Ein ganz gewöhnlicher Wochentag auf dem städtischen Friedhof von Piläa, einem östlichen Vorort von Thessaloniki. Pater Stephanos hat viel zu tun. Drei Bestattungen hat er an diesem Vormittag. Und der Platz wird immer knapper. Der größte Friedhof Thessalonikis droht aus allen Nähten zu platzen.
Totengräber steigen über alte Gräber, um ein neues Grab frei zu legen. Platz zwischen den Gräbern gibt es kaum noch. Eine unzumutbare Situation, glaubt Bürgermeister Jiannis Boutaris, der seit Jahren für den Bau eines Krematoriums kämpft. Er steht damit nicht allein. Sein Athener Amtskollege, Jiorgos Kaminis, hat ihm seine Unterstützung zugesagt: Die Situation auf den Friedhöfen Athens sieht nicht viel besser aus.
Doch die Bürgermeister der beiden größten Städte des Landes stoßen bei ihren Ideen mit den Vorstellungen der griechisch-orthodoxen Kirche zusammen. Bürgermeister Jiannis Boutaris fordert, dass sich die Kirche endlich bewegt.
"Ich wünsche mir, dass die enge Sicht des Klerus sich weitet. Sie müssen ja nicht alles teilen, aber Toleranz braucht es schon. Ich habe bereits fünf Anträge von Bestattungsinstituten auf meinem Schreibtisch vorliegen, die für den Bau des Krematoriums selbst aufkommen würden."
Die Kirche verweigert ihren Segen
Doch die Ständige Heilige Synode beharrt auf ihrem Standpunkt. Das höchste Gremium der Kirche Griechenlands hat sich gegen den Bau von Krematorien auf städtischen Friedhöfen ausgesprochen. Und fordert, dass die Entscheidung, sich verbrennen zu lassen, von den Betroffenen zu Lebzeiten selbst formuliert werden müsse, und nicht von den Verwandten nach dem Tod des Angehörigen. Einzelne Geistliche, wie Metropolit Anthimos von Alexandroupolis, gehen sogar noch einen Schritt weiter.
"Die Kirche wird auf eine Erdbestattung bestehen. Denn unsere Gläubigen müssen verstehen, dass sich rund um die Beerdigung eine auch spirituelle Kultur entfaltet hat. Wer sie nicht kennt, sollte sie schnell kennen lernen. Jeder Grieche muss einsehen, dass er und seine Familie Wurzeln in diesem Land haben und nicht bloß von Wind hierher geweht worden sind."
Für Verstorbene, die dennoch eingeäschert wurden, verweigert die orthodoxe Kirche des Landes die Totenmesse. Die meisten Gläubigen entscheiden sich auch deshalb bislang für eine Erdbestattung. Auch wenn die Gräber aus Platzgründen inzwischen bereits nach drei Jahren aufgelassen werden können. Für manche eine erschreckende Erfahrung wie die Thessalonikerin Agapi Speridu berichtet.
"Immer öfter werden die Gräber nach drei Jahren bereits aufgelassen. Vor allem wenn man die Grabgebühren nicht pünktlich bezahlt. Man wird als Angehöriger nicht einmal benachrichtigt. Einer Freundin ist es so ergangen. Daher musste sie etwas später mit ansehen, dass ihr toter Vater nochmal in die Erde gelegt wurde. Denn als man sein Grab öffnete, war sein Körper noch nicht ganz verwest."
Zur Einäscherung ins Ausland
Als respektlos empfindet dies auch Evanthia Xrisidu. Dem Wunsch ihres Mannes ist sie nachgekommen und hat ihn erdbestattet. Doch wenn es um sie selbst geht, will sie diese Prozedur ihren Kindern ersparen.
"Ich bin Christin, aber für mich ist die Einäscherung durchaus eine Alternative. Ich habe bereits mit meinem Sohn darüber gesprochen. Wenn es noch kein Krematorium geben sollte, wenn ich sterbe, habe ich ihm erklärt, dann bring mich nach Bulgarien."
Eine gesetzliche Grundlage, die den Bau von Krematorien in Griechenland erlaubt, ist bereits im Juni vom Parlament verabschiedet worden. Das bietet dem Bürgermeister von Thessaloniki jetzt mehr Handlungsspielraum. Noch ist er bemüht, die Traditionalisten in der griechisch-orthodoxen Kirche nicht unnötig zu provozieren. So plädiert er dafür, den Bau des Krematoriums in private Hände zu legen. Die Stadt sei keine Firma, beteuert er. Sie werde nur das Grundstück zur Verfügung stellen. Ein Gelände im Industriegebiet Thessalonikis.
Mit einem Krematorium würde für Bürgermeister Jiannis Boutaris auch ein ganz persönliches Anliegen in Erfüllung gehen. Er selbst musste vor einigen Jahren nach Bulgarien reisen, um den Wunsch seiner verstorbenen Frau zu verwirklichen, eingeäschert zu werden.