Stefan Römermann: Mettwurst, Salami, Brühwurst, Knackwurst, feine Bratwurst, grobe Bratwurst, Wiener Wurst, Frankfurter Würstchen, Leberwurst, Teewurst, und das ist erst der Anfang. Es ist schon unglaublich, was für Wurstspezialitäten die deutschen Metzger so alles in der Theke haben. Doch eine aktuelle Meldung könnte den Kunden jetzt womöglich den Appetit verderben. Verarbeitetes Fleisch ist nach Einschätzung der Internationalen Krebsforschungsagentur krebserregend. Wer also zum Beispiel regelmäßig Wurst isst, hat dementsprechend ein höheres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Über die Studie spreche ich jetzt mit dem Ernährungswissenschaftler Gerhard Rechkemmer vom Max-Rubner-Institut in Karlsruhe. Das ist ein Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel. Herr Rechkemmer, kommt bei Ihnen denn jetzt überhaupt noch Wurst auf den Tisch?
Gerhard Rechkemmer: Bei mir kommt noch Wurst auf den Tisch.
Römermann: Völlig ohne Bedenken?
Rechkemmer: Ohne Bedenken, denn die Menge macht's, was letztendlich dazu führt, dass eben das Krebsrisiko erhöht sein kann. Und diese Daten, die sind eigentlich älteren Datums schon. Das ist seit längerem bekannt in mehreren internationalen Studien. Was neu ist, ist jetzt die Einstufung von verarbeiteten Wurstwaren in eine hohe Risikostufe für Krebsentstehung und die Einordnung von rotem Fleisch in eine etwas niedrigere Krebsrisikostufe.
Römermann: Vielleicht gehen wir da noch mal ganz kurz vor. Was hat jetzt diese Internationale Krebsforschungsagentur genau gemacht? Wovor warnt sie genau?
800 Studien bewertet
Rechkemmer: Die Internationale Agentur für Krebsforschung hat 800 Studien herangezogen und hat diese noch mal überprüft und bewertet. Und die Bewertung, die dort stattgefunden hat, hat dann letztendlich zu der Eingruppierung, die ich gerade schon genannt hatte, geführt, dass verarbeitete Wurstwaren als Karzinogene klassifiziert worden sind.
Römermann: Also krebserregend?
Rechkemmer: Krebserregend. ..., und dass rotes Fleisch als wahrscheinlich krebserregend eingestuft worden ist.
Römermann: Wie groß ist da das Risiko? Ist das ein bisschen so, wie wenn ich Zigaretten rauche? Muss ich mir da jetzt ungefähr genauso viele Sorgen machen?
Rechkemmer: Nein! Das Risiko wird auch von der Internationalen Krebsforschungsagentur nicht so eingeschätzt, dass ein ähnlich hohes Risiko für Lungenkrebs wie beim Rauchen besteht. Aber es ist schon so, dass eine Erhöhung oder eine hohe Aufnahme, ein hoher Verzehr von solchen Fleisch- und Wurstwaren dazu beitragen kann, insbesondere das Dickdarmkrebs-Risiko zu erhöhen.
Dickdarmkrebs bei Männern an zweiter Stelle der Statistik
Römermann: Das Risiko von Darmkrebs erhöht sich durchaus merklich. Aber wie häufig ist denn dieser Krebs tatsächlich? Ist das etwas, was sehr oft vorkommt?
Rechkemmer: Der Dickdarmkrebs ist in Deutschland bei den Männern nach dem Lungenkrebs nach wie vor an zweiter Stelle der Krebsstatistik. Also es ist schon eine Krebsform, die relativ häufig vorkommt. Wenn man es aber prozentual auf die Gesamtbevölkerung bezieht, dann sind das etwa drei Prozent. Und durch einen sehr hohen Konsum kommt es zu einer Risikoerhöhung für diese Krebsform.
Römermann: Teilen Sie denn jetzt diese Einschätzung der Krebsforschungsagentur, oder ist das alles alarmistisch und völlig übertrieben?
Rechkemmer: Ich teile schon die Einstufung, denn wie gesagt: Auch in früheren Studien ist darauf hingewiesen worden, und auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt ja nun einen moderaten Fleisch- und Wurstverzehr seit vielen Jahren vor dem Hintergrund dieses Risikos.
Römermann: Sollte ich denn jetzt vielleicht auch komplett auf Fleisch verzichten? Es gibt ja gerade diesen Trend zu veganer Ernährung. Wäre das vielleicht die Lösung an der Stelle?
Rechkemmer: Ich glaube nicht, dass das im Moment eine Lösung sein kann, denn über die veganen Wurstersatzprodukte wissen wir noch wesentlich weniger, als wir das über die konventionell erzeugten Wurstwaren bisher wissen. Wir wissen nicht, inwieweit eine Umstellung der Ernährung auf diese Art von Produkten sich auswirkt auf unsere Gesundheit.
"Etwas weniger Fleisch essen"
Römermann: Wenn wir es auf den Punkt bringen: Was, würden Sie kurz sagen, wären die Lehren aus dieser Meldung?
Rechkemmer: Etwas weniger Fleisch zu essen und das insbesondere für den deutschen Mann, denn in unserer nationalen Verzehrstudie haben wir ja festgestellt, dass gerade Männer etwa doppelt so viel Fleisch- und Wurstwaren konsumieren wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Insbesondere für Männer würde das bedeuten, den Fleisch- und Wurstverzehr etwas zu reduzieren.
Römermann: Wie gefährlich ist Fleischkonsum wirklich? Das waren Antworten vom Ernährungswissenschaftler Gerhard Rechkemmer vom Max-Rubner-Institut in Karlsruhe. Vielen Dank für das Gespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.