Vermutung ist halt eben, dass wenn dann Geld gezahlt wird für diese Bilder, dass dann man auch die Möglichkeit erwirbt, die Kinder dann nackt zu sehen und möglicherweise dann auch in Missbrauchshandlungen."
Hüneke ist Jurist und hat kürzlich ein einzigartiges Forschungsprojekt an der Universität Hannover gestartet: An seinem kriminalwissenschaftlichen Institut sollen demnächst ein Dutzend Fachleute untersuchen, ob es einen Kinderpornografie-Markt gibt – und, falls ja, wie der Markt funktioniert. Das Team befragt Landeskriminalämter, Staatsanwaltschaften und nimmt zudem 3500 Strafakten unter die Lupe. Bereits jetzt gibt es Hinweise auf einen kommerziellen Markt: So hat im Jahr 2006 die Zentralstelle zur Bekämpfung von Kinderpornografie in Halle einen professionellen Anbieter ausgemacht – den Anbieter eines illegalen Online-Portals. Internetnutzer, die Zugang zu dem Portal haben wollten, mussten einen bestimmten Betrag per Kreditkarte überweisen. Und zwar auf ein philippinisches Konto. Die Ermittler starteten die Operation "Mikado", um alle Deutschen zu erfassen, die diesen Betrag überwiesen hatten.
"Und daraufhin hat die Staatsanwaltschaft in Halle die Kreditkartenunternehmen gebeten, ne Rasterfahndung durchzuführen. Und dann hat die Staatsanwaltschaft versucht, daraus selbst dann Tatverdächtigenlisten zu machen."
Mehr als 20 Millionen Kreditkartenkonten wurden durchleuchtet. Das sorgte zwar für heftige Datenschutz-Debatten - aber auch für einen Ermittlungserfolg. Der einst zuständige Staatsanwalt Peter Vogt bilanzierte kürzlich im ARD-Fernsehen:
"In einem kommerziellen kinderpornografischen Bereich haben wir 322 Deutsche ermittelt, die für diese eine Seite, für einen 20-tägigen Zugang, pro Person circa 80 Dollar ausgegeben haben. Das heißt, mit einer Seite wurden mal eben in Deutschland knapp 25.000 Euro verdient.""
Das Ermittlungsverfahren Mikado endete mit bundesweiten Hausdurchsuchungen - der südostasiatische Drahtzieher konnte allerdings nicht dingfest gemacht werden. Eine andere Operation brachte ebenfalls Hinweise auf bandenmäßige Vertriebsstrukturen: die Operation "Data" der Staatsanwaltschaft Bonn. Es ging um osteuropäische Kinderporno-Händler, die 25.000 Kunden in 177 Staaten hatten. Die Dealer sollen eine zweistellige Dollar-Millionensumme verdient haben. Die Staatsanwaltschaft filzte die Wohnungen von mehr als 500 deutschen Internet-Nutzern – und beschlagnahmte Berge von Missbrauchsmaterial. Allerdings konnten auch in diesem Fall die Anbieter, offenbar Mafiosi aus Weißrussland, nicht gefasst werden. Kein Wunder: Die Online-Verbrecher sind extrem gerissen. Im Berliner Landeskriminalamt klagen die Ermittler Judith Dobbrow und Thorsten Ivers über die Recherche-Hürden.
"Die Halbwertzeit einer Internetseite mit Kinderpornografie beträgt ungefähr eine Woche, würde ich jetzt mal schätzen. Also, länger ist so eine Seite nie im Netz."
"Das gleiche Material taucht in der gleichen Struktur wieder auf – aber dann eben auf einem anderen Server und möglicherweise auch in einem anderen Land."
Wissenschaftler Arnd Hüneke bilanziert:
"Also, im Prinzip ist das wie der übliche Hase-und-Igel-Lauf: Man ist als Strafverfolger immer ein bisschen hinterher. Die Doofen wird man immer kriegen – und die, die clever sind, die schaffen's einfach."
Professionelle Online-Werbung. Kreditkarten-Überweisungen. Zehntausende Kunden: Spuren, die auf organisierte Kinderporno-Kriminalität hinweisen, etwa in den GUS-Ländern. Doch klar ist auch: Ein Großteil der Missbrauchsdateien gelangt nicht über einen Profi-Markt an den pädophilen Konsumenten, sondern über private Internetbörsen. Die Experten streiten noch, ob kommerzielle Kinderpornos nun die Masse - oder nur einen Bruchteil der Datenflut ausmachen.
"Einige Landeskriminalämter sagen: Es gibt keinen Markt. Es gibt einige Landeskriminalämter, die sagen: Jawohl, es gibt doch einen Markt."
