Jule Reimer: Sie kennen das: Anstatt abends gemütlich beim Wein im warmen Garten zu sitzen, sind wir damit beschäftigt, die sommerlich nackten Beine vor Mückenangriffen zu schützen. Je schneller und fester man zuschlägt, desto größer die Chance, dass das Mückenbiest noch nicht zugestochen hat und saugen konnte. Aber es gibt Wissenschaftler, die möchten, dass Sie Mücken jagen, aber bitte schonend. Warum und wozu, fragte ich vor dieser Sendung Doreen Walther, Mückenexpertin im Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung, ZALF, in Müncheberg.
Doreen Walther: Wir haben in Deutschland über 50 verschiedene Stechmückenarten, und wir wollen wissen, wo diese Arten leben, wann und vor allen Dingen auch, in welchen Lebensräumen. Und wir kartieren mithilfe des Mückenatlas diese Stechmücken. Und jeder Punkt ist für uns sehr hilfreich, und deshalb bitten wir darum, diese Mücken uns zuzuschicken.
Einfrieren statt Erschlagen
Reimer: Wie hätten Sie gern das Mückenjagen?
Walther: Wenn man diese Mücke halt einfängt, zum Beispiel mit einem Marmeladengläschen, und es über die Mücke stülpt, dann kann man dieses Gläschen verschließen, und zum Abtöten legt man dann das Gläschen ins Gefrierfach, und dann ist am nächsten Tag die Mücke eben steifgefroren, und man kann sie ohne Probleme in ein kleineres Schächtelchen oder Gefäß umschütten und zusammen mit dem Einsendeformular an uns einschicken.
Reimer: Was machen Sie dann mit der Mücke?
Walther: Die Tierchen, die uns erreichen, die werden natürlich alle genau angeschaut, zu welcher Art sie gehören, um diesen Nachweispunkt eben zu setzen auf den Karten. Und die Mücken, die wirklich gut erhalten sind, die gehen in eine Art Referenzsammlung. Das heißt, wir bauen eine große museale Sammlung mit diesen Tieren auf. Das heißt, jeder Einsender wird bei uns verewigt mit seiner Mücke, die Mücke bekommt ein Etikett, wo er auch als Sammler registriert ist. Und dieser gesamte Datensatz, wo die Mücke gefangen wurde, die geht in eine deutschlandweite Stechmückendatenbank, damit wir eben Rückschlüsse ziehen können, wann wo welche Mücke gefangen wurde.
Krankheitsübertragung soll verhindert werden
Reimer: Und die Mücken sind verbunden mit möglichen Krankheitsgefahren – ist das der Sinn der ganzen Aktion?
Walther: Die Gefährlichkeit einer Mücke bestimmt sich darüber, inwieweit sie die Potenz mitbringt, Krankheitserreger aufzunehmen und wieder abzugeben. Das heißt, nicht jede Mücke kann Krankheitserreger wieder abgeben. Mücken sind nur für bestimmte Krankheitserreger empfänglich, und genau deshalb müssen wir wissen, welche Mücken wo vorkommen, um zum Beispiel das Zusammentreffen mit infizierten Reiserückkehrern, die nach der Rückkehr aus den Tropen jetzt nach der Urlaubszeit zurückkehren, zusammentreffen könnten.
Reimer: Da muss ich mal nachfragen. Da sind ja Stichwörter Dengue-Fieber, Chikungunya, Malaria – können unsere Mücken so was übertragen?
Walther: Unsere Mücken können verschiedenste Krankheitserreger übertragen, so wie zum Beispiel die Anopheles-Arten mit Malaria zusammengehören, gehört beispielsweise die Tigermücke mit Dengue oder Chikungunya zusammen. Und genau aus diesem Grund verfolgen wir diese Arbeit. Stellen Sie sich vor, ein infizierter Reiserückkehrer mit Chikungunya oder Dengue kehrt aus den Tropen zurück, genau an diesen Ort, wo sich die Tigermücke angesiedelt hat. Dann muss man eins und eins zusammenzählen und muss das Zusammentreffen vermeiden. Dann wird natürlich der Erkrankte nicht in diese Region gelassen, und die Mücken werden auf alle Fälle bekämpft werden.
Tigermücke breitet sich aus
Reimer: Nun ist die Tigermücke ja eigentlich nicht bei uns heimisch, die kommt aus Asien. Wie weit hat die sich schon eingeschlichen?
Walther: Sie wurde über den Gebrauchtreifenhandel weltweit verschleppt. Sie hat sich in Italien vor einigen Jahren bestens etabliert, und Touristen, die aus den südlicheren Ländern zurückkommen im Reiseverkehr, schleppen diese Tigermücken permanent nach Deutschland ein. Das bedeutet, dass wir kontinuierlich diese kleinen Reisebegleiter haben. Und wir brauchen da wirklich die Mitarbeit der Leute, weil die genau wissen, wo welche Mücken wann aktiv sind. Und wir haben verschiedenste Bundesländer, die eben schon diese Nachweise aufweisen, aber bisher eben nur etablierte Populationen in Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen. Nichtsdestotrotz haben wir nach wie vor diese Hinweise, dass Mücken eben kommen. Über den Mückenatlas bekommen wir diese Hinweise, und wir gehen jedem einzelnen Fund nach. Das heißt, wir reisen an die entsprechende Nachweisstelle und kartieren dann eben, ob es Entwicklungsstadien gibt und ob sich die Mücke dort angesiedelt hat.
Reimer: Wie stark sollten wir uns in dem Zusammenhang auch noch mal bewusst machen, dass die Klimaerwärmung fortschreitet?
Walther: Die Mücken, die bei uns einheimisch sind, die haben natürlich überhaupt gar keine Probleme, genauso wie invasive Arten, zum Beispiel die Asiatische Buschmücke, die auf unsere Kälteperioden gut reagieren kann. Sie ist angepasst, und sie hat zum Beispiel gar keine Schwierigkeiten, den Winter hier zu überstehen. Aber für die Asiatische Tigermücke ist es natürlich ideal, wenn durch den Klimawandel sich auch die Temperaturen ändern und sie hier viel leichter Möglichkeiten findet, sich eben anzusiedeln und zu etablieren.
Kleinste Wasserstellen als Gefahr
Reimer: In tropischen Ländern liegen überall Warnhinweise herum, Wasserpfützen, Behälter, in denen sich altes Wasser sammelt, unbedingt vermeiden, Müllgut bedecken, Gras in der Nähe von Wohnungen und Häusern kurz zu halten. Müssen wir uns auf so was einstellen?
Walther: Definitiv ja. In den entsprechenden Regionen, in Süddeutschland, wo sich die Tigermücke auch schon angesiedelt hat, wird auch schon kleinräumig dazu aufgerufen, minimale Wasserstellen eben zu vermeiden, also gerade diese Blumenuntersetzer oder kleinste Gefäße, die im menschlichen Umfeld halt sehr oft zu finden sind, sind ideal für diese Mücken, um sich dort eben weiterzuentwickeln.
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