"Mein Lieblingsgericht ist Schweinsfuß mit roten Bohnen."
Frederic:
"Mein Lieblingsgericht, das ist Cabri Massalé. Das ist so Ziege mit Massala, das ist die Gewürze, die meiner Meinung nach am meisten Geschmack hat."
Ihr Mann:
"Fischcurry, weil man das Meer darin schmeckt, und ich mag den Geruch des Meeres. Cabri Massale, weil es unser Traditionsgericht ist - und: Man kann es mit den Fingern essen."
Rolande:
"Krabbencarri - der Geschmack des Meeres!"
Klar. Jeder hat sein Lieblingsgericht auf La Rèunion. Sie sind nicht reich, die 800.000 Einwohner der Insel im Indischen Ozean, die zu Frankreich gehört. Aber Essen und Trinken ist ihnen wichtig - was heißt, dass La Réunion auch unter kulinarischen Gesichtspunkten eine Reise wert ist.
Jeden Samstag ist Markt in St. Pierre. Hier gibt es alles, was auf La Réunion geerntet, geschlachtet, gekocht und gebacken wird. Sirup mit Ingwer, Safran oder Zimt leuchtet in Gläsern, beim Bäcker duftet es nach Baguette, beim Schlachter hängen Schweinsfüße und frisch geräucherte Würste.
Samoussa-Verkäuferin
"Das sind Samoussas. Der Teig ist aus Mehl, Wasser und Salz, gefüllt sind sie mit Zwiebeln, Fleisch, Ingwer oder Chilis, mit Stockfisch, Käse, Krabben oder Gemüse.
"Ich habe hier Palmherzen. Man macht einen Salat daraus, mit einer Vinaigrette. Man kann sie aber auch mit Hühnchen oder mit Schweinefleisch essen."
Eine Kreolin stapelt hellgrünen Chouchou, Gemüse in Form einer knubbeligen Avocado, das nach Rosenkohl schmeckt.
"Chouchou wird das ganze Jahr über in Salazi angebaut. Er wächst an Gerüsten, manchmal ist ein Dach darüber, und man bewässert ihn vorsichtig. Man nimmt ihn Beilage zu Huhn oder Rindfleisch. Man kann aber auch ein Gratin daraus machen, oder ihn einfach als Gemüse in der Pfanne braten."
Es gibt Stände mit Ziegenkäse, Tamarindensaft, kleingehäckselter Jackfrucht und Kräutern gegen viele Wehwehchen. Und natürlich jede Menge Süßes:
"Ich habe hier Kuchen mit Schokolade, Papayamarmelade oder Guavenkonfitüre. Dann gibt es Bananenkuchen, einen Kuchen aus Maismehl und einen aus Maniok und Süßkartoffeln."
Und der Eisverkäufer wirbt für seinen köstlichen Kokosschnee.
Bekannt aber ist La Réunion für ein paar ganz besondere Spezialitäten. Kurkuma ist das wichtigste Gewürz der Insel. Meme Rivière geht in seinem Kurkuma-Haus in Saint-Joseph gerade daran, "die Mütter in Lamellen zu schneiden" - was kein blutiges Schlachtfest ankündigt, sondern das Zerschnipseln einer Pflanzenwurzel in dünne Scheiben meint.
Kurkuma-Mann:
"Die Scheiben werden so acht bis neun Tage auf dem Dach in der Sonne getrocknet. Wenn man sie brechen kann, holen wir sie herunter und mahlen sie zu ganz feinem Pulver. Es gibt hier einige Köche, die Kurkuma anstelle von Safran verwenden. Darum nennt man es auch "Safran des armen Mannes"."
In Saint-Andre zeigt Florineige Rouloff zwischen rankendem Grün in Reih und Glied, wie man Vanilleblüten künstlich befruchtet. Nach der Ernte werden die grünen Schoten drei Minuten in heißes Wasser getaucht, dann in einer Holzkiste mit Decken warmgehalten, damit sie langsam abkühlen.
Aber dies ist erst der Anfang. Es ist ein ungeheuer langwieriges Verfahren, bis sich die peperoniähnlichen grünen Schoten in schwarz schimmernde Kostbarkeiten verwandelt haben.