Ein starkes Argument gegen die Existenz eines eingespielten Kommerz-Marktes sind die Tauschforen für Kinderpornografie. Mehr als 150.000 soll es davon geben. Es handelt sich um streng abgeschirmte, illegale Benutzergruppen. Wer dort Mitglied werden will, muss sich zuvor selbst Missbrauchsfotos besorgen – und vorweisen. Die Szene nennt das Aufnahmeritual zynisch "Keuschheitsprüfung". Straftäter Bernd Schmück berichtet:
"Und wer sich denn eben einloggen will, muss denn eben drei Bilder schicken, um zu beweisen, er ist eben kein Polizist oder so was oder Staatsanwalt. Um dann zu sagen: Okay, Dich nehme ich oder Dich nehme ich nicht."
"Also, die Polizei möchte sich natürlich nicht strafbar machen. Und darf deswegen selber Kinderpornografiebilder nicht verbreiten. Und deswegen auch keine Kinderpornografiebilder zum Tausch anbieten. Damit fallen Ermittlungsmethoden weg. Und diese geschlossenen Benutzergruppen sind im Prinzip tatsächlich geschlossen."
Probleme haben die Ermittler auch bei einem weiteren privaten Vertriebsweg: bei der peer-to-peer-Kommunikation. Hierbei tauschen die Internetnutzer direkt von Rechner zu Rechner ihr Material aus. Bislang konnte die Polizei mit einer Software die Filesharing-Plattformen nach bestimmten Schlagworten scannen und die IP-Nummern der Tauschpartner ermitteln. Die IP-Nummern, also die Adressen der Computer im Internet, wurden bislang von den Serverbetreibern protokolliert und aufbewahrt. Doch kürzlich hat das Bundesverfassungsgericht diese Vorratsdatenspeicherung verboten. Ermittler, wie Judith Dobbrow, schimpfen: Nun könne die Kripo auf diesem Wege keine Kinderporno-Besitzer mehr dingfest machen.
"Unsere Ermittlungen sind in diesem Bereich natürlich erschwert, dadurch dass nicht mehr alle IP-Daten längere Zeiten vorrätig gehalten werden."
Flüchtige Webseiten. Geschlossene Benutzergruppen. Rechtliche Schranken. Auch das beschlagnahmte Material macht den Polizisten zu schaffen. Um Täter und Opfer zu identifizieren, müssen die Bilder und Videos möglichst genau untersucht werden. Doch in den Landeskriminalämtern stapeln sich die Kisten mit den sicher gestellten Speichermedien. Die Berliner Strafverfolger nehmen bei jeder Hausdurchsuchung durchschnittlich zwei Computer mit, mehrere externe Festplatten sowie zwei Umzugskartons mit CDs und DVDs - rund 160 lose Datenträger.
"Also, ich sag mal so: Der normale kriminalpolizeiliche Sachbearbeiter bei uns wird so 50 Prozent des Tages damit verbringen, sich Bild- und Videomaterial anzugucken. Das ist also auch eine anstrengende Tätigkeit. Es gibt sicherlich sehr unappetitliches Material, das hängt mit dem Alter des Opfers zusammen, das hängt auch oftmals damit zusammen, ob man Geräusche hört, also so ein Schreien ist sehr unangenehm."
"Also, es ist natürlich schwieriger, sich Missbrauchsvideos anzusehen, wenn man das Opfer kennt. Das ist natürlich auch belastend, wenn halt Babys missbraucht werden. Oder wenn die Kinder vielleicht aussehen, wie die eigenen Kinder."
Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden im vergangenen Jahr in rund 3100 Fällen Missbrauchsmedien privat verbreitet. Allein in der Hauptstadt durchsuchte die Polizei 272 Wohnungen. Die zwei Dutzend Ermittler des Berliner Kinderpornografie-Teams sind überlastet. Michael Böhl vom Bund der Kriminalbeamten kennt die Lage.
"Hier haben wir gerade in Berlin das personelle Problem, dass die Technik zwar vorhanden ist, aber das Personal einfach nicht mehr mit diesen Datenmengen hinterkommt. Und dann kommen Sie in einen Bearbeitungsstau, das heißt also, Sie erkennen dann eventuell Zugriffsmöglichkeiten leider erst zu spät."
Berlin ist kein Einzelfall. Auch andere Bundesländer klagen über fehlende Online-Ermittler. Können die Strafverfolger deshalb nicht erkennen, ob es gut organisierte, kriminelle Hintermänner gibt, ob eine "Kinderporno-Industrie" existiert? Verlieren sich die Polizisten im Online-Dickicht - in der Welt der anonymen Web-Seiten, Foren, Popups und Links, die ständig wechseln? In einer virtuellen Welt, in der Kinderpornobilder sogar als Werbung benutzt werden, um schließlich ganz andere Dinge zu verkaufen?
