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Kreuzfahrten bleiben beliebt

Die Havarie des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia sei auf Fahrfehler, regelwidriges Verhalten der Offiziere und mangelnde Kontrolle durch die Reederei zurückzuführen, sagt Stefan Jaeger, Präsident der European Cruiser Association. Solch menschliches Versagen könne man nicht unterbinden.

Stefan Jaeger im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Mario Dobovisek: Am Telefon bin ich verbunden mit Stefan Jaeger, er ist Präsident der European Cruiser Association, ein Verein, der sich als Interessenvertreter von Reisenden und Crewmitgliedern auf Kreuzfahrtschiffen versteht. Guten Morgen, Herr Jaeger!

    Stefan Jaeger: Ja, schönen guten Morgen!

    Dobovisek: Vor einem Jahr havarierte also die "Costa Concordia". Beobachten Sie seitdem Vorbehalte bei Passagieren, die auch die Reedereien in ihren Kassen spüren?

    Jaeger: Wir haben kurz nach der Havarie durchaus viele Anfragen von Verbrauchern gehabt, die nachgefragt haben: Wie sicher sind Kreuzfahrten? Kann ich eventuell eine gebuchte Reise wieder absagen, kann ich stornieren? Das hat sich aber, muss man sagen, nach ein, zwei Monaten vollständig gelegt. Auch das, was die Zahlen aussagen, auch des Deutschen Reiseverbandes, da hat sich gezeigt, dass die Kreuzfahrten auch dieses Jahr weiterhin angestiegen sind.

    Dobovisek: Die boomen trotz der Katastrophe also weiter?

    Jaeger: Ja, das ist richtig. Vielleicht ist es auch ein klein bisschen das Ergebnis, dass man sieht, dass ein Schiff mit über 4500 Menschen an Bord havariert und dennoch so wenig - im Verhältnis - passiert.

    Dobovisek: Zu nah an Land und zu schnell, die Verantwortung trägt ja wohl Francesco Schettino, der Kapitän der "Costa Concordia". Sind die Untersuchungen denn inzwischen abgeschlossen?

    Jaeger: Also ganz abgeschlossen sind sie noch nicht, das Verfahren gegen den Kapitän läuft ja auch weiterhin. Wir hatten bereits seinerzeit nach einem Tag die Daten des Schiffes ausgewertet und haben relativ schnell bereits gesagt, dass hier also ganz klar ein Fahrfehler vorliegt. Das Schiff ist mit 16 Knoten auf die Insel frontal im rechten Winkel zugesteuert, und erst kurz vorher ist das Schiff praktisch nach rechts herumgerissen worden. Das ist ein ganz klares, falsches Fahrmanöver und das ist auch ganz klar, was da passiert ist.

    Dobovisek: Was lernen wir aus einem solchen Verhalten?

    Jaeger: Das muss ich bedauerlicherweise so sagen: recht wenig. Denn ob Sie Bus fahren, Taxi fahren oder Schiff fahren, Sie müssen sich auf den Fahrer verlassen. Der muss ordentlich fahren, der muss gewissenhaft mit seinen Möglichkeiten umgehen, und es ist sehr schlecht, wenn Sie da einen haben, der damit unverantwortlich umgeht, so wie hier der Kapitän.

    Dobovisek: Nun gibt es ja die Gerüchte, dass es öfter der Fall gewesen sein soll, solche derartigen Manöver, um eine Insel zu grüßen, wie es hieß, möglicherweise angeordnet auch von der Reederei, die das zwar verneint, aber dennoch steht dieser Vorwurf im Raum. Braucht es also mehr Kontrolle, was solche Fahrverhalten angeht?

    Jaeger: Eindeutig, das haben wir auch schon vertreten. Wir waren auf Einladung der OECD mit beim Round Table bei der ITF 2012, im Mai war das, in Leipzig, und haben ganz klar gesagt, dass hier etwas schiefgelaufen ist. Wenn, was mittlerweile feststeht, mehrfach diese Manöver gefahren worden sind und diese Manöver eindeutig von der normalen Route abweichen, dann ist das der Reederei bekannt, weil diese Daten logischerweise ausgewertet werden können. Also entweder sind die Daten nicht ausgewertet worden - dann ist das ein Fehler -, oder sie wurden ausgewertet und dann hat man es akzeptiert - dann ist auch das ein Fehler. Weil dann muss man ganz klar sagen, so was darf nicht vorkommen.

    Dobovisek: Das heißt, die Reederei kann sich aus der Verantwortung nicht rausreden?

    Jaeger: Das haben wir bereits relativ schnell nach der Havarie schon gesagt, ja.

    Dobovisek: Wer sollte künftig solche Manöver besser kontrollieren, wenn es denn die Reedereien offensichtlich nicht tun?

    Jaeger: Na gut, die Verantwortung liegt natürlich schon in erster Linie bei der Reederei. Man muss halt einfach fragen, warum diese Überprüfung bei der Reederei nicht stattgefunden hat. Ich meine, Costa ist eine sehr große Reederei, die mit zur Carnival gehört, also praktisch der größten der Welt. Und man sollte sich eigentlich schon darauf verlassen können, dass in solchen seriösen Reedereien auch entsprechende Manöver beobachtet werden und entsprechende Kapitäne davon abgehalten werden, so was zu machen.