""Anschließend trocknen sie einen Monat im Schatten und kommen wieder in eine Holzkiste. Darin fermentieren sie einen Monat lang, und erst während dieses Fermentation entsteht das eigentliche Vanillearoma."
Kein Wunder also, dass es fast zwei Jahre dauert, bis aus der befruchteten Blüte eine küchenfertige Vanilleschote geworden ist.
Noch ungewöhnlicher ist der Rohstoff, den Jean-Jaques Euphrosine gerade in seinen zerbeulten Destillierkessel packt: Ganze Berge von Geranienpflanzen der Sorte Pelargonium graveolens. Isabell, seine schöne Frau, erklärt den Prozess:
"Der Destillierkessel fasst 350 bis 400 Kilo Geranien. Wir heizen ihn jeden Morgen mit Akazienholz an, das auf Réunion sehr schnell wächst. Wasser kommt hinein, und darüber schichten wir die Geranienpflanzen. Die dürfen aber nicht ins Wasser hängen, sonst verkochen sie zu Gemüse. Der Dampf steigt auf und löst dann die ätherischen Stoffe aus der Pflanze."
Im Rohr, das aus dem Kessel heraus und durch einen Behälter mit kaltem Wasser führt, kondensiert der Dampf, und unten tropft eine wasserhelle Flüssigkeit in eine Flasche, ein Gemisch aus Wasser und Geraniumöl.
Bis in die 80er-Jahre lebten 2500 Familien von der Geranienproduktion, heute sind es noch knappe 100: Madagaskar und China produzieren einfach billiger. Der Großteil der Geranien-Essenz geht in die Parfümindustrie nach Frankreich. Aber einige Produkte sind auch direkt im Laden der Euphrosines zu haben:
Isabell:
"Wir haben Geraniumöl fürs Bad oder zur Massage. Dann haben wir ein Couli von Geranien, eine dicke Soße, die man gern für Kuchen oder Eis oder Crepes nimmt. Außerdem machen wir Sirup. Den kann man mit Mineralwasser mischen. Man gibt ihn aber auch gern an Obstsalat oder setzt Rum damit an."
Interessante und gute Produkte allein genügen aber nicht. Man braucht auch Könner, die etwas Gelungenes daraus herstellen. Philippe Agesidame ist Küchenchef in einem der großen Hotels. Die Gewürze, meint er, seien das Geheimnis der kreolischen Küche:
"Die wichtigsten Gewürze sind Massala und Kurkuma. Die Combava-Zitrone geben wir an Fischgerichte, Ingwer an Soßen und Suppen. Außerdem verwenden wir eine Vielzahl von Blättern und Wurzeln. Es ist eine Mischung aus ganz verschiedenen Gewürzen, die die verschiedenen Völker hierher gebracht haben: Franzosen, Inder, Afrikaner, Araber und Chinesen."
Und daraus, und aus dem was Markt und Garten bieten, zaubern die Köche und Hausfrauen dann die Spezialitäten von La Réunion. Erzählt Frédéric Magné, der viele Jahre in Frankfurt gelebt hat, und heute auf der Insel Gäste betreut:
"Die typische kreolische Gericht heißt Carri. Die Basis besteht auf Tomatensoße, sehr viel Gewürze, die zusammen angebraten werden, und dann als Beilage bekommen Sie Reis und Bohnen: rote Bohnen, weiße Bohnen, dicke Bohnen, rosa Bohnen. Die Kreolen essen ständig scharf. Aber das ist nicht scharf, was Sie zum Beispiel in Europa finden werden. Wenn ein Kreole Ihnen sagt: Passen Sie auf, nur ein klein Stückchen mit ein Gabel, dann nicht den Held spielen und viel essen, weil da werden Sie echt bereuen."
Claudia und Tobias Kubetzek aus Deutschland, die seit zwei Wochen unterwegs sind, haben vor allem die Carris kennengelernt, die schmackhaften Eintöpfe der Kreolen.
"Wir hatten da Schwertfisch, wir hatten Geflügel, ansonsten noch Hase in Rotweinsoße, so ne Art Blutwurst mit besonderem Gewürz, das an Lebkuchen erinnert, ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber doch erstaunlich gut. Was wir auch erstmalig hier gegessen haben, ist die Chouchou, das ist eine kartoffelähnliche Frucht, die dem Kürbis wohl sehr nahe steht, wird als Gratin gereicht, was sehr lecker ist und teilweise auch als Vorspeise, geraspelt und in Fett gebacken, eine Art Kartoffelpuffer, etwas würziger, aber durchaus auch zu empfehlen."