"Welche kommerziellen Interessen dahinter stehen, ist uns auch oftmals schleierhaft."
Auch wenn Herkunft und Vertriebsstrukturen des Materials oft im Dunkeln liegen – bekannt ist dagegen die technische Verbreitung der Missbrauchsaufnahmen.
"Wobei erstaunlicherweise unsere Erkenntnisse dahin gehen, dass das Material in der Regel auf Servern gehostet werden, die nicht in Dritte-Welt-Ländern stehen, sondern in Erste-Welt-Ländern stehen. Also Server, die an eine gute IT-Infrastruktur angebunden sind. Soll heißen: USA, aber auch Deutschland sind im Prinzip bevorzugte Serverstandorte für kinderpornografisches Material."
Kinderpornos werden nicht nur über deutsche Internet-Rechner verbreitet, sie werden teilweise auch hierzulande produziert. Laut Kriminalstatistik wurden im vergangenen Jahr bundesweit rund 100 Fälle ermittelt, in denen Kinder sexuell schwer missbraucht wurden – um Pornoszenen aufzunehmen. Die Vergewaltiger und Videodealer drehen in "normalen" deutschen Wohnzimmern.
"Es gibt auch tatsächlich diese Studiosituation. Manchmal ist auch Kinderspielzeug in einer Wohnung von jemandem, der eigentlich keine Kinder hat. Oftmals ist es die Qualität des Videomaterials. Zum Beispiel hoch auflösende Videos. Dann kann man sich schon denken, okay, ist das jetzt möglich selbst hergestellt, Material aus dem Internet hat eine bestimmte Größe, hat ne bestimmte Auflösung und bei den selbst hergestellten Videos weicht die eben deutlich davon ab."
Die Täter: zumeist Bekannte oder Verwandte des Kindes. Pädophile, die sich an den Aufnahmen berauschen oder sich etwas hinzuverdienen wollen. Auch die Konsumenten sind Täter, heizen sie doch den Markt an, verlangen ständig "frisches Material".
"Wenn man sich im Prinzip Bilder anguckt im Internet, spielt ja auch der Kopf irgendwie ne große Rolle. Man sagt sich denn eben: Okay, dit und dit machst Du jetzt mit det Kind. Man redet sich da auch ein, das die Kinder das eben so ooch wollen. Man guckt sich ja keene Bilder an, wo ein Kind ..äh.. Tränen in Augen hat, sondern lächelt. Und eben im Prinzip nicht schreien. Ich sag mal, bei manchen Videos hast Du eben die Schnapsflaschen im Hintergrund gesehen. Die hat man eben denn sich nicht angeguckt, sondern die wirklich optisch vernünftig dargestellt worden sind. Man denkt sich das im Prinzip schön."
Krank. Pädophilie ist eine psychische Störung, eine abweichende sexuelle Präferenz. Wie und warum sie entsteht – darüber rätselt die Wissenschaft. Ebenso unklar ist der Hang vieler Heterosexueller, sich auch von Kinderpornografie erregen zu lassen. Pädophile Nebenströmung nennen Therapeuten dieses Phänomen. Beide Gruppen googeln notorisch nach neuen Aufnahmen und sammeln sie wie Briefmarken. Doch wollen sie ihre Sucht bekämpfen, finden sie oft keine Hilfe bei den Ärzten.
"Patienten haben berichtet, dass sie regelrecht aus der Praxis geschmissen wurden und auch gleich als Täter beschimpft wurden, obwohl die ja noch gar keine Taten begangen haben. Es gab eine Verunsicherung hinsichtlich der ärztlichen Schweigepflicht, die Frage, ob es hier eine Meldepflicht gibt. Also eine unzulässige Stigmatisierung eines im Grunde genommen chronischen Erkrankungsbildes."
Janina Neutze ist Ärztin an der Berliner Charité. Die Sexualmedizinerin hat kürzlich ein neuartiges Therapieprojekt gestartet – mit zwanghaften Kinderpornonutzern. Die Therapeuten wissen: Pädophilie ist nicht heilbar. Aber die Patienten können versuchen, ihr Handeln zu kontrollieren. Und sich in die Opfer hinein zu versetzen.
"Wir nutzen Rollenspiele, wo sozusagen die Szenen, die auf den Abbildungen zu sehen sind, tatsächlich nachgespielt werden. Und der Nutzer in die Rolle des Kindes schlüpft. Wir haben das sogar schon gemacht mit der konkreten Nachstellung der Filmsituation. Das heißt, nicht nur dass die sexuelle Interaktion im Rollenspiel nachgespielt wird, sondern dass dabei auch ne Kamera läuft und das Ganze aufgenommen wird."
