Daß Istanbul ein heißes Pflaster ist, ein Hot Spot, wird wohl niemand bestreiten, der sich derzeit in der Nähe des Gezi-Parks aufhält. Aber als die Kuratorin Dorothea Strauss die Ausstellung plante, dachte noch niemand daran, dass sich eine Volksbewegung gegen die Regierung Erdogan entwickeln könnte. Man wollte, übrigens ohne jede Unterstützung türkischer Stellen, Istanbul als Produktionsort abstrakter Kunst vorstellen, der, wie die Ausstellung zeigt, spätestens seit den 1940er-Jahren mit Westeuropa enge Verbindung hält.
Nun aber ist alles anders: Der Künstler Can Altay hat in den größten Ausstellungsraum diagonal eine begehbare Installation hineingebaut, wie ein hohes Schiff mit Treppen und Fenstern, aber streng geometrisch. Dort wird mit zahlreichen Werken eine Verbindung hergestellt zwischen den Züricher konkreten Künstlern und ihren türkischen Kollegen - und auf der Außenwand steht eine Sympathieerklärung für die Demonstranten am Gezi-Park. Wenigstens das wollen die türkischen Gäste für die Daheimgebliebenen tun: Solidarität bekunden.
Dass es so etwas wie eine türkische Abstraktion gibt, ist bei uns kaum bekannt. Dabei war der zeitweise in Paris lebende Nejad Melih Devrim schon Mitte der 1950er-Jahre mit abstrakten Kompositionen durchaus erfolgreich, und von seiner Mutter, der Malerin Fahrelnissa Zeid, sieht man einige wunderbare Farbhalluzinationen aus den 1940er-Jahren, die teilweise wie eine Vorwegnahme später Richter-Bilder wirken. Mark Rothko muß in der türkischen Szene so etwas wie ein Heiliger sein – einige Künstler der älteren Generation, wie etwa der großartige Mübin Orhon mit seinen monochrom changierenden Farbwänden in den 1970er-Jahren, sind deutlich unter seinem Einfluß.
In Zürich werden diese historischen Positionen kurz vorgezeigt; es geht aber vor allem um die junge, die heutige Szene, um Minimalismus und Konzeptualismus. Zwei Künstler werden von der Schau besonders herausgestellt: der zeitweise in Berlin lebende Ekrem Yalcindag mit seinen kreisrunden Farbkompositionen und die in Istanbul arbeitende Dekonstruktivistin Ebru Uygun. Der sich als Konzeptkünstler verstehende Yalcindag sammelt im Alltag Farb-Impressionen – auf der Straße, im Cafe, im Supermarkt. Er sucht nicht, er findet. Was ihn anzieht, wird notiert. Er fotografiert und legt Farb-Vokabulare an, die er dann, in ausgetüftelten Kombinationen, von seinen Mitarbeiterinnen mit einer speziellen Technik zu sogenannten Tondi, ringartigen, runden, sogartig wirkenden Farbmustern auftragen läßt. Natürlich erinnern diese verfremdeten Zielscheiben, im weitesten Sinne, an Jasper Johns. Yalcindag nennt als Einflüsse Frank Stella und Sol LeWitt; aber die erste reine Farb-Scheibe stammt von Robert Delaunay, der schon 1913 ein "Disque simultané" malte.
Die 39-jährige Ebru Uygun dagegen zerreißt bereits fertig bemalte Leinwände zu Streifen und collagiert diese Fragmente zu neuen, abstrakten Werken auf Keilrahmen, wobei unklar bleibt, was die zuvor bemalten Bilder darstellten – oder ob sie etwas darstellten. Manchmal wirken die Streifen wie Verbandsmull, die Werke selber wie Schichtungen einer in Auflösung begriffenen Kunstgeschichte. In Zürich hat Ebru Uygun erstmals zwei gegenüberliegende Wände mit dieser Technik bespielt, die eine in Schwarz, die andere in Weiß, was durchaus eine bedrohliche Raumwirkung entfaltet.
Es lassen sich in dieser Ausstellung viele Entdeckungen machen: Arslan Sükan transformiert auf seinen C-Prints die Säle des "Haus Konstruktiv" in leere, virtuelle Räume. Erdem Tasdelen versieht Liebesbriefe mit kritischen Kommentaren und zerhackt in einer Sound-Installation Kylie-Minogue-Songs zu kurzen Phrasen, die vom Besucher per Bewegungsmelder ausgelöst werden. Die auf der Flucht vor den Nazis in Istanbul aufgewachsene und dann in die Schweiz weiteremigrierte Renée Levi schafft sich in einem gestischen Malakt blaue Buchstaben als Heimat, in denen der Name Istanbul aufscheint. Und ein Künstler namens Saki malt auf einem Video einen extrem reduzierten Kopf und drückt dem dann blutrot auslaufende Farbe in die Stirn.
