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Kreditverbriefungen
Wunderwaffe oder Teufelswerk?

Obwohl die Zinsen auf einem Rekordtief sind, haben kleine Unternehmen in Europa Probleme, an Kredite zu kommen. Nun überlegen die Notenbanker bei der EZB, Kreditverbriefungen in der EU zu erlauben und entfachen damit eine kontroverse Diskussion.

Von Michael Braun |
    Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), äußert sich am 05.06.2014 während der EZB-Pressekonferenz in Frankfurt am Main (Hessen) vor Journalisten.
    Mario Draghi erläutert vor Journalisten die Entscheidungen der EZB. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Jetzt stehen die Leitzinsen auf Rekordtief bei 0,15 Prozent. Aber das viele billige Geld, fließt nicht dahin, wo es die Europäische Zentralbank hinlotsen will. Die jüngsten Zahlen zur Kreditvergabe waren ernüchternd. Insgesamt vergaben die Geldhäuser im Mai zwei Prozent weniger Darlehen als im Vorjahresmonat. Dass die EZB mit der Zinspolitik allein nicht vorankommt, spricht sich herum. Reinhard Cluse, Chefvolkswirt der UBS Europa, meint sogar, dass sie an der falschen Stelle ansetzt. Er hat beobachtet,...
    "..., dass die EZB-Geldpolitik insbesondere im Kern von Europa, der gesund ist, wirkt, wohingegen die lockere Geldpolitik in der Peripherie, also in den südeuropäischen Staaten, wo vieles noch im Argen liegt, weniger gut ankommt. Das hat damit zu tun, dass viele Banken in diesen Ländern nach wie vor mit ihren eigenen Problemen kämpfen und auch dem Kreditrisiko, das insbesondere kleine und mittlere Unternehmen darstellen, nicht trauen."
    Sie fürchten das Risiko, der Kreditnehmer bekomme die Kurve nicht und zahle den Kredit nicht. Will sie die Kreditvergabe der Banken anregen, muss die EZB ihnen also die Risiken abnehmen. Eine Methode sind sogenannte Kreditverbriefungen. So könnten vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen an Kredit kommen, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch im Deutschlandfunk:
    "Für solche Unternehmen, die noch immer keinen Zugang zum Kapitalmarkt haben, wie KMUs, also kleine und mittlere Unternehmen, wäre es von Vorteil, wenn wir Verbriefungen vorantreiben könnten, die transparent und einfach sind und in der Krise bewiesen haben, dass sie kein Ausfallrisiko darstellen und diese dann auch dazu benützen würden, dass die Banken diese Kredite, die sie an kleine und mittlere Betriebe gegeben haben, bündeln könnten und aus ihrer Bilanz herausnehmen könnten."
    Banken sehnen sich Kreditverbriefungen herbei
    Das System funktioniert so: Weiterhin vergeben die Banken die Kredite. Das Geld dafür entnehmen sie aber nicht den Sparkonten ihrer Sparkunden und erst recht nicht ihrem Eigenkapital. Nein: Sie fassen mehrere Kredite zu einer großen Summe zusammen, fertigen aus dieser Summe ein Wertpapier, verbriefen also die Kredite, und verkaufen diese Wertpapiere an Anleger. Denen dienen die Zins- und Tilgungsverpflichtungen der Kreditnehmer als Sicherheit. In der Fachsprache heißen diese Kreditverbriefungen Asset Backed Securities, oder ABS. Aus der Finanzkrise sind sie als Teufelszeug, als Brandbeschleuniger bekannt, weil vor allem amerikanische Banken mit diesen Papieren hochriskante und schließlich geplatzte Immobilienkredite refinanziert hatten. Wegen seines schlechten Rufs müsse das Instrument aber nicht schlecht sein, meinte Mersch. Amerikanische und europäische Verbriefungen seien nicht miteinander zu vergleichen:
    "Das ist, wie wenn man die Ausfallrate von Versicherungen bei Überschwemmungen von einer Stadt wie New Orleans übersetzen würde auf eine Stadt, die mitten im Zentrum des Kontinents liegt, sagen wir mal wie Frankfurt."
    Banken sehnen sich solche Verbriefungen herbei, die Autobanken etwa, die sich jüngst beklagten, die Bankenaufsicht behandele jedoch alle ABS-Papiere gleich, seien sie nun mit Immobilien- oder mit Autokrediten besichert. Das, so Klaus Bentz, ein Sprecher des Arbeitskreises Autobanken, gehe nicht an:
    "Eine solche Gleichbehandlung von Verbriefungssegmenten ungeachtet ihrer Qualität führt allerdings dazu, dass Auto-ABS unattraktiver für Investoren werden – und die Refinanzierung für die Autobanken somit erschwert wird."
    Mit der EZB im Rücken scheint die Lobbyarbeit der Banken bei der Bankenaufsicht zu fruchten. Es sei Bewegung in die Diskussion gekommen, hört man. Ein entscheidender Grund dürfte sein: Die EZB bietet an, den Banken die Kreditrisiken abzunehmen. Sie bietet an, die ABS-Papiere zu kaufen. Das könnte heute beschlossen werden.