"Ich habe früher sehr viel Sport gemacht, bin gelaufen, auch weit gelaufen und hab dann irgendwann beim Laufen gemerkt, dass ich keine Luft mehr bekommen habe, obwohl ich recht gut trainiert war; und dann hat man festgestellt, dass es ein Adenokarzinom ist."
Monika Schmitt ist 48 Jahre alt. Sie ist Nichtraucherin und insofern gehört sie nicht zur Gruppe derer, die besonders oft an Lungenkrebs erkranken: rauchende alte Männer. Das Adenokarzinom ist ein bestimmter Lungenkrebs, der sich aus Drüsengewebe bildet und gesundes Zellgewebe zerstört. Monika Schmitt aber leidet an einer besonders seltenen veränderten Form dieses Adenokarzinoms.
Und daran erkranken meistens nicht rauchende junge Frauen. Manchmal aber auch nicht rauchende junge Männer, so wie Christoph Schlingensief. Der 2010 verstorbene Regisseur ist das prominenteste Beispiel, auch weil er mit einem speziellen Medikament behandelt wurde, das ihn einige Jahre länger leben ließ. Erlotinib heißt das Präparat, das auch Monika Schmitt einnimmt. Eine Tablette jeden Tag. Es ist genau auf ihren Tumor zugeschnitten.
"Nach ein paar Wochen habe ich sofort eine Verbesserung gemerkt, also der Krebs hat sich sofort zurückgebildet. Der war im Unterleib und in der Lunge ausgebreitet. Da hat man fast nichts gesehen davon. Ich konnte richtig zügig wieder gehen, meinen Haushalt normal machen, also das hat richtig schnell gewirkt und den Gesamtzustand schnell wieder verbessert."
Erlotinib ist nur im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit zugelassen, wenn sich bereits Metastasen gebildet haben und keine Operation mehr möglich ist. Es kann die Krankheit nicht heilen, bestenfalls den Verlauf verzögern, die Lebensqualität verbessern, vielleicht die Lebenszeit verlängern. Erlotinib gehört zur Gruppe der personalisierten Arzneimittel. Der Wirkstoff ist ein sogenannter Tyrosynkinaseinhibitor - was sich kompliziert anhört. Dr. Walburga Engel-Riedel, die Leiterin der onkologischen Ambulanz der Lungenklinik Köln-Merheim, aber hat ein einfaches Bild gefunden um zu erklären, wie das Medikament wirkt.
Bundesregierung unterstützt Forschung
"Die Tumorzelle hat auf ihrer Oberfläche einen Rezeptor, also ein Schloss, und das Medikament, das wir geben, ist der Schlüssel. Die finden sich. Das Schloss wird umgedreht und dann ist die Tumorzelle wirkungslos, und die wird dann abgebaut. Also es ist nicht nur so, dass das Wachstum stoppt, sondern in sehr vielen Fällen wird der Tumor tatsächlich kleiner."
Personalisierte oder individualisierte Arzneimittel kommen seit einigen Jahren mit mehr oder weniger großem Getöse auf den Markt und werden als Fortschritt gefeiert - vor allem gegen Krebs. Auch die neue Bundesregierung hält die individualisierte Medizin für eines der vielversprechendsten Felder der modernen Medizin. Das Forschungsministerium fördert zahlreiche Projekte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Nur ein Beispiel ist der Aktionsplan "Individualisierte Medizin", mit dem bundesweit die unterschiedlichsten Projekte von der Forschung und Entwicklung bis hin zu Therapieverfahren unterstützt werden. Bis 2016 sind dafür über 100 Millionen Euro im Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eingeplant. Außerdem werden im gleichen Zeitraum weitere 200 Millionen Euro für bereits laufende Projekte ausgegeben. Bisher allerdings steckt die Forschung in diesem Bereich noch in den Kinderschuhen. Davon jedenfalls ist Professor Wolf-Dieter Ludwig, Chefarzt im Helios-Klinikum Berlin-Buch, überzeugt. Er ist einer der angesehensten Onkologen Deutschlands. Und er ist Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Ihm war der Hype um die personalisierte Medizin schon immer suspekt.