Das Video stammt zwar aus dem Jahr 1998, aber es heute aktueller denn je.
Nun aber ist alles anders: Der Künstler Can Altay hat in den größten Ausstellungsraum diagonal eine begehbare Installation hineingebaut, wie ein hohes Schiff mit Treppen und Fenstern, aber streng geometrisch. Dort wird mit zahlreichen Werken eine Verbindung hergestellt zwischen den Züricher konkreten Künstlern und ihren türkischen Kollegen - und auf der Außenwand steht eine Sympathieerklärung für die Demonstranten am Gezi-Park. Wenigstens das wollen die türkischen Gäste für die Daheimgebliebenen tun: Solidarität bekunden.
Dass es so etwas wie eine türkische Abstraktion gibt, ist bei uns kaum bekannt. Dabei war der zeitweise in Paris lebende Nejad Melih Devrim schon Mitte der 1950er-Jahre mit abstrakten Kompositionen durchaus erfolgreich, und von seiner Mutter, der Malerin Fahrelnissa Zeid, sieht man einige wunderbare Farbhalluzinationen aus den 1940er-Jahren, die teilweise wie eine Vorwegnahme später Richter-Bilder wirken. Mark Rothko muß in der türkischen Szene so etwas wie ein Heiliger sein – einige Künstler der älteren Generation, wie etwa der großartige Mübin Orhon mit seinen monochrom changierenden Farbwänden in den 1970er-Jahren, sind deutlich unter seinem Einfluß.
In Zürich werden diese historischen Positionen kurz vorgezeigt; es geht aber vor allem um die junge, die heutige Szene, um Minimalismus und Konzeptualismus. Zwei Künstler werden von der Schau besonders herausgestellt: der zeitweise in Berlin lebende Ekrem Yalcindag mit seinen kreisrunden Farbkompositionen und die in Istanbul arbeitende Dekonstruktivistin Ebru Uygun. Der sich als Konzeptkünstler verstehende Yalcindag sammelt im Alltag Farb-Impressionen – auf der Straße, im Cafe, im Supermarkt. Er sucht nicht, er findet. Was ihn anzieht, wird notiert. Er fotografiert und legt Farb-Vokabulare an, die er dann, in ausgetüftelten Kombinationen, von seinen Mitarbeiterinnen mit einer speziellen Technik zu sogenannten Tondi, ringartigen, runden, sogartig wirkenden Farbmustern auftragen läßt. Natürlich erinnern diese verfremdeten Zielscheiben, im weitesten Sinne, an Jasper Johns. Yalcindag nennt als Einflüsse Frank Stella und Sol LeWitt; aber die erste reine Farb-Scheibe stammt von Robert Delaunay, der schon 1913 ein "Disque simultané" malte.
Die 39-jährige Ebru Uygun dagegen zerreißt bereits fertig bemalte Leinwände zu Streifen und collagiert diese Fragmente zu neuen, abstrakten Werken auf Keilrahmen, wobei unklar bleibt, was die zuvor bemalten Bilder darstellten – oder ob sie etwas darstellten. Manchmal wirken die Streifen wie Verbandsmull, die Werke selber wie Schichtungen einer in Auflösung begriffenen Kunstgeschichte. In Zürich hat Ebru Uygun erstmals zwei gegenüberliegende Wände mit dieser Technik bespielt, die eine in Schwarz, die andere in Weiß, was durchaus eine bedrohliche Raumwirkung entfaltet.
Es lassen sich in dieser Ausstellung viele Entdeckungen machen: Arslan Sükan transformiert auf seinen C-Prints die Säle des "Haus Konstruktiv" in leere, virtuelle Räume. Erdem Tasdelen versieht Liebesbriefe mit kritischen Kommentaren und zerhackt in einer Sound-Installation Kylie-Minogue-Songs zu kurzen Phrasen, die vom Besucher per Bewegungsmelder ausgelöst werden. Die auf der Flucht vor den Nazis in Istanbul aufgewachsene und dann in die Schweiz weiteremigrierte Renée Levi schafft sich in einem gestischen Malakt blaue Buchstaben als Heimat, in denen der Name Istanbul aufscheint. Und ein Künstler namens Saki malt auf einem Video einen extrem reduzierten Kopf und drückt dem dann blutrot auslaufende Farbe in die Stirn.
Das Video stammt zwar aus dem Jahr 1998, aber es heute aktueller denn je.