Krebs und Leistungssport
Wie ein neues Sport-Wissenschaftszentrum helfen will

Auch Leistungssportler können erkranken. Fälle von Sportlern, die während ihrer Karriere an Krebs erkranken, sind bekannt. Das Deutsche Kompetenzzentrum Leistungssport und Krebs in Köln setzt sich dafür ein, dass sie weiter Sport treiben können.

Von Benedikt Kaninski |
Felix Wittmann läuft als Erster von mehreren Sportlern auf einer blauen Tartanbahn im Stadion
Felix Wittmann gewann 2002 das 800-Meter-Finale der U23-Leichtathletik-Meisterschaften. Durch den anschließenden Dopingtest erfuhr er von seiner Krebserkrankung. (picture alliance / Eibner-Pressefoto )
August 2022. Es ist das 800-Meter-Finale der Deutschen U23-Leichtathletik-Meisterschaften. Und Felix Witmann holt sich zum ersten Mal den Titel. Es ist der Höhepunkt seiner bisherigen Karriere. Als deutscher Meister muss er nach dem Rennen erstmal standardmäßig zur Dopingprobe.
Eine Woche später bekommt Felix Wittmann einen Brief von der Nationalen Anti-Dopingagentur. In dem steht: "dass ich einen erhöhten Hormonwert habe HCG. Bei dem Wachstumshormon, was bei Männern auf Hodenkrebs hindeutet." Eine Schockdiagnose für den damals 20-Jährigen. Hodenkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern zwischen 25 und 40 Jahren. Nur sehr wenige von ihnen gehen zur Vorsorge, obwohl die Chancen auf eine Heilung gut sind, wenn man die Krankheit früh entdeckt.

Leistungssport noch möglich nach der Krebstherapie?

Kurz nach den Deutschen Meisterschaften wird der Tumor entfernt und der Spitzensportler glaubt, dass er schnell wieder in den Alltag zurückkehren kann. Einen Monat nach der OP zeigen die Bluttests dann aber, dass sich die Krebszellen im Körper ausgebreitet haben. Felix Wittmann muss zur Chemotherapie.
"Und das war dann wirklich eher so das Schlimme, dass mir dann bewusst wurde, dass es vorerst nicht weiter geht mit dem Sport. Und das hat mir dann doch eher zu schaffen gemacht, als die Diagnose selber." In diesem Moment schießen ihm viele Fragen in den Kopf. Er will wissen, ob und wie er nach der Therapie wieder Leitungssport machen kann. Seine Trainer und Betreuer können das aber nicht beantworten.

Neues Kompetenzzentrum als Anlaufstelle

Genaue Zahlen dazu, wie viele Leistungssportlerinnen und -sportler in Deutschland an Krebs erkrankt sind, gibt es bisher nicht. Die Uniklinik Köln beobachtet aber eine wachsende Zahl von Anfragen aus dem Sport und hat gemeinsam mit der Deutschen Sporthochschule vor kurzem das Deutsche Kompetenzzentrum Leistungssport und Krebs gegründet.
Die Leiterin ist Sportmedizinerin Nora Zoth, die früher selbst im Leistungssport aktiv war: „Eine Aufgabe unseres Zentrums ist es, indem wir ein Expertenboard aus verschiedenen Medizinern, Onkologen, Trainern und Sportwissenschaftlern an einen Tisch holen, objektiv zu prüfen, inwiefern eine Fortsetzung des Leistungssports möglich ist.“
Zoth hat in den vergangenen Jahren an der Uniklinik viele Athletinnen und Athleten betreut. Darunter auch einige Fußballer. Das neue Kompetenzzentrum soll deutschlandweit eine Anlaufstelle für Sportlerinnen und Sportler mit einer Krebserkrankung werden. Aktuell werden dort rund 60 von ihnen betreut.
Nicht immer ist eine Heilung oder Rückkehr in den Sport möglich. An der Uniklinik wurden auch schon Menschen behandelt, deren Krebserkrankung kaum noch Bewegung zugelassen hat. In der Regel habe der Sport aber eine positive Wirkung auf die Therapie, heißt es vom Kompetenzzentrum.

Sorge vor Karriere-Aus

Für viele Athletinnen und Athleten sei es wichtig, die Sorge vor dem drohenden Karriereende ernst zu nehmen, erklärt Nora Zoth. "Ich glaube es ist mitunter schon noch ein Tabuthema, aus Angst mit so einer Diagnose alleine da zu stehen. Werde ich noch gefördert? Werde ich in meinem Sportleistungsteam noch betreut? Bin ich noch gut genug, um als Topathlet gefördert zu werden?"
Das Förderungssystem im deutschen Spitzensport sei auf Krebserkrankungen oft nicht vorbereitet. Athletinnen und Athleten mit einer Diagnose und damit verbundenen Wettkampfpause könnten durchs Raster fallen.
Dabei hat sich in den vergangenen Jahren in der Behandlung von Krebs viel getan. Die Deutsche Krebshilfe empfiehlt mittlerweile sogar körperlich aktiv zu werden, um den Nebenwirkungen der Krankheit und der Therapie entgegenzuwirken. Für die Athletinnen und Athleten kann das Kompetenzzentrum Leistungssport und Krebs also eine Orientierung geben.

Wittmann hat sich nach zwei Jahren zurückgekämpft

Felix Wittmann ist zurück auf der Laufbahn. Er wurde bis zum Ende des vergangenen Jahres von Nora Zoth und ihrem Team an der Uniklinik in Köln betreut und behandelt. Unter anderem machte Wittmann seine ersten Kräftigungsübungen während der Therapie auf der Trainingsfläche vor Ort. Dabei wurden Sportmediziner, anders als bei der regulären Therapie mit in die Beratungen einbezogen.
Seine Geschichte zeigt, dass die Idee, Krebsmedizin und Sportwissenschaft zusammenzubringen, funktionieren kann. Im kommenden Jahr will Wittmann wieder bei Leichtathletik-Wettkämpfen an den Start gehen und trainiert jeden Tag dafür. "Grundsätzlich ist eben die Hoffnung, die man sich damals gemacht hat Realität geworden. Es ist wieder alles beim Alten. Man macht wieder täglich Sport, man nimmt wieder am Leben teil, wie man es gewohnt war. Und ja eben auch: Eine Krebsdiagnose und Krankheit muss und wird einen nicht davon abhalten."
In den vergangenen zwei Jahren nach der Diagnose hat sich Felix Wittmann zurückgekämpft. Das Deutsche Kompetenzzentrum Leistungssport und Krebs will in Zukunft dafür sorgen, dass das noch mehr Sportlerinnen und Sportlern gelingen kann.