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Völkerrechtler Kreß
"Putin tritt das Gewaltverbot mit Füßen"

Das heutige Gewaltverbot sei der Eckstein der Völkerrechtsordnung und eine globale Errungenschaft. "Es ist wichtig, sich daran zu erinnern. Russland hat einen Beitrag dazu geleistet, dass es zu dieser Errungenschaft kam", sagt der Straf- und Völkerrechtler Claus Kreß.

Claus Kreß im Gespräch mit Michael Köhler | 20.03.2022
Weltweite Proteste: Demonstranten in Bangkok (Thailand) halten Anti-Kriegs-Plaketten vor der russischen Botschaft hoch.
Demonstranten in Bangkok (Thailand) halten Anti-Kriegs-Plaketten vor der russischen Botschaft hoch. (IMAGO/NurPhoto)
Das höchste Gericht der Vereinten Nationen, der Internationale Gerichtshof in Den Haag, hat am 16. März angeordnet, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine sofort beenden muss.
Russland muss den Krieg gegen die Ukraine sofort beenden .

Internationaler Gerichtshof in Den Haag hat schnell gehandelt

Die Richter gaben damit einer Dringlichkeitsklage der Ukraine statt. Kiew hatte Russland den Missbrauch der Völkermord-Konvention von 1948 vorgeworfen. Denn Putin hatte seinen Angriff damit begründet, dass Russen in der Ostukraine vor einem Völkermord geschützt werden müssten. Beweise legte er dafür nicht vor. Der Internationale Gerichtshof hat nach Meinung des Straf- und Völkerrechtlers Claus Kreß schnell gehandelt und seine Anordnung sei vorläufig, aber rechtlich bindend. Sie hätte nicht klarer ausfallen können.

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Internationaler Gerichtshof - bedeutsame Stimme

"Es gibt keine völkerrechtlich bedeutsamere Stimme als diesen Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Er kann nicht unmittelbar zum völkerrechtlichen Gewaltverbot urteilen. Dazu fehlt ihm die Zuständigkeit. Er ist aber zuständig, über die Auslegung, die Anwendung der Völkermord-Konvention zu urteilen", sagte der Direktor des Kölner Instituts für Friedenssicherungsrecht.
Der Internationale Gerichtshof in Den Haag, das Gebäude Friedenspalast.
Der Internationale Gerichtshof in Den Haag. (IMAGO / Steinach)

1928 - Initialzündung für das moderne Völkerrecht

Der Straf- und Völkerrechtler erinnerte an den Nürnberger Prozess, der sei eine Initialzündung für das moderne Völkerrecht gewesen. Als ganz wichtig sieht er auch das Jahr 1928 an, damals "ist nämlich das Kriegsverbot in die Völkerrechtsordnung eingeführt worden". "Das war eine völkerrechtliche Epochenwende. Im Nürnberger Prozess ging es um die Bekräftigung dieses neu eingeführten Kriegsverbots nach dem deutschen Fundamentalangriff auf diese Norm. Und das war nun keineswegs ein rein westliches Anliegen, sondern da spielte Russland eine bedeutsame Rolle", sagte Kreß.
Der Begriff des Verbrechens gegen den Frieden, der in Nürnberg ganz zentral gewesen sei, stammte von einem russischen Völkerrechtler. Aus diesem Kriegsverbot ist das heutige Gewaltverbot hervorgegangen. Kreß spricht von einem "Eckstein der Völkerrechtsordnung".
Die Wand eines Wohnhauses in Kiew ist nach einen Raketenangriff wegggerissen.  Der fast 70-jährige Pavil wirft Trümmer aus seinem Wohnhaus im zweiten Stock.
Anwohner räumen nach einem Raketenangriff in Kiew (Ukraine) au. Der fast 70-jährige Pavil, wirft am 19. März 2022 in Kiew (Ukraine) Trümmer aus seinem Wohnhaus im zweiten Stock, in dem jetzt eine Wand fehlt. (IMAGO/NurPhoto)
"Dieses Gewaltverbot tritt der russische Präsident nun mit Füßen. Das ist die universelle Norm, um die es geht eine globale kulturelle Errungenschaft. Und es ist wichtig, sich daran zu erinnern. Russland hat einen Beitrag geleistet dazu, dass es zu dieser Errungenschaft kam."

Deutsche Waffenlieferungen "sind richtig"

Mit Blick auf die Rolle Deutschlands in dem Konflikt zwischen der Ukraine und Russland sagte Kreß: "Im Moment ist Deutschlands Beitrag darin gefragt, die Völkerrechtsordnung zu stärken, ihre Resilienz, ihre Widerstandskraft zu stärken. Es ist richtig, dass auch Deutschland Waffen liefert. Auch die Sanktionen sind richtig. Man kommt allerdings an dieser Stelle nicht umhin, deutlich auszusprechen, das Deutschland im Hinblick auf die Sanktionen in schmerzlicher Art und Weise begrenzt ist."
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Die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas räche sich jetzt, "weil sie unsere Möglichkeiten, alles, was sinnvoll wäre, an Resilienz zu mobilisieren, einschränkt."
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht per Videoschalte im Bundestag und bekommt Applaus von der Bundesregierung.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht auf einer Videoleinwand im Bundestag. (dpa/Michael Kappeler)
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Der Straf- und Völkerrechtler hat daher Verständnis, "dass der ukrainische Präsident am Donnerstag im Deutschen Bundestag sehr begründete Kritik an der deutschen Außenpolitik der Vergangenheit geübt hat". Mit Blick auf die Zukunft wünscht er sich, dass Deutschland im Hinblick auf das Völkerstrafrecht wieder eine engagierte Rolle spielt.