In Deutschland gibt es mehr als 200 Professuren für Genderforschung. Spätestens im Rückblick sollte sich also genau klären lassen, was der Ukraine-Krieg für das Konzept von Männlichkeit bedeutet – ob Fortschritt, ob Rückschritt oder Tritt in den Schritt.
Obszöne Kanonenrohre
In der aktuellen Publizistik ist das umstritten. 2500 Jahre nach Heraklits Spruch „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“, aber noch vier Tage vor dem russischen Überfall posaunte die "tageszeitung": „Krieg ist das Ding mit dem Gemächt.“
Die taz-Redakteurin Waltraud Schwab fand Putins grenznah parkende Panzer mit ihren „phallischen Kanonenrohren“ schlicht „obszön“. Vor allem, weil die Rohre auf die Ukraine gerichtet waren, die in Sprachen mit grammatischem Geschlecht stets weiblich ist.
Putin liest wohl keine taz
„Nein heißt Nein“, schleuderte Schwab den stählernen Phalli entgegen. Doch Putin, noch nie als taz-Leser aufgefallen, tat's trotzdem.
Allein die Ukraine - in Schwabs Bild das Opfer einer Landesvergewaltigung - hielt nicht still, sondern entschieden männlich dagegen, wie man früher gesagt hätte. Und schon traten im Putin-geschädigten Vexierbild der Männlichkeit die heroischen Züge Wolodymyr Selenskyjs hervor.
„Ein halber und ein ganzer Kerl“, titelte die Tageszeitung "Die Welt", in der Mara Delius weniger den halben Kerl Putin samt seinem Brustfrei-auf-Pferderücken-Foto-Fimmel angriff, als vielmehr den Schweizer Journalisten Roger Köppel.
Das Schnittige tendiert oft ins Dümmliche
Köppel hatte nämlich unterstellt, die deutschen Medien würden Putin verachten, weil der Kreml-Herrscher halt noch echten Patriotismus und echte Männlichkeit verkörpere und die Kardinal-Schwäche des Westens aufdecke – „die politische Korrektheit“. „Zieht Putin den Schwanz wieder ein, sobald wir aufhören zu gendern?“, lautete die höhnische Frage, die Mara Delius Roger Köppel vor den Latz knallte.
Und über Bande auch ihrem Chef Ulf Poschardt, der offenbar glaubte, dicke Eier zu beweisen, als er den Macker-Spruch machte: „Die Freiheit wird nicht am Tampon-Behälter in der Männertoilette verteidigt.“ Ach, Ulfielein! Das Allzu-Schnittige tendiert leider oft ins Dümmliche.
Auch Männer dürfen weglaufen
Als ob sie Poschardt spotten wolle, erweiterte Juliane Frisse in der "Zeit" das Konzept der Männlichkeit im Krieg um den eminenten Aspekt des Verdünnisierens. „Ist nur ein kämpfender Mann ein guter Mann? Wie unmenschlich“, haderte Frisse – und postulierte: „Auch Männer haben ein Recht auf Weglaufen.“
Gereon Asmuth von der taz schlug in die gleiche Kerbe, nur härter und tiefer, wie ein wütender Krieger. „Soldaten sind Mörder. Immer. Auch im Verteidigungsfall“, begründete Asmuth das Recht auf Kriegsdienstverweigerung so richtig schön altlinks. Da hoffte man, dass neben Putin auch Selenskyj die "taz" nicht liest.
Ob Männlein, Weiblein oder Diverslein
Im "Spiegel" dagegen hätte der Ex-Komiker vielleicht Trost gefunden. Dort führte Sabine Rennefanz aus: Die Verehrung Selenskyjs verkitsche die Not „dieses Mannes und seines Volkes“. Jawohl! Da stand tatsächlich die ehrwürdig-patriarchalische Formulierung „seines Volkes“.
Im Übrigen aber schrieb Rennefanz unter dem Titel „Ein Mann ruft um Hilfe“ so, als wolle sie dem ruhmgeschädigten Selenskyj mütterlich übers Haar streicheln. Ein gute Idee, wenn man dem "Freitag" folgt. Ob Männlein, Weiblein oder Diverslein, Elsa Koester legte einfach allen, dem Krieg zuwider, ans Herz: „Bleibt weich, bleibt zärtlich!“