"Pseudowahlen" in Russland
Wahlkommission spricht von Rekordergebnis für Putin

In Russland steht Präsident Putin wie erwartet vor einer weiteren Amtszeit. Nach einer von Manipulationsvorwürfen begleiteten Präsidentenwahl sprach die russische Wahlkommission Putin ein Rekordergebnis von vorläufig knapp 88 Prozent der Stimmen zu.

18.03.2024
    Ein Mann hält seinen russischen Pass in der Hand, als er während der Präsidentschaftswahlen in Almaty am 17. März 2024 vor der russischen Botschaft Schlange steht.
    Staatsmedien verkünden Rekordergebnis für Putin - im Westen gibt es viel Kritik an der Präsidentschaftswahl in Russland. (AFP / RUSLAN PRYANIKOV)
    Damit legte Putins Ergebnis um mehr als zehn Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl von 2018 zu. Die Wahlbeteiligung wurde mit über 74 Prozent angegeben - ebenfalls ein Rekord. Bei der Abstimmung über eine fünfte Amtszeit Putins waren keine echten Oppositionskandidaten zugelassen.
    Kritiker zweifeln die Ergebnisse an und weisen darauf hin, dass viele Stimmen für den russischen Staatschef nur durch Repressionen und Zwang erreicht worden seien. "Die für Putin erfundenen Prozentzahlen haben eindeutig nichts mit der Wirklichkeit zu tun", erklärte der enge Vertraute des verstorbenen Kreml-Kritikers Nawalny, Wolkow, im Onlinedienst Telegram.
    Aus den USA hieß es in einer ersten Reaktion des Weißen Hauses, die Wahl sei offensichtlich weder frei noch fair gewesen. Der ukrainische Präsident Selenskyj sagte, "der russische Diktator" habe "eine weitere Wahl simuliert". Polen erklärte, es habe extreme Repressionen gegen die Gesellschaft gegeben, die eine freie und demokratische Wahl unmöglich gemacht hätten.

    Auswärtiges Amt: "Pseudowahlen" - dutzende Festnahmen

    Die Bundesregierung hatte die Abstimmung als "Pseudowahlen" kritisiert. Diese seien weder frei noch fair, und das Ergebnis überrasche niemanden, erklärte das Auswärtige Amt am Sonntagnachmittag in Berlin.
    Im Zusammenhang mit der Wahl gab es in Russland nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen Dutzende Festnahmen. Viele Menschen wollten sich zur Mittagszeit vor ihren Wahllokalen anstellen, um so ihren Unmut über die erwartete Wiederwahl von Präsident Putin zu zeigen. Dazu aufgerufen hatten Oppositionelle, unter ihnen ehemalige Mitarbeiter des gestorbenen Kremlgegners Nawalny.
    Im äußersten Osten Russlands - etwa in Wladiwostok, Nowosibirsk oder Omsk - seien zur Mittagszeit zahlreiche Menschen einem Aufruf gefolgt, sich vor Wahllokalen anzustellen, teilte das Nawalny-Team auf einem Youtube-Kanal mit. Gleichgesinnte könnten sehen, dass es viele Putin-Gegner gebe. Nawalnys Mitstreiter veröffentlichten Fotos und Videoaufnahmen von Menschen, die sich in verschiedenen Städten in der Nähe von Wahllokalen versammelten.

    Proteste in Russland - aber auch in Berlin

    Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, kurz vor der Mittagszeit seien Wähler in das Moskauer Wahllokal geströmt, in dem Nawalny früher seine Stimme abgab. Nawalnys Team rief außerdem dazu auf, Stimmzettel etwa durch das Ankreuzen mehrerer Kandidaten ungültig zu machen. Die russischen Behörden hatten vor Protestaktionen gewarnt und den Menschen mit Anzeigen wegen Extremismus gedroht.
    Auch an russischen Botschaften im Ausland gab es Proteste, etwa in Berlin. Dort nahm Nawalnys Witwe Julia Nawalnaja teil. Sie habe "Nawalny" auf den Stimmzettel geschrieben, sagte Nawalnaja, nachdem sie an der Wahl teilgenommen hatte.
    Sprechchöre forderten in russischer und deutscher Sprache ein Russland ohne Putin. Die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer nach Angaben einer Sprecherin auf rund 800. Direkt nebenan standen demnach rund 2.000 Menschen in einer Schlange vor der Botschaft, um wählen zu gehen.

    Mit Farbe und Feuer gegen Scheinwahl

    Schon seit Beginn der dreitägigen Abstimmung kam es immer wieder zu Protestaktionen. Wie die Zentrale Wahlkommission in Moskau mitteilte, gossen Gegner von Staatschef Putin Farbe in Wahlurnen, um Stimmzettel unbrauchbar zu machen. Außerdem habe es acht Brandstiftungsversuche in Abstimmungslokalen gegeben. Mehrere Personen wurden festgenommen. Der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates, Medwedew, sprach von Verrätern, die den Feinden Russlands Hilfe leisteten.

    Menschen werden zur Stimmabgabe genötigt

    Die Menschenrechtsorganisation Memorial berichtet von zahlreichen Teilnehmern, die zur Stimmabgabe genötigt werden, darunter Beamte und Studierende. Mitgründerin Scherbakowa sagte im Deutschlandfunk, in den besetzten Gebieten in der Ostukraine geschehe dies teilweise sogar mit Waffengewalt.
    Diese Nachricht wurde am 17.03.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.