    Dobovisek: Sie haben vorher erwähnt, dass auch große Schiffe sicher evakuiert werden können. Nun werden die Schiffe aber immer größer, 4000, 5000 Menschen an Bord, 6000 Menschen an Bord, künftig vielleicht sogar bis zu 8000. Wann ist denn eine solche Grenze erreicht, dass wir sagen müssen: Das ist nicht mehr sicher?

    Jaeger: Ja, das ist eine Frage, die in letzter Zeit sehr häufig aufgetaucht ist, aber man muss davon ausgehen, dass natürlich auch Hotels immer größer werden, auch Bürogebäude werden immer größer. Und bei Bürogebäuden habe ich das größere Problem, dass ich unten immer nur eine bestimmte Stellfläche habe, wo alle Leute drüber evakuiert werden müssen. Bei Schiffen ist es so: Wenn sie größer werden, haben sie mehr Ausgänge, mehr Rettungsboote, die angebracht werden können, das heißt, eigentlich potenziert sich nur das, ob Sie ein 1000-Personen-Schiff haben oder 4000-Personen-Schiff. Da sehen wir tatsächlich nicht die wirkliche Gefahr.

    Dobovisek: Aus einem Bürogebäude kann ich einfach herauslaufen, aus einem Schiff fällt das vielleicht nicht ganz so leicht, da brauche ich Hilfe. Was, wenn die Hilfe nicht da ist, wie zum Beispiel beim Unglück der "Costa Concordia", wo die Crewmitglieder zum Teil nicht auf ihren Plätzen waren?

    Jaeger: Ja, das ist richtig, was Sie ansprechen, das war auch ein Problem, dass offenbar hauptsächlich vor allem die Offiziere ihre Plätze verlassen haben. Also die, die Befehlsgewalt haben und auch etwas sagen können. Das ist menschliches Versagen, das können Sie natürlich nie unterbinden. Also man hat relativ viel getan, gerade jetzt in diesem Jahr, auch seitens der Cruise Lines International Association und der IMO, die dafür zuständig sind. Die haben Leitlinien erlassen, die nochmals diese Punkte ansprechen und nochmals bestimmte Sachen auch verbessern sollen auf einem Schiff. Beispielsweise will man, dass bei diesen Notausstiegen, bei diesen Rettungsbooten mehr Rettungswesten liegen, dass die Leute nicht alle erst mal auf ihr Zimmer zurückmüssen, um dort die Rettungsweste zu holen, was natürlich beim großen Schiff nicht gerade angezeigt ist.

    Dobovisek: Fehlt es den Crewmitgliedern an Ausbildung und Training?

    Jaeger: Nein, nicht wirklich, die Crewmitglieder sind ausgebildet. Nur wenn dann im Fall der Havarie wie bei der "Costa Concordia" die entsprechenden Befehlsleute nicht da sind, wo sie hingehören und sogar der Kapitän mit als einer der Ersten von Bord verschwindet, muss man ja sagen, dann nützt die ganze Ausbildung nichts mehr.

    Dobovisek: Aber wie kann man mit Gesetzen gegen eine solche Ballung, sage ich mal oder nenne ich es mal, von menschlichem Versagen vorgehen?

    Jaeger: Entsprechend, indem man die Verantwortlichen zur Rechenschaft zieht, was ja auch bei Schettino passiert im Moment. Er steht vor Gericht, er muss sich dafür verantworten. Das ist letztlich bei allen Unfällen, die passieren, sei es auf dem Wasser oder sei es auf dem Land.

    Dobovisek: Morgen wird es auf der Insel Giglio ja eine Trauerfeier für die Opfer geben, die Reederei Costa Crociere rät aber den Überlebenden der Katastrophe davon ab, dort hinzureisen, so schrieb sie es ihren früheren Passagieren in einem Brief. Was sagt uns das über das Fingerspitzengefühl der Reederei im Umgang mit den Opfern?

    Jaeger: Nun, also es verwundert uns schon ein bisschen, dass die Reederei diese Empfehlung ausgibt. Vielleicht will man einfach einen gewissen Presseauflauf auf der Insel Giglio versuchen zu verhindern, der natürlich wieder Berichterstattung bringt, wieder über Costa berichtet und vielleicht dann doch sich bei den Passagierzahlen, in den Buchungszahlen in den nächsten Monaten zum Ausdruck bringt. Nachvollziehen können wir es nicht. Man sollte es den Opfern doch wirklich selber überlassen, wie sie diesen Trauerfall und diesen Tag begehen wollen, der sicherlich bei vielen Familien große Lücken hinterlassen hat.

    Dobovisek: Haben denn die Angehörigen der Opfer bereits eine Entschädigung erhalten?

    Jaeger: Nach unserem Kenntnisstand haben die Personen, mit denen wir in Verbindung standen, eine Entschädigung erhalten. Aber hundertprozentig wissen wir es nicht. Es sind ja auch noch weitere Punkte offen wie zum Beispiel die Tresore, die im Schiffsrumpf lagern: Die sollten auch noch ausgebaut und den Leuten wieder zur Verfügung gestellt werden.

    Dobovisek: Stefan Jaeger, Präsident des Kreuzfahrervereins European Cruiser Association. Vielen Dank für das Gespräch!

    Jaeger: Ja, danke auch, herzliche Grüße nach Köln!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.