Dabei haben sie nicht nur in Restaurants gegessen. Oftmals waren sie auch in Familien zu Gast.
"Das Table d`Hotes ist Essen mit der Familie, im übertragenen Sinne. Das gibt's in den kleinen Familienpensionen, wo am Abend entweder, wenn die Pension ein bisschen größer ist, alle Gäste gemeinsam an einem Tisch sitzen, und ein Menü bekommen. Bei den kleiner Pensionen ist es teilweise sogar so, dass wir mit der Familie am Abendbrottisch gesessen haben und gemeinsam gegessen haben. Mit schlummernden Französischkenntnissen aus der Schule kann man sich verständlich machen, und es sind alle sehr bemüht, dass man sich wohlfühlt, und es ist immer eine sehr, sehr herzliche Atmosphäre, wo die Sprachbarriere keine Rolle spielt."
Auch auf La Réunion ist es am schönsten, im Kreise seiner Bewohner zu essen. Seit zehn Jahren kommen die Morgans, die Lebons und die Boyers jeden Sonntagmorgen so gegen elf am Strand von Grand Anse zusammen: Unter Palmen, direkt vor der Brandungslinie, haben sie ihre Campingtische aufgebaut.
"Wir sind eine Familie und treffen uns jedes Wochenende zum Picknick. Jeder bringt dann etwas Eigenes mit: Hier ist ein Carri mit Wurst und klein geschnittener Bananenblüte. Dort haben wir Brot, Polenta, Chouchou, das ist das grüne Gemüse - und da hinten steht noch ein Eintopf mit Schweinsfuß."
Nebenan brutzeln Hähnchen auf dem Grill, Kinder spielen Lego, Erwachsene Scrabble und ein junger Mann singt zur Gitarre - wo ließen sich Lebensfreude und Familiensinn der Insulaner besser kennenlernen?
Ein paar Orte weiter, am Cap Méchant, gönnen sich die Armands heute eine ganz besondere Spezialität, während der Seewind die Plastikfolie um ihre Picknickhütte zaust.
"Bei uns gibt es Igel. Igelragout. Mit Reis und weißen Bohnen und Gurkensalat. Man zerteilt ihn in kleine Stücke und legt ihn über Nacht in Rum ein. Dann brät man ihn mit Zwiebeln und Knoblauch in Öl an und lässt ihn schmoren. Für zehn Personen, wie uns hier, braucht man sieben Igel."
Selber machen, heißt es bei dem Kochkurs, den Elourda Severin in Les Avirons anbietet. Ein Carri mit Huhn steht heute auf dem Speiseplan.
"Heute Morgen haben wir den Hahn schon geschlachtet, jetzt braten wir die einzelnen Stücke in Öl gut an. Dann kommen Zwiebeln dazu, und viel Knoblauch, das ist wichtig für die kreolische Küche."
Während Elourda die Hühnerfüße mit in den Topf gibt, erzählt ihr Mann Yves, ein ehemaliger Polizist, wozu diese noch verwendet werden:
"Solange die Kinder noch keine Zähne haben, gibt man ihnen die Hühnerfüße zum Kauen. Sie wirken wie ein Schnuller und erleichtern das Zahnen."
Während Elourda von der fachgerechten Herstellung einer Blutwurst schwärmt, plagen Yves Befürchtungen, dass es diese Spezialität schon bald nicht mehr geben wird.
"Die Tradition wird wohl leider verloren gehen. Die jungen Leute von heute wissen doch gar nicht mehr, wie man ein Huhn schlachtet. Die kaufen ihr Geflügel tiefgekühlt im Supermarkt, da ist natürlich kein Blut mehr dabei."
Der Kochlehrling schneidet Gemüse und mischt die Thunfischfüllung für die Samoussas. Das Feuer knistert, das Hähnchen brutzelt, es duftet nach Holzrauch in Elourdas Küche, nach heißem Öl und kräftigen Gewürzen. Und ebenso, ganz unverkennbar, nach Gastlichkeit, Geborgenheit und Genuss auf La Réunion.
Frederic:
"Mein Lieblingsgericht, das ist Cabri Massalé. Das ist so Ziege mit Massala, das ist die Gewürze, die meiner Meinung nach am meisten Geschmack hat."
Ihr Mann:
"Fischcurry, weil man das Meer darin schmeckt, und ich mag den Geruch des Meeres. Cabri Massale, weil es unser Traditionsgericht ist - und: Man kann es mit den Fingern essen."
Rolande:
"Krabbencarri - der Geschmack des Meeres!"
Klar. Jeder hat sein Lieblingsgericht auf La Rèunion. Sie sind nicht reich, die 800.000 Einwohner der Insel im Indischen Ozean, die zu Frankreich gehört. Aber Essen und Trinken ist ihnen wichtig - was heißt, dass La Réunion auch unter kulinarischen Gesichtspunkten eine Reise wert ist.
Jeden Samstag ist Markt in St. Pierre. Hier gibt es alles, was auf La Réunion geerntet, geschlachtet, gekocht und gebacken wird. Sirup mit Ingwer, Safran oder Zimt leuchtet in Gläsern, beim Bäcker duftet es nach Baguette, beim Schlachter hängen Schweinsfüße und frisch geräucherte Würste.
Samoussa-Verkäuferin
"Das sind Samoussas. Der Teig ist aus Mehl, Wasser und Salz, gefüllt sind sie mit Zwiebeln, Fleisch, Ingwer oder Chilis, mit Stockfisch, Käse, Krabben oder Gemüse.
"Ich habe hier Palmherzen. Man macht einen Salat daraus, mit einer Vinaigrette. Man kann sie aber auch mit Hühnchen oder mit Schweinefleisch essen."
Eine Kreolin stapelt hellgrünen Chouchou, Gemüse in Form einer knubbeligen Avocado, das nach Rosenkohl schmeckt.
"Chouchou wird das ganze Jahr über in Salazi angebaut. Er wächst an Gerüsten, manchmal ist ein Dach darüber, und man bewässert ihn vorsichtig. Man nimmt ihn Beilage zu Huhn oder Rindfleisch. Man kann aber auch ein Gratin daraus machen, oder ihn einfach als Gemüse in der Pfanne braten."
Es gibt Stände mit Ziegenkäse, Tamarindensaft, kleingehäckselter Jackfrucht und Kräutern gegen viele Wehwehchen. Und natürlich jede Menge Süßes:
"Ich habe hier Kuchen mit Schokolade, Papayamarmelade oder Guavenkonfitüre. Dann gibt es Bananenkuchen, einen Kuchen aus Maismehl und einen aus Maniok und Süßkartoffeln."
Und der Eisverkäufer wirbt für seinen köstlichen Kokosschnee.
Bekannt aber ist La Réunion für ein paar ganz besondere Spezialitäten. Kurkuma ist das wichtigste Gewürz der Insel. Meme Rivière geht in seinem Kurkuma-Haus in Saint-Joseph gerade daran, "die Mütter in Lamellen zu schneiden" - was kein blutiges Schlachtfest ankündigt, sondern das Zerschnipseln einer Pflanzenwurzel in dünne Scheiben meint.
Kurkuma-Mann:
"Die Scheiben werden so acht bis neun Tage auf dem Dach in der Sonne getrocknet. Wenn man sie brechen kann, holen wir sie herunter und mahlen sie zu ganz feinem Pulver. Es gibt hier einige Köche, die Kurkuma anstelle von Safran verwenden. Darum nennt man es auch "Safran des armen Mannes"."
In Saint-Andre zeigt Florineige Rouloff zwischen rankendem Grün in Reih und Glied, wie man Vanilleblüten künstlich befruchtet. Nach der Ernte werden die grünen Schoten drei Minuten in heißes Wasser getaucht, dann in einer Holzkiste mit Decken warmgehalten, damit sie langsam abkühlen.
Aber dies ist erst der Anfang. Es ist ein ungeheuer langwieriges Verfahren, bis sich die peperoniähnlichen grünen Schoten in schwarz schimmernde Kostbarkeiten verwandelt haben.