Die erste Bilanz der Pilot-Therapie ist ermutigend.
"Also, die Patienten berichten, dass sie die Bilder, die wir genutzt haben, nicht mehr hinterher für die Selbstbefriedigung nutzen können. Über einen längeren Zeitraum gibt`s dann Generalisierungseffekte."
Die Charité-Mediziner wünschen sich eine flächendeckende Versorgung für pädophile Patienten. Denn Tätertherapie ist Opferschutz. Doch derzeit gibt es neben der Berliner nur noch eine Anlaufstelle in Kiel. Eine bundesweite medizinische Versorgung für Kinderschänder und Pornonutzer steht in den Sternen.
"Wir haben kein Finanzierungskonzept - weder dafür, die Leute auszubilden noch die Leute zu therapieren."
Fehlende Polizisten, fehlende Therapieangebote – Experten klagen über weitere Missstände: Viele Richter und Schöffen hätten keinen Durchblick, weil sie sich nicht in das "unappetitliche" Thema einarbeiten wollten. Zudem fehlten Fortbildungen und Gerichtsgutachter. Der Hannoveraner Forscher Arnd Hüneke kritisiert, dass die Politik lieber auf wirkungslose Websperren setzt.
"Das liegt daran, weil es ums Geld geht. Ne Websperre kostet nicht viel, ein Polizist dagegen mehr."
Was sagen die zuständigen Behörden zu der massiven Kritik? Bundesjustiz- wie auch Bundesinnenministerium verweisen auf die Zuständigkeit der Länder. Die Polizeiführung der Hauptstadt etwa verspricht, die Zahl der Videoauswerter aufzustocken und zusätzlich eine neue Analysesoftware einzusetzen. Eile ist geboten. Denn Experten warnen: Der Kinderpornomarkt boome. Werde nicht intensiver ermittelt, therapiert und aufgeklärt, gebe es ständig neue Opfer: doppelt missbrauchte Kinder, die noch Jahrzehnte später leiden.
"Also Opfer laufen schon häufig durch die Straßen oder lernen eben jemanden irgendwo kennen und überlegen: Hat der mich vielleicht im Internet gesehen? Könnte das sein? Warum redet der mich jetzt an zum Beispiel? Warum geht der auf mich zu? Weil der vielleicht irgendwas von mir gesehen hat? Also das ist schon ne zusätzliche schlimme Situation."
Sigrid Richter-Unger leitet das Projekt "Kind im Zentrum". Die Berliner Hilfseinrichtung betreut Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die sexuell missbraucht worden sind. In mühsamen, schmerzhaften Einzelgesprächen versuchen die Therapeuten, die seelischen Wunden der Betroffenen zu heilen. Zum Teil mit Erfolg. Doch vor dem World Wide Web müssen auch die Experten kapitulieren. Die verbrecherischen Fotos und Videos sind nicht mehr zurückzuholen.
"Wir können eben tatsächlich nicht helfen, diese Bilder aus dem Netz oder aus dem Umlauf zu bekommen."
Und wir hören halt tatsächlich auch häufig noch so Sätze wie: Na, ich habe ja selber nicht missbraucht, und das gibt es doch alles im Internet. Und das war mir zwar bewusst, dass es strafbar ist, aber wenn ich das überall frei kriegen kann, kann`s ja so schlimm eigentlich nicht gewesen sein.
Also, im Prinzip ist das wie der übliche Hase-und-Igel-Lauf: Man ist als Strafverfolger immer ein bisschen hinterher. Die Doofen wird man immer kriegen – und die, die clever sind, die schaffen's einfach."
Jeden Tag werden 200 neue Kinderpornografie-Bilder ins Internet gestellt. Mehr als 15 Millionen Abbildungen kursieren bereits im Netz. Allein in Deutschland gibt es schätzungsweise 50.000 Konsumenten von Missbrauchsdarstellungen. So die alarmierende Analyse des Kinderhilfswerks Unicef vom vergangenen Jahr.
Wer produziert die verbrecherischen Aufnahmen? Wie werden sie vertrieben? Und: Wer besorgt sich die Vergewaltigungsbilder und -videos?
"Na, bei mir durften zum Beispiel keine Jungs dabei sein. Sondern wirklich nur Mädchen. Für mich war eigentlich erst mal schon befriedigend, erst mal überhaupt die Seite zu finden. Weil das eben verboten war. Das war denn eben dieser berühmte Kick, den man denn so brauchte manchmal. Und denn so als Zweites denn irgendwo in Selbstbefriedigung geendet. Dis ... . war klar. Das ist im Prinzip wie ne Sucht bei mir."
