Das Buch ist überhaupt nicht parteiisch und auch nicht skandalös. Skandalös sind die Kriege an sich und die vielen, vielen, in ihrer Gesamtheit nicht neuen Episoden, die Carla Del Ponte und ihr Ghostwriter, der US-amerikanische Journalist Chuck Sudetic, ausbreiten. Das 416-seitige in diesem Monat bei Feltrinelli erschienene Buch in einer bildhaften, manchmal etwas sehr flotten Sprache wechselt dramaturgisch geschickt zwischen der Überfülle von schwer auszuhaltenden Details menschlicher Niedertracht und unterhaltsamen Schilderungen über das Verhalten der sogenannten Großen in dieser Welt oder über die Tessiner Heimat der Hauptautorin.
Ihr größter Misserfolg ist, dass Radovan Karadzic und Mlatko Radic noch frei herumlaufen, begünstigt mal von diesen, mal von jenen politischen Interessen. 2001 hatte ihr der damalige CIA-Chef George Tenