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"Kremser Hasenjagd" in Österreich
Ein NS-Massaker wird totgeschwiegen

Bei Kriegsende 1945 ließ die SS in Krems mehrere Hundert bereits freigelassene, zumeist politische Gefangene aus der Haftanstalt Stein erschießen - unter Beteiligung der Bevölkerung. Doch die meisten Einheimischen wollen bis heute nichts von der sogenannten "Kremser Hasenjagd" wissen.

Von Antonia Kreppel |
    Ein klassizistischer Gefängnisbau, gelb angestrichen, liegt direkt an einer Straße mit Bäumen gesäumt.
    Eine Mauer des Schweigens umgibt die Justizanstalt Stein, das ehemalige "K.K. Österreichischen Zellengefängnis" bis heute. (imago / Chromorange)
    Hadersdorf am Kamp ist eine Zweitausend-Einwohnergemeinde nahe Krems; ein gemütlicher Weinort mit einem mittelalterlichen Dorfplatz und prächtigen Handelshäusern. Christine Pazderka ist mit ihrem Sohn Gerhard aus Wien angereist, um den Friedhof zu besuchen. Er liegt etwas außerhalb, am Kreisverkehr. Dort steht, im hintersten Winkel ein Gedenkstein.
    "Am 7.April 1945 ermordete an diesem Ort eine SS-Einheit 61 politische Gefangene. Aus der Haftanstalt Stein entlassen waren sie auf dem Weg nach Wien. Niemals vergessen, nie wieder Faschismus. Ja."
    Christine Pazderka streicht über die Schrift auf dem Grabstein. Sie ist die Tochter eines hier an der Friedhofsmauer erschossenen politischen Häftlings. Ihr Vater Alois Westermeier hatte an seinem Arbeitsplatz in einer Waffenfabrik in Wien "Es lebe die Internationale” an die Toilettenwand geschrieben. Dafür wurde er "wegen Vorbereitung zum Hochverrat” zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt.
    Erst 2009 wurde die Gedenktafel angebracht
    Erst 2009 hat Hadersdorf nach vielen Auseinandersetzungen die Gedenktafel anbringen lassen. Der Text auf dem Mahnmal ist umstritten. Die Gemeinde hat das Wort "politische” vor Gefangene bewusst nicht eingravieren lassen. Immer wieder wird es mit roter Farbe aufgepinselt und auch "Nie wieder Faschismus” dazu geschrieben; und immer wieder wird es abgewaschen. Lange Zeit hatte Christine Pazderka vergeblich nach Spuren der Erinnerung an ihren Vater gesucht. Ihr Sohn Gerhard ist Filmemacher und hat einen Dokumentarfilm über "Die Kremser Hasenjagd" und das Massaker in Hadersdorf gedreht.
    "Da es hier keine Erinnerung im Ort gab, haben wir eine virtuelle Gedenkstätte im Internet damals 2005 errichtet, und haben dort zum einen Kurzbiografien der Opfer zusammengefasst und die ganze Geschichte, wie sie sich hier ereignet hat."
    Am 6. April 1945 um die Mittagszeit waren die ersten Freigelassenen in Hadersdorf am Kamp in der Nähe des Bahnhofs eingetroffen. Der Ortsbauernführer alarmierte die Waffen-SS, der Oberlehrer verhaftete die 61 Männer, der Volkssturmleiter bewachte sie im "Gemeindekotter", im kommunalen Gefängnis.
    Die Gemeinde schweigt hartnäckig
    Gerhard Pazderka und seine Mutter verlassen schweigend den Friedhof. Die Sonne brennt vom Himmel. Viele Jahre lang hat die "Virtuelle Gedenkstätte Hadersdorf” jeweils im April eine Gedenkaktion in Hadersdorf veranstaltet. Hochrangige österreichische Bundespolitiker reisten dazu in den kleinen Weinort. An eine Aktion erinnert sich Gerhard Pazderka besonders gut.
    "Damals haben wir auch mit Kreide die Namen der Ermordeten auf dem Weg vom Hauptplatz zum Friedhof geschrieben. Und einen Tag später hat der Bürgermeister von der Feuerwehrjugend diese Namen der Ermordeten wegwaschen lassen, weil er gemeint hat, hier im Ort ist kein Platz dafür."
    Die Hadersdorfer bleiben den Aktionen lieber fern; die Gemeinde schweigt hartnäckig. In ihrem Internetauftritt wird das Massaker mit keinem Wort erwähnt. Die Bürgermeisterin lehnt jeden Kontakt zu den Initiatoren der "Virtuellen Gedenkstätte” ab und gibt keine Interviews.
    "Vor 10 Jahren war dieses Ereignis fast unbekannt, in ganz Österreich"
    "Gemessen an dem, wie sehr dieses Ereignis der Kremser Hasenjagd ja in der Region erlebt wurde: Die Leute sind auch auf der Straße erschossen worden, Tote sind in der Donau getrieben, es war ja ein Ereignis, das eine Bevölkerung in der Wachau zum Teil auch traumatisiert hat. Ja, also gemessen an dem ist die Bereitschaft darüber zu sprechen eine sehr geringe, würd' ich sagen.Vor 10 Jahren, als wir das erste Mal hier waren, war dieses Ereignis fast unbekannt, nicht nur in der Region, sondern in ganz Österreich. Und über die Jahre ist es jetzt eine Geschichte geworden, über die viele Bescheid wissen und an die sich viele erinnern. Und das ist wichtig und das zeigt, dass unsere Arbeit auch nicht umsonst war."