""Anschließend trocknen sie einen Monat im Schatten und kommen wieder in eine Holzkiste. Darin fermentieren sie einen Monat lang, und erst während dieses Fermentation entsteht das eigentliche Vanillearoma."
Kein Wunder also, dass es fast zwei Jahre dauert, bis aus der befruchteten Blüte eine küchenfertige Vanilleschote geworden ist.
Noch ungewöhnlicher ist der Rohstoff, den Jean-Jaques Euphrosine gerade in seinen zerbeulten Destillierkessel packt: Ganze Berge von Geranienpflanzen der Sorte Pelargonium graveolens. Isabell, seine schöne Frau, erklärt den Prozess:
"Der Destillierkessel fasst 350 bis 400 Kilo Geranien. Wir heizen ihn jeden Morgen mit Akazienholz an, das auf Réunion sehr schnell wächst. Wasser kommt hinein, und darüber schichten wir die Geranienpflanzen. Die dürfen aber nicht ins Wasser hängen, sonst verkochen sie zu Gemüse. Der Dampf steigt auf und löst dann die ätherischen Stoffe aus der Pflanze."
Im Rohr, das aus dem Kessel heraus und durch einen Behälter mit kaltem Wasser führt, kondensiert der Dampf, und unten tropft eine wasserhelle Flüssigkeit in eine Flasche, ein Gemisch aus Wasser und Geraniumöl.
Bis in die 80er-Jahre lebten 2500 Familien von der Geranienproduktion, heute sind es noch knappe 100: Madagaskar und China produzieren einfach billiger. Der Großteil der Geranien-Essenz geht in die Parfümindustrie nach Frankreich. Aber einige Produkte sind auch direkt im Laden der Euphrosines zu haben:
Isabell:
"Wir haben Geraniumöl fürs Bad oder zur Massage. Dann haben wir ein Couli von Geranien, eine dicke Soße, die man gern für Kuchen oder Eis oder Crepes nimmt. Außerdem machen wir Sirup. Den kann man mit Mineralwasser mischen. Man gibt ihn aber auch gern an Obstsalat oder setzt Rum damit an."
Interessante und gute Produkte allein genügen aber nicht. Man braucht auch Könner, die etwas Gelungenes daraus herstellen. Philippe Agesidame ist Küchenchef in einem der großen Hotels. Die Gewürze, meint er, seien das Geheimnis der kreolischen Küche:
"Die wichtigsten Gewürze sind Massala und Kurkuma. Die Combava-Zitrone geben wir an Fischgerichte, Ingwer an Soßen und Suppen. Außerdem verwenden wir eine Vielzahl von Blättern und Wurzeln. Es ist eine Mischung aus ganz verschiedenen Gewürzen, die die verschiedenen Völker hierher gebracht haben: Franzosen, Inder, Afrikaner, Araber und Chinesen."
Und daraus, und aus dem was Markt und Garten bieten, zaubern die Köche und Hausfrauen dann die Spezialitäten von La Réunion. Erzählt Frédéric Magné, der viele Jahre in Frankfurt gelebt hat, und heute auf der Insel Gäste betreut:
"Die typische kreolische Gericht heißt Carri. Die Basis besteht auf Tomatensoße, sehr viel Gewürze, die zusammen angebraten werden, und dann als Beilage bekommen Sie Reis und Bohnen: rote Bohnen, weiße Bohnen, dicke Bohnen, rosa Bohnen. Die Kreolen essen ständig scharf. Aber das ist nicht scharf, was Sie zum Beispiel in Europa finden werden. Wenn ein Kreole Ihnen sagt: Passen Sie auf, nur ein klein Stückchen mit ein Gabel, dann nicht den Held spielen und viel essen, weil da werden Sie echt bereuen."
Claudia und Tobias Kubetzek aus Deutschland, die seit zwei Wochen unterwegs sind, haben vor allem die Carris kennengelernt, die schmackhaften Eintöpfe der Kreolen.
"Wir hatten da Schwertfisch, wir hatten Geflügel, ansonsten noch Hase in Rotweinsoße, so ne Art Blutwurst mit besonderem Gewürz, das an Lebkuchen erinnert, ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber doch erstaunlich gut. Was wir auch erstmalig hier gegessen haben, ist die Chouchou, das ist eine kartoffelähnliche Frucht, die dem Kürbis wohl sehr nahe steht, wird als Gratin gereicht, was sehr lecker ist und teilweise auch als Vorspeise, geraspelt und in Fett gebacken, eine Art Kartoffelpuffer, etwas würziger, aber durchaus auch zu empfehlen."