"Wir sind über zehn Jahre von der Industrie mit Wirkstoffen versorgt worden, die unter der Bezeichnung "targeted therapy" oder zielgerichtete Therapie angepriesen wurden. Und wir haben nach zehn Jahren Einsatz in der Klinik gesehen, dass die meisten dieser Wirkstoffe wirklich nur einen ganz geringen Nutzen haben für die Patienten und wir häufig gezwungen waren, 100 Prozent der Patienten zu behandeln obwohl nur zehn bis 20 Prozent wirklich profitiert haben. Vor diesem Hintergrund haben schon die Zulassungsbehörden in Europa und Amerika seit Jahren gesagt, wir brauchen bei diesen zielgerichteten Wirkstoffen zusätzlich Biomarker, damit wir überhaupt erkennen, welche Patienten davon profitieren."
Krebs muss genau untersucht werden
Biomarker sind Merkmale zum Beispiel im Blut, die man messen kann und die auf einen Krankheitsprozess im Körper hinweisen. Sie können aber auch Laborparameter sein, die zeigen, ob ein bestimmtes Medikament bei bestimmten Patienten wirkt. Biomarker machen es somit überhaupt erst möglich herauszufinden, ob das personalisierte oder individualisierte Medikament wirken kann und als solches bezeichnet werden darf. Dabei sind die Begriffe personalisiert und individualisiert durchaus irreführend. Denn sie suggerieren, die individuellen Bedürfnisse eines einzelnen Patienten stünden im Mittelpunkt. Das aber ist nicht so. Es handelt sich bestenfalls um zielgerichtete diagnostische und therapeutische Ansätze für bestimmte Patienten. Korrekt muss man ergänzen: Untergruppen von Patienten, die einen Tumor mit einem bestimmten Merkmal haben, das man mithilfe des Biomarkers entschlüsseln kann. Nur auf dieser Ebene findet eine Individualisierung statt. Um einen gezielten Angriff auf den Krebs zu starten, wie im Fall von Monika Schmitt, muss der Tumor also genau untersucht sein. Molekulargenetisch mithilfe eines Biomarkers. Solche Untersuchungen veranlasst Dr. Engel-Riedel in der Kölner Lungenklinik.
"Adenokarzinom, mit Metastasen, ist im Stadium vier. Bitte Pathologe untersuche das Gewebe molekulargenetisch. Der findet eine genetische Mutation im EGFR Rezeptor. Dann schreibt er einen Befund, dann schreibt der da rein: Es wurde im Exon 2119 eine Mutation entdeckt. Der Patient profitiert von der Behandlung mit einem EGFR Rezeptor Antikörper."
Erfolg nicht von Dauer
Zehn bis 15 Prozent aller Patienten mit einem Adenokarzinom der Lunge haben eine Geschwulst, die man aufgrund ihrer genetischen Veränderungen mit diesen speziellen Wirkstoffen behandeln kann. Bei dem molekulargenetischen Check wird aber nicht etwa das gesamte Genom untersucht, sondern nur: ob Veränderungen auf der Oberfläche des Tumors vorhanden sind. Ist das der Fall könne das Medikament greifen und gelegentlich mehr erreichen als eine konventionelle Chemotherapie, sagt der Berliner Krebsspezialist ernüchternd. Aber selbst wenn das Medikament gut anschlägt, sei der Erfolg nicht von Dauer. Der Tumor sei zu komplex, erklärt Professor Ludwig. Außerdem verändere er sich:
"Wir wissen, dass praktisch alle diese Patienten nach einem gewissen Zeitraum - Monate, manchmal nach ein bis zwei Jahren - Resistenzen entwickeln. D. h. die Wirkstoffe verlieren ihre Wirksamkeit, und wir stehen wieder in einer Situation, wo wir keine guten Medikamente mehr haben. D. h. wir reden auch im Bereich der individualisierten Medizin über Wirkstoffe, die keinesfalls eine Heilung der Erkrankung auslösen, sondern bestenfalls eine Lebensverlängerung."