Bernd Schmück. 35 Jahre alt - blass, schmal und zurückhaltend. Schmück arbeitet in Berlin bei einem Logistikunternehmen und wohnt noch bei seinen Eltern. Der Berliner, der anonymisiert auftritt, hat sich nach eigener Aussage nie an einem Kind vergangen. Aber er fühlt sich von Missbrauchsbildern angezogen. Zweimal wurde er von der Polizei erwischt und zu Geldstrafen verurteilt, weil er Tausende Fotos sowie eine Handvoll Videos auf seiner Festplatte gehortet hatte. Angefangen hat alles in seiner Jugend, als er eine FKK-Zeitschrift in die Hände bekam. Mit Strandbildern nackter Familien.
"Jahre später habe ich mal, weil ich im Internet auch normale Pornos gesucht hatte, mich auch irgendwo mal registriert habe, dann mal ne Mail gekriegt. Und da waren denn eben auch kinderpornografische Seiten mit bei gewesen. Man hat sich dann Abend für Abend auf die Suche gemacht: Gibt es irgendwo paar neue Seiten? Was kann man da entdecken? Und so hat sich das langsam immer ringesteigert."
Klick: Werbung für Erwachsenensex-Videos. Klick: Werbung für Teenagersex-Bilder. Klick: Werbung für Kinderpornos: ein typischer Weg zu den verbotenen Webseiten. Viele Popups zeigen zumeist noch keine Nacktaufnahmen, sondern Jungen und Mädchen im Lolita-Stil. "Anreißer-Bilder" werden sie genannt. Der Hannoveraner Forscher Arnd Hüneke kennt die Aufmachung.
"Sie sehen im Prinzip ein Kind auf dem Bild, das ist bekleidet, relativ stark aufgebrezelt, geschminkt, die möglicherweise ne etwas unnatürliche Körperhaltung hat, die Beine spreizt oder sonst irgendwas macht. Unsere Vermutung ist halt eben, dass wenn dann Geld gezahlt wird für diese Bilder, dass dann man auch die Möglichkeit erwirbt, die Kinder dann nackt zu sehen und möglicherweise dann auch in Missbrauchshandlungen."
Hüneke ist Jurist und hat kürzlich ein einzigartiges Forschungsprojekt an der Universität Hannover gestartet: An seinem kriminalwissenschaftlichen Institut sollen demnächst ein Dutzend Fachleute untersuchen, ob es einen Kinderpornografie-Markt gibt – und, falls ja, wie der Markt funktioniert. Das Team befragt Landeskriminalämter, Staatsanwaltschaften und nimmt zudem 3500 Strafakten unter die Lupe. Bereits jetzt gibt es Hinweise auf einen kommerziellen Markt: So hat im Jahr 2006 die Zentralstelle zur Bekämpfung von Kinderpornografie in Halle einen professionellen Anbieter ausgemacht – den Anbieter eines illegalen Online-Portals. Internetnutzer, die Zugang zu dem Portal haben wollten, mussten einen bestimmten Betrag per Kreditkarte überweisen. Und zwar auf ein philippinisches Konto. Die Ermittler starteten die Operation "Mikado", um alle Deutschen zu erfassen, die diesen Betrag überwiesen hatten.
"Und daraufhin hat die Staatsanwaltschaft in Halle die Kreditkartenunternehmen gebeten, ne Rasterfahndung durchzuführen. Und dann hat die Staatsanwaltschaft versucht, daraus selbst dann Tatverdächtigenlisten zu machen."
Mehr als 20 Millionen Kreditkartenkonten wurden durchleuchtet. Das sorgte zwar für heftige Datenschutz-Debatten - aber auch für einen Ermittlungserfolg. Der einst zuständige Staatsanwalt Peter Vogt bilanzierte kürzlich im ARD-Fernsehen:
"In einem kommerziellen kinderpornografischen Bereich haben wir 322 Deutsche ermittelt, die für diese eine Seite, für einen 20-tägigen Zugang, pro Person circa 80 Dollar ausgegeben haben. Das heißt, mit einer Seite wurden mal eben in Deutschland knapp 25.000 Euro verdient.""
Das Ermittlungsverfahren Mikado endete mit bundesweiten Hausdurchsuchungen - der südostasiatische Drahtzieher konnte allerdings nicht dingfest gemacht werden. Eine andere Operation brachte ebenfalls Hinweise auf bandenmäßige Vertriebsstrukturen: die Operation "Data" der Staatsanwaltschaft Bonn. Es ging um osteuropäische Kinderporno-Händler, die 25.000 Kunden in 177 Staaten hatten. Die Dealer sollen eine zweistellige Dollar-Millionensumme verdient haben. Die Staatsanwaltschaft filzte die Wohnungen von mehr als 500 deutschen Internet-Nutzern – und beschlagnahmte Berge von Missbrauchsmaterial. Allerdings konnten auch in diesem Fall die Anbieter, offenbar Mafiosi aus Weißrussland, nicht gefasst werden. Kein Wunder: Die Online-Verbrecher sind extrem gerissen. Im Berliner Landeskriminalamt klagen die Ermittler Judith Dobbrow und Thorsten Ivers über die Recherche-Hürden.
