Sie kämpfen sich durch das Gestrüpp, erklimmen Erdwälle, schießen auf einen Checkpoint des Assad-Regimes. Seit mehreren Wochen kontrollieren Mitglieder der syrischen Opposition die Städte Idlib und Dschisr al-Schogur im Nordwesten des Landes. Mit ihrer neu gegründeten, sogenannten "Armee der Eroberung" treiben sie Assad und seine Anhänger in die Enge. Wer genau zu dieser "Armee" gehört, ist nicht ganz klar. Doch seit verschiedene bewaffnete Gruppen unter einem Dach kämpfen – darunter auch der syrische Al-Kaida-Ableger, die islamistische Al-Nusra-Front – melden sie immer wieder Erfolge. Khaled Khoga, Präsident der "Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte" in Istanbul, spricht für einen gemäßigten Teil der Opposition – und formuliert ein klares Ziel:
"Wir wollen einen Rechtsstaat gründen, der den Willen des Volkes respektiert und sich den Menschenrechten verpflichtet; der die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz einhält. Wenn Assad an der Macht bleibt, gibt es keine politische Lösung. Syrien ist nur zu retten, wenn Assad und seine Gefolgsleute abtreten."
Niederlagen für Assad
Genau das will der syrische Präsident verhindern. Assad und seine Anhänger kontrollieren die strategisch wichtige Achse zwischen Damaskus und Aleppo. Um ihre Stellung zu sichern, setzten sie auch Fassbomben ein. Menschenrechtsorganisationen werfen dem Regime Verstöße gegen das Völkerrecht vor.
"Unser Blut, unsere Seele opfern wir für dich", skandieren Assad-Anhänger in Damaskus. Mitglieder der sunnitischen Mittel- und Oberschicht und verschiedener Minderheiten halten weiterhin zu ihm – obwohl der Präsident in den vergangenen Wochen zahlreiche Niederlagen einstecken musste. Nicht nur im Nordwesten des Landes, auch im Süden sind seine Gegner auf dem Vormarsch. Im Osten haben Terroristen des selbst ernannten "Islamischen Staat" in den vergangenen Tagen große Teile des Ortes Al-Suchna nahe der Antikenstadt Palmyra eingenommen. Anfang Mai hat Assad erstmals Rückschläge eingestanden:
"Wir führen einen Krieg und keine Schlacht. Ein Krieg ist etwas anderes als eine Schlacht. Krieg besteht nicht nur aus einer, sondern aus einer Serie von Schlachten (...) und da ist es ganz normal, dass es Fortschritte und Rückschritte, Siege und Niederlagen, Hochs und Tiefs gibt."
Sturz hängt von ausländischen Mächten ab
Für Assad und seine Anhänger gab es in den vergangenen Wochen vor allem Tiefs. Doch daraus können seine Gegner kein Kapital schlagen – obwohl sie Beobachtern zufolge von der Türkei und Saudi-Arabien unterstützt werden. Ein Sturz Assads, meinen viele, werde nicht von den Kämpfern im Land, sondern von ausländischen Mächten abhängen, die im Hintergrund mitmischen. Für Loai Hussein, einem prominenten Gegner Assads, ist der Sturz des Präsidenten der einzige Weg, um Syrien zu befrieden.
"Das Assad-Regime ist nicht in der Lage, sich an einem politischen Prozess zu beteiligen. Wir müssen Syrien vor dem Zerfall und vor den tyrannischen Kräften - zum Beispiel dem Regime, dem Islamischen Staat und anderen - retten."
Viele fürchten bereits, dass das Land auseinanderbricht. Seit Beginn der Kämpfe vor mehr als vier Jahren wurden etwa 220.000 Menschen getötet. Vier Millionen Menschen haben den Vereinten Nationen zufolge Syrien verlassen, weitere sechs Millionen befinden sich innerhalb des Landes auf der Flucht. Unzählige Städte und Dörfer sind zerstört; ein Wiederaufbau dürfte Jahrzehnte dauern.