Dabei haben sie nicht nur in Restaurants gegessen. Oftmals waren sie auch in Familien zu Gast.
"Das Table d`Hotes ist Essen mit der Familie, im übertragenen Sinne. Das gibt's in den kleinen Familienpensionen, wo am Abend entweder, wenn die Pension ein bisschen größer ist, alle Gäste gemeinsam an einem Tisch sitzen, und ein Menü bekommen. Bei den kleiner Pensionen ist es teilweise sogar so, dass wir mit der Familie am Abendbrottisch gesessen haben und gemeinsam gegessen haben. Mit schlummernden Französischkenntnissen aus der Schule kann man sich verständlich machen, und es sind alle sehr bemüht, dass man sich wohlfühlt, und es ist immer eine sehr, sehr herzliche Atmosphäre, wo die Sprachbarriere keine Rolle spielt."
Auch auf La Réunion ist es am schönsten, im Kreise seiner Bewohner zu essen. Seit zehn Jahren kommen die Morgans, die Lebons und die Boyers jeden Sonntagmorgen so gegen elf am Strand von Grand Anse zusammen: Unter Palmen, direkt vor der Brandungslinie, haben sie ihre Campingtische aufgebaut.
"Wir sind eine Familie und treffen uns jedes Wochenende zum Picknick. Jeder bringt dann etwas Eigenes mit: Hier ist ein Carri mit Wurst und klein geschnittener Bananenblüte. Dort haben wir Brot, Polenta, Chouchou, das ist das grüne Gemüse - und da hinten steht noch ein Eintopf mit Schweinsfuß."
Nebenan brutzeln Hähnchen auf dem Grill, Kinder spielen Lego, Erwachsene Scrabble und ein junger Mann singt zur Gitarre - wo ließen sich Lebensfreude und Familiensinn der Insulaner besser kennenlernen?
Ein paar Orte weiter, am Cap Méchant, gönnen sich die Armands heute eine ganz besondere Spezialität, während der Seewind die Plastikfolie um ihre Picknickhütte zaust.
"Bei uns gibt es Igel. Igelragout. Mit Reis und weißen Bohnen und Gurkensalat. Man zerteilt ihn in kleine Stücke und legt ihn über Nacht in Rum ein. Dann brät man ihn mit Zwiebeln und Knoblauch in Öl an und lässt ihn schmoren. Für zehn Personen, wie uns hier, braucht man sieben Igel."
Selber machen, heißt es bei dem Kochkurs, den Elourda Severin in Les Avirons anbietet. Ein Carri mit Huhn steht heute auf dem Speiseplan.
"Heute Morgen haben wir den Hahn schon geschlachtet, jetzt braten wir die einzelnen Stücke in Öl gut an. Dann kommen Zwiebeln dazu, und viel Knoblauch, das ist wichtig für die kreolische Küche."
Während Elourda die Hühnerfüße mit in den Topf gibt, erzählt ihr Mann Yves, ein ehemaliger Polizist, wozu diese noch verwendet werden:
"Solange die Kinder noch keine Zähne haben, gibt man ihnen die Hühnerfüße zum Kauen. Sie wirken wie ein Schnuller und erleichtern das Zahnen."
Während Elourda von der fachgerechten Herstellung einer Blutwurst schwärmt, plagen Yves Befürchtungen, dass es diese Spezialität schon bald nicht mehr geben wird.
"Die Tradition wird wohl leider verloren gehen. Die jungen Leute von heute wissen doch gar nicht mehr, wie man ein Huhn schlachtet. Die kaufen ihr Geflügel tiefgekühlt im Supermarkt, da ist natürlich kein Blut mehr dabei."
Der Kochlehrling schneidet Gemüse und mischt die Thunfischfüllung für die Samoussas. Das Feuer knistert, das Hähnchen brutzelt, es duftet nach Holzrauch in Elourdas Küche, nach heißem Öl und kräftigen Gewürzen. Und ebenso, ganz unverkennbar, nach Gastlichkeit, Geborgenheit und Genuss auf La Réunion.