Mit einer Ausnahme…
"… das ist das Imatinip, ein neuer Wirkstoff, der vor über zehn Jahren zugelassen wurde zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie, da haben wir tatsächlich einen Durchbruch."
Seit Anfang Januar 2011 das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes, kurz AMNOG, in Kraft getreten ist, wurden zwölf Wirkstoffe in Verbindung mit einem Biomarker zugelassen. Vemurafenib gehört beispielsweise dazu, das den schwarzen Hautkrebs bekämpft. Dieser Wirkstoff kam vor einem Jahr auf den deutschen Markt; er ist zugelassen für die Behandlung einer bestimmten Krebs-Mutation, die wiederum mithilfe eines Biomarkers nachgewiesen werden muss. Vemurafenib ist das erste Hautkrebsmittel im Bereich der personalisierten Medizin und für die Pharmafirma lukrativ. Zwölfeinhalbtausend Euro kostet die Behandlung pro Monat bei einer Dosierung von täglich zwei Mal 960 Milligramm. In Deutschland dürfen die Hersteller von Arzneimitteln im ersten Jahr selbst bestimmen, was ein neuartiges Medikament kostet. Nach einem Jahr aber – und das ist das beinah revolutionär Neue am Gesetz - müssen die Firmen beweisen, dass ihr Präparat einen Zusatznutzen hat gegenüber einem vergleichbaren, das schon länger zugelassen ist. Kann der Hersteller zum Beispiel eine Verbesserung der Lebensqualität des Patienten nicht ausreichend belegen, kann der Preis für sein Medikament angepasst werden. Das passiert allerdings eher in preiswerteren Segmenten, erläutert Josef Hecken. Er sitzt dem "Gemeinsamen Bundesausschuss", kurz G-BA, vor; ein Gremium, das den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen festlegt.
"Wir haben bei den Onkologika eine Marktrücknahmeentscheidung noch nicht gehabt, weil wir hier auch sehr teure, zweckmäßige Vergleichstherapien haben, die immer der Maßstab für die Preisbildung sind. Und wenn derjenige, mit dem ich verglichen werde, schon Kosten von 100.000 Euro Jahrestherapiekosten hat, dann kann ich mit diesen 100.000 Euro auch gut leben."
Bei den personalisierten Arzneimitteln kommt hinzu, dass es keine verlässlichen Daten oder Statistiken gibt.
"Wir haben die Situation, dass wir bei den Studien, die heute im onkologischen Bereich vorgelegt werden, keine belastbaren Daten zu Lebensqualität haben, weil wir sehr häufig in diesen Fällen eben sehr kleine Patientengruppen haben, denen es sehr schlecht geht. Sodass es schwierig ist objektiv zu messen, wie ist die Lebensqualität. Weil Lebensqualität immer auch eine Reflexion seitens des Patienten erfordert, der sich äußern muss, das aber in vielen Fällen nicht kann. Und deshalb haben wir in vielen Fällen und schweren Erkrankungen nur das Kriterium der Mortalität, also wie lange lebt er mit dem Medikament, wie lange lebt er ohne das Medikament."
Nutzen für Patienten muss im Mittelpunkt stehen
Ein Dilemma, das man nach Ansicht von Professor Ludwig beheben könnte. Der Berliner Onkologe hält es für dringend erforderlich, dass sowohl vor als auch nach der Zulassung eines neuen Medikaments unabhängige Studien erstellt werden:
"Aus meinem Blickwinkel besteht eine Disbalance zwischen Grundlagenforschung und unabhängig finanzierter klinischer Forschung. Die Studien im Rahmen der Zulassung werden von den pharmazeutischen Unternehmen finanziert, danach gibt es viel zu wenig Geld für die Versorgungsforschung. Ich denke, es ist extrem wichtig, dass wir nicht nur Grundlagenforschung, sondern auch die klinische Forschung fördern. Dass der Nutzen, der im Rahmen dieser Studien nachgewiesen wird, auch für den Patienten relevant ist, dass wir nicht eine Arithmetik machen mit einer Verlängerung von wenigen Wochen, die für den Patienten möglicherweise einen verlängerten Krankenhausaufenthalt bedeuten."