"Die Halbwertzeit einer Internetseite mit Kinderpornografie beträgt ungefähr eine Woche, würde ich jetzt mal schätzen. Also, länger ist so eine Seite nie im Netz."
"Das gleiche Material taucht in der gleichen Struktur wieder auf – aber dann eben auf einem anderen Server und möglicherweise auch in einem anderen Land."
Wissenschaftler Arnd Hüneke bilanziert:
"Also, im Prinzip ist das wie der übliche Hase-und-Igel-Lauf: Man ist als Strafverfolger immer ein bisschen hinterher. Die Doofen wird man immer kriegen – und die, die clever sind, die schaffen's einfach."
Professionelle Online-Werbung. Kreditkarten-Überweisungen. Zehntausende Kunden: Spuren, die auf organisierte Kinderporno-Kriminalität hinweisen, etwa in den GUS-Ländern. Doch klar ist auch: Ein Großteil der Missbrauchsdateien gelangt nicht über einen Profi-Markt an den pädophilen Konsumenten, sondern über private Internetbörsen. Die Experten streiten noch, ob kommerzielle Kinderpornos nun die Masse - oder nur einen Bruchteil der Datenflut ausmachen.
"Einige Landeskriminalämter sagen: Es gibt keinen Markt. Es gibt einige Landeskriminalämter, die sagen: Jawohl, es gibt doch einen Markt."
Ein starkes Argument gegen die Existenz eines eingespielten Kommerz-Marktes sind die Tauschforen für Kinderpornografie. Mehr als 150.000 soll es davon geben. Es handelt sich um streng abgeschirmte, illegale Benutzergruppen. Wer dort Mitglied werden will, muss sich zuvor selbst Missbrauchsfotos besorgen – und vorweisen. Die Szene nennt das Aufnahmeritual zynisch "Keuschheitsprüfung". Straftäter Bernd Schmück berichtet:
"Und wer sich denn eben einloggen will, muss denn eben drei Bilder schicken, um zu beweisen, er ist eben kein Polizist oder so was oder Staatsanwalt. Um dann zu sagen: Okay, Dich nehme ich oder Dich nehme ich nicht."
"Also, die Polizei möchte sich natürlich nicht strafbar machen. Und darf deswegen selber Kinderpornografiebilder nicht verbreiten. Und deswegen auch keine Kinderpornografiebilder zum Tausch anbieten. Damit fallen Ermittlungsmethoden weg. Und diese geschlossenen Benutzergruppen sind im Prinzip tatsächlich geschlossen."
Probleme haben die Ermittler auch bei einem weiteren privaten Vertriebsweg: bei der peer-to-peer-Kommunikation. Hierbei tauschen die Internetnutzer direkt von Rechner zu Rechner ihr Material aus. Bislang konnte die Polizei mit einer Software die Filesharing-Plattformen nach bestimmten Schlagworten scannen und die IP-Nummern der Tauschpartner ermitteln. Die IP-Nummern, also die Adressen der Computer im Internet, wurden bislang von den Serverbetreibern protokolliert und aufbewahrt. Doch kürzlich hat das Bundesverfassungsgericht diese Vorratsdatenspeicherung verboten. Ermittler, wie Judith Dobbrow, schimpfen: Nun könne die Kripo auf diesem Wege keine Kinderporno-Besitzer mehr dingfest machen.
"Unsere Ermittlungen sind in diesem Bereich natürlich erschwert, dadurch dass nicht mehr alle IP-Daten längere Zeiten vorrätig gehalten werden."
Flüchtige Webseiten. Geschlossene Benutzergruppen. Rechtliche Schranken. Auch das beschlagnahmte Material macht den Polizisten zu schaffen. Um Täter und Opfer zu identifizieren, müssen die Bilder und Videos möglichst genau untersucht werden. Doch in den Landeskriminalämtern stapeln sich die Kisten mit den sicher gestellten Speichermedien. Die Berliner Strafverfolger nehmen bei jeder Hausdurchsuchung durchschnittlich zwei Computer mit, mehrere externe Festplatten sowie zwei Umzugskartons mit CDs und DVDs - rund 160 lose Datenträger.
"Also, ich sag mal so: Der normale kriminalpolizeiliche Sachbearbeiter bei uns wird so 50 Prozent des Tages damit verbringen, sich Bild- und Videomaterial anzugucken. Das ist also auch eine anstrengende Tätigkeit. Es gibt sicherlich sehr unappetitliches Material, das hängt mit dem Alter des Opfers zusammen, das hängt auch oftmals damit zusammen, ob man Geräusche hört, also so ein Schreien ist sehr unangenehm."
