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Krebsforschung
Darmtumore aus der Petrischale

Darmkrebs ist die zweithäufigste Krebsart in Europa, etwa die Hälfte der Patienten stirbt daran. Wie hoch die Überlebenschancen im Einzelfall sind, hängt davon ab, ob der Tumor rechtzeitig entdeckt wird und ob schnell die passende Therapie eingeleitet wird. Um schneller zu wissen, was dem Patienten hilft, haben Forscher aus Utrecht nun Darmtumore gezüchtet.

Von Magdalena Schmude |
    Eine Besucherin steht am 27.03.2013 in einem acht Meter langen begehbaren Darm-Modell im Foyer des Geraer SRH Waldklinikums. Hier beantworten Ärzte Fragen zum Thema Darmkrebs und seine Vorstufen. Die Veranstaltung findet im Rahmen des bundesweiten Darmkrebsmonats März statt.
    Ein begehbares Darm-Modell in einem Krankenhaus in Gera: Um Darmkrebs besser therapieren zu können, züchten Forscher künstliche Tumore. (picture alliance / dpa / Bodo Schackow)
    "Diese hier stammen von einem Tumor würde ich sagen, sie sind sehr dicht gewachsen, mit dicken Wänden und wenig Hohlraum im Inneren der Organoide. Wenn die Organoide von gesundem Gewebe stammen, gibt es Platz im Inneren, aber diese hier kommen von einem Tumor und wachsen als kompakte Strukturen."
    Hans Clevers zeigt auf die kleinen Zellklumpen, die in einer Petrischale unter dem Mikroskop wachsen. Die Organoide sind ein bis zwei Millimeter groß und auch mit dem bloßen Auge gut zu erkennen. Sie sind aus einzelnen Tumorzellen eines Darmkrebs-Patienten entstanden. Hans Clevers und sein Team am Hubrecht Institut in Utrecht haben eine Technik entwickelt, um die Zellen im Labor am Leben zu erhalten. Unter den richtigen Bedingungen wachsen sie immer weiter und bilden so ein Mini-Modell des jeweiligen Tumors. Die Organoide könnten helfen, für jeden Darmkrebs-Patienten die wirksamste Behandlung zu finden.
    "Die Schwierigkeit bei der Behandlung von Krebs ist, dass nur jeder dritte Patient wirklich von einem bestimmten Medikament profitiert. Wir konnten nur bisher nicht vorhersagen, welcher Patient das sein wird. Jetzt können wir das zum ersten Mal testen, indem wir Organoide aus dem Tumor eines Patienten züchten und diese dann mit zehn oder hundert oder tausend verschiedenen Wirkstoffen behandeln und beobachten, welche die Tumor-Zellen töten."
    Bisher war es nicht möglich, die Wirkung eines Medikaments auf einen einzelnen Tumor im Vorfeld zu testen weil die Zellen nach einer Entnahme schnell absterben. Mit der Methode der Utrechter Wissenschaftler hat sich das geändert.
    Zuverlässigere Vorhersagen über die Krankheit
    Wichtig für die Zuverlässigkeit des Tests ist außerdem, dass die Tumor-Organoide in Aufbau und Zellzusammensetzung dem Tumor im Körper des jeweiligen Patienten entsprechen und deshalb sehr ähnlich reagieren, wenn sie mit einem Wirkstoff behandelt werden. Hans Clevers weiß, dass auch die direkte Umgebung des Tumors im Körper seine Reaktion auf ein Medikament beeinflusst. Ein Umstand, der in der Forschung oft ignoriert wird.
    "Gewebe sind dreidimensional und auch Tumore sind dreidimensional. Sie wachsen nicht flach auf Plastik, sondern haben Kontakt zum Bindegewebe, zu Kollagen und anderen Molekülen. Unsere Technik hat den Vorteil, dass wir die Situation im Körper simulieren, indem wir auch diese anderen Faktoren dazugeben und die Zellen in eine dreidimensionale Struktur wachsen lassen. Wir kommen so den Bedingungen sehr nah, die im Körper herrschen."
    Das soll die Vorhersagen noch zuverlässiger machen. Wie zuverlässig testen die Forscher zur Zeit. Sie behandeln die Organoide auf die gleiche Weise, wie der jeweilige Patient in der Klinik behandelt wird und vergleichen anschließend die Ergebnisse. Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler zuerst die Therapie am Organoid testen und dann die Ärzte beraten, welches Medikament dem Patienten am ehesten hilft.
    Langfristig sollen solche Vorversuche dann komplett überflüssig werden. Hans Clevers und sein Team untersuchen auch, welche Gen-Veränderungen die Tumorzellen aufweisen. Wenn bekannt ist, welche Mutation einen Tumor sensitiv oder resistent gegenüber einem bestimmten Medikament macht, könnte das die Zuordnung der passenden Therapie noch einfacher machen.
    "Wir glauben, dass es eine Art Code gibt. Er wird vermutlich sehr komplex und schwer zu finden sein, aber wenn wir mit unserer Technik genug Organoide getestet haben, können wir einen Tumor hoffentlich auf Basis seiner DNA-Veränderungen einer Gruppe zuordnen und wissen dann, ob er auf ein Medikament reagiert oder nicht. Dann müssten wir keine Organoide mehr wachsen lassen, sondern nur wissen, welche Mutationen ein Tumor aufweist."
    Bis die nötige Menge an Daten gesammelt ist, werden die Wissenschaftler noch Tausende Organoide testen müssen. Doch Hans Clevers ist zuversichtlich, dass sie am Ende die Behandlung von Darmkrebspatienten entscheidend verbessern werden.