Dabei ist die Frage, wie jemand mit der Behandlung lebt von erheblicher Bedeutung. Denn dass die neuartigen Krebsmittel nebenwirkungsfrei sind, hat sich als falsch erwiesen. Der Lungenkrebs-Wirkstoff Erlotinib greift vor allem die Haut an. "Rash" heißt das auftretende Phänomen. Die Kölner Ärztin Engel-Riedel erklärt die Nebenwirkungen:
"Das sieht so aus wie eine schlimme Akne. Die Haut wird wahnsinnig trocken, Mundschleimhaut, gerade auch junge Frauen, die klagen über Scheidentrockenheit. Man hat so Rhagaden an den Fingerspitzen, das reißt so auf, dann kann man so etwas bekommen wie so Nagelbettentzündung. Dann eitert das an den Nägeln. Dann bekommt man ganz, ganz seltsame Haare, strohige Haare, ganz dicke Augenbrauen, ganz lange Wimpern, dass man die sogar schneiden muss."
Heilung können Ärzte nicht versprechen
Positiv für die Patienten sei allerdings, dass es keine Veränderung im Blutbild gibt. Somit leide das Immunsystem nicht so, wie es bei einer konventionellen Chemotherapie der Fall ist. Dr. Engel-Riedel hat auch mit den Kosten von 3.000 Euro pro Monat für Erlotinib keine Probleme. Im Vergleich zu einer Chemotherapie sei diese Behandlung sogar günstiger, sagt sie. Sie ist froh, wenn sie ihren Patienten eins der neuen Medikamente anbieten kann. Heilung aber kann die Ärztin ihnen nicht versprechen. Der Moment, vor dem auch sie sich am meisten fürchtet, wird kommen: Der Moment, wenn der Tumor wieder angefangen hat zu wachsen.
"Ich habe schon Angst vor dem Zeitpunkt, wenn es soweit ist. Es ist für uns immer ein totaler, totales… ist die Hölle, wenn die kommen, und es ist wieder ein Progress, gerade so junge Leute … das fühlt sich an - stimmt - wie eine Niederlage!"
Natürlich bekommen in der Kölner Lungenklinik nur die Patienten das personalisierte Arzneimittel, deren Tumor die entsprechende Mutation aufweist. Was aus medizinischer Sicht logisch klingt, ist für Professor Jürgen Windeler eine schwierige Situation. Er leitet das unabhängige Wissenschaftliche Institut IQUWIG, Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.
"Die offene Frage, die immer noch bleibt und die wir auch nicht beantworten können mit den Daten, die wir üblicherweise bekommen, ist es richtig, dass die Patienten, die den Biomarker nicht haben, mangels Erfolgsaussichten das Medikament auch nicht kriegen sollen?"
Für Professor Windeler ist das eine ethische Frage. Aber auch eine molekularbiologische. Tumore verändern sich, sagt er. Deshalb könne es durchaus sein…
"… dass ein Tumor, der aus einer bestimmten Mischpopulation am Anfang besteht und wo die Zellen, bei denen dieses Medikament wirken könnte, nur ziemlich wenige sind, sich auf die Dauer, auch aufgrund von anderen chemotherapeutischen Therapien zu einem Tumor wandelt, wo diese Population, die auf das Tumormittel ansprechen würde, einen größeren Anteil hat."
Pharmaindustrie soll mehr leisten
Es gebe nämlich nachweislich Patienten, die von einem Medikament profitierten, obwohl ihr Tumor nicht auf den Biomarker reagiert. Außerdem gebe es Biomarker, die keine eindeutigen Ergebnisse liefern. Als Leiter eines Instituts, das die Vor- und Nachteile medizinischer Leistungen objektiv prüfen soll, hält er das für ausgesprochen unbefriedigend. Seiner Meinung nach müsse die Pharmaindustrie hier mehr leisten. Auch Wolf-Dieter Ludwig glaubt, dass Patienten, deren Tumor nicht auf den Biomarker reagiert, ebenso von den neuen Arzneimitteln profitieren könnten - zumindest eher als von einer Chemotherapie. Diese Möglichkeit aber würde in den Studien, so wie die Hersteller sie augenblicklich durchführen, viel zu selten berücksichtigt.