"Also, es ist natürlich schwieriger, sich Missbrauchsvideos anzusehen, wenn man das Opfer kennt. Das ist natürlich auch belastend, wenn halt Babys missbraucht werden. Oder wenn die Kinder vielleicht aussehen, wie die eigenen Kinder."
Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden im vergangenen Jahr in rund 3100 Fällen Missbrauchsmedien privat verbreitet. Allein in der Hauptstadt durchsuchte die Polizei 272 Wohnungen. Die zwei Dutzend Ermittler des Berliner Kinderpornografie-Teams sind überlastet. Michael Böhl vom Bund der Kriminalbeamten kennt die Lage.
"Hier haben wir gerade in Berlin das personelle Problem, dass die Technik zwar vorhanden ist, aber das Personal einfach nicht mehr mit diesen Datenmengen hinterkommt. Und dann kommen Sie in einen Bearbeitungsstau, das heißt also, Sie erkennen dann eventuell Zugriffsmöglichkeiten leider erst zu spät."
Berlin ist kein Einzelfall. Auch andere Bundesländer klagen über fehlende Online-Ermittler. Können die Strafverfolger deshalb nicht erkennen, ob es gut organisierte, kriminelle Hintermänner gibt, ob eine "Kinderporno-Industrie" existiert? Verlieren sich die Polizisten im Online-Dickicht - in der Welt der anonymen Web-Seiten, Foren, Popups und Links, die ständig wechseln? In einer virtuellen Welt, in der Kinderpornobilder sogar als Werbung benutzt werden, um schließlich ganz andere Dinge zu verkaufen?
"Welche kommerziellen Interessen dahinter stehen, ist uns auch oftmals schleierhaft."
Auch wenn Herkunft und Vertriebsstrukturen des Materials oft im Dunkeln liegen – bekannt ist dagegen die technische Verbreitung der Missbrauchsaufnahmen.
"Wobei erstaunlicherweise unsere Erkenntnisse dahin gehen, dass das Material in der Regel auf Servern gehostet werden, die nicht in Dritte-Welt-Ländern stehen, sondern in Erste-Welt-Ländern stehen. Also Server, die an eine gute IT-Infrastruktur angebunden sind. Soll heißen: USA, aber auch Deutschland sind im Prinzip bevorzugte Serverstandorte für kinderpornografisches Material."
Kinderpornos werden nicht nur über deutsche Internet-Rechner verbreitet, sie werden teilweise auch hierzulande produziert. Laut Kriminalstatistik wurden im vergangenen Jahr bundesweit rund 100 Fälle ermittelt, in denen Kinder sexuell schwer missbraucht wurden – um Pornoszenen aufzunehmen. Die Vergewaltiger und Videodealer drehen in "normalen" deutschen Wohnzimmern.
"Es gibt auch tatsächlich diese Studiosituation. Manchmal ist auch Kinderspielzeug in einer Wohnung von jemandem, der eigentlich keine Kinder hat. Oftmals ist es die Qualität des Videomaterials. Zum Beispiel hoch auflösende Videos. Dann kann man sich schon denken, okay, ist das jetzt möglich selbst hergestellt, Material aus dem Internet hat eine bestimmte Größe, hat ne bestimmte Auflösung und bei den selbst hergestellten Videos weicht die eben deutlich davon ab."
Die Täter: zumeist Bekannte oder Verwandte des Kindes. Pädophile, die sich an den Aufnahmen berauschen oder sich etwas hinzuverdienen wollen. Auch die Konsumenten sind Täter, heizen sie doch den Markt an, verlangen ständig "frisches Material".
"Wenn man sich im Prinzip Bilder anguckt im Internet, spielt ja auch der Kopf irgendwie ne große Rolle. Man sagt sich denn eben: Okay, dit und dit machst Du jetzt mit det Kind. Man redet sich da auch ein, das die Kinder das eben so ooch wollen. Man guckt sich ja keene Bilder an, wo ein Kind ..äh.. Tränen in Augen hat, sondern lächelt. Und eben im Prinzip nicht schreien. Ich sag mal, bei manchen Videos hast Du eben die Schnapsflaschen im Hintergrund gesehen. Die hat man eben denn sich nicht angeguckt, sondern die wirklich optisch vernünftig dargestellt worden sind. Man denkt sich das im Prinzip schön."