"Weil die Industrie natürlich das Interesse hat, diese Mittel so schnell wie möglich zugelassen zu bekommen und das mit Studiendesigns, die nur einen gewissen Zeitraum abdecken, sodass wir eigentlich schon seit langer Zeit fordern, dass weitere unabhängige Forschung nach der Zulassung stattfindet, sodass wir dann möglicherweise auch andere Untergruppen identifizieren, die durchaus auch von den neuen Wirkstoffen profitieren könnten, die aber im Rahmen der Zulassungsstudien gar nicht untersucht wurden."
Es ist aber immer noch so, dass es zu wenige unabhängige Studien gibt und in der Regel die der Pharmaindustrie Grundlage dafür sind, ob ein neues Krebsmittel zugelassen wird. Dabei geben die Firmen natürlich nur ihre erfolgreichen Untersuchungen an. Wie viele Studien sie insgesamt durchgeführt und welche sie erfolglos abgebrochen haben, dürfen sie verschweigen. Ein Unding, sagt Josef Hecken, Chef des "Gemeinsamen Bundesausschuss" G-BA.
Jedes Jahr weltweit 14 Millionen Krebserkrankungen
"Das ist eine Frage, die der Gesetzgeber regeln müsste. Es gibt in anderen Staaten die Verpflichtung, dass pharmazeutische Unternehmer zumindest anzeigen, welche Studien sie machen und welche Studien sie abbrechen, sodass man zumindest einen Anhaltspunkt hat, wenn eine Studie läuft."
Weltweit erkranken pro Jahr 14 Millionen Menschen an Krebs. Bis zum Jahr 2030 wird sich die Zahl verdoppeln, sagt die WHO. Ein Drittel aller in Europa und Amerika zugelassenen Wirkstoffe dient der Krebsbehandlung. Kein Wunder, dass für die Arzneimittelhersteller die personalisierte Medizin von großem Interesse ist. Denn obwohl diese Medikamente nur für kleine Patientengruppen entwickelt werden, erzielen sie enorme Gewinne. Beim Kampf gegen Krebs ist jedoch das größte Problem noch lange nicht gelöst: die extreme Heterogenität der Tumorzellen. Das heißt: Eine Tumorzelle besteht aus vielen verschiedenen Elementen, und sie verändert sich ständig. Darum nutzt es langfristig wenig, nur an einer Schraube zu drehen. Wenn man ein zerstörerisches Element blockiert, tut sich schnell ein anderes auf. Der tödlichen Kraft des vielseitigen und wandlungsfähigen Tumors ist so nicht beizukommen. Auch Professor Ludwig hofft auf bessere Forschungsergebnisse. Und darauf, dass man in Zukunft vielleicht unterschiedliche Wirkstoffe kombinieren kann, um den Tumor noch wirksamer zu bekämpfen. Der Krebsspezialist fürchtet aber dadurch noch mehr Nebenwirkungen für die Patienten. Und er fürchtet eine weitere Kostensteigerung. Um die eher marginalen Erfolge dieser personalisierten Medizin wissend, überwiegen bei ihm die Zweifel.
"Wir haben bisher sehr wenige Beweise, dass wir durch ein derartiges individualisiertes, auf genetischen Merkmalen basierendes Vorgehen einen großen Nutzen erreichen. Und wir müssen sowohl im Bereich der Forschung als auch im Bereich der Therapiekosten uns überlegen, ob diese Verteilung der Mittel gerecht ist."
Überlegungen, die für Patienten wie Monika Schmitt völlig irrelevant sind. Denn solange das Mittel wirkt und die Nebenwirkungen aushaltbar sind, zählt nur eins: Sie können leben. Vielleicht auch länger als ärztliche Prognosen es behaupten:
"Mir geht es körperlich gut, von der Psyche auch. Ich bin schon stabil, und von daher denke ich nicht ständig daran, dass ich jetzt bald sterben soll. Das vergesse ich einfach."