Krank. Pädophilie ist eine psychische Störung, eine abweichende sexuelle Präferenz. Wie und warum sie entsteht – darüber rätselt die Wissenschaft. Ebenso unklar ist der Hang vieler Heterosexueller, sich auch von Kinderpornografie erregen zu lassen. Pädophile Nebenströmung nennen Therapeuten dieses Phänomen. Beide Gruppen googeln notorisch nach neuen Aufnahmen und sammeln sie wie Briefmarken. Doch wollen sie ihre Sucht bekämpfen, finden sie oft keine Hilfe bei den Ärzten.
"Patienten haben berichtet, dass sie regelrecht aus der Praxis geschmissen wurden und auch gleich als Täter beschimpft wurden, obwohl die ja noch gar keine Taten begangen haben. Es gab eine Verunsicherung hinsichtlich der ärztlichen Schweigepflicht, die Frage, ob es hier eine Meldepflicht gibt. Also eine unzulässige Stigmatisierung eines im Grunde genommen chronischen Erkrankungsbildes."
Janina Neutze ist Ärztin an der Berliner Charité. Die Sexualmedizinerin hat kürzlich ein neuartiges Therapieprojekt gestartet – mit zwanghaften Kinderpornonutzern. Die Therapeuten wissen: Pädophilie ist nicht heilbar. Aber die Patienten können versuchen, ihr Handeln zu kontrollieren. Und sich in die Opfer hinein zu versetzen.
"Wir nutzen Rollenspiele, wo sozusagen die Szenen, die auf den Abbildungen zu sehen sind, tatsächlich nachgespielt werden. Und der Nutzer in die Rolle des Kindes schlüpft. Wir haben das sogar schon gemacht mit der konkreten Nachstellung der Filmsituation. Das heißt, nicht nur dass die sexuelle Interaktion im Rollenspiel nachgespielt wird, sondern dass dabei auch ne Kamera läuft und das Ganze aufgenommen wird."
Die erste Bilanz der Pilot-Therapie ist ermutigend.
"Also, die Patienten berichten, dass sie die Bilder, die wir genutzt haben, nicht mehr hinterher für die Selbstbefriedigung nutzen können. Über einen längeren Zeitraum gibt`s dann Generalisierungseffekte."
Die Charité-Mediziner wünschen sich eine flächendeckende Versorgung für pädophile Patienten. Denn Tätertherapie ist Opferschutz. Doch derzeit gibt es neben der Berliner nur noch eine Anlaufstelle in Kiel. Eine bundesweite medizinische Versorgung für Kinderschänder und Pornonutzer steht in den Sternen.
"Wir haben kein Finanzierungskonzept - weder dafür, die Leute auszubilden noch die Leute zu therapieren."
Fehlende Polizisten, fehlende Therapieangebote – Experten klagen über weitere Missstände: Viele Richter und Schöffen hätten keinen Durchblick, weil sie sich nicht in das "unappetitliche" Thema einarbeiten wollten. Zudem fehlten Fortbildungen und Gerichtsgutachter. Der Hannoveraner Forscher Arnd Hüneke kritisiert, dass die Politik lieber auf wirkungslose Websperren setzt.
"Das liegt daran, weil es ums Geld geht. Ne Websperre kostet nicht viel, ein Polizist dagegen mehr."
Was sagen die zuständigen Behörden zu der massiven Kritik? Bundesjustiz- wie auch Bundesinnenministerium verweisen auf die Zuständigkeit der Länder. Die Polizeiführung der Hauptstadt etwa verspricht, die Zahl der Videoauswerter aufzustocken und zusätzlich eine neue Analysesoftware einzusetzen. Eile ist geboten. Denn Experten warnen: Der Kinderpornomarkt boome. Werde nicht intensiver ermittelt, therapiert und aufgeklärt, gebe es ständig neue Opfer: doppelt missbrauchte Kinder, die noch Jahrzehnte später leiden.
"Also Opfer laufen schon häufig durch die Straßen oder lernen eben jemanden irgendwo kennen und überlegen: Hat der mich vielleicht im Internet gesehen? Könnte das sein? Warum redet der mich jetzt an zum Beispiel? Warum geht der auf mich zu? Weil der vielleicht irgendwas von mir gesehen hat? Also das ist schon ne zusätzliche schlimme Situation."
Sigrid Richter-Unger leitet das Projekt "Kind im Zentrum". Die Berliner Hilfseinrichtung betreut Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die sexuell missbraucht worden sind. In mühsamen, schmerzhaften Einzelgesprächen versuchen die Therapeuten, die seelischen Wunden der Betroffenen zu heilen. Zum Teil mit Erfolg. Doch vor dem World Wide Web müssen auch die Experten kapitulieren. Die verbrecherischen Fotos und Videos sind nicht mehr zurückzuholen.
"Wir können eben tatsächlich nicht helfen, diese Bilder aus dem Netz oder aus dem Umlauf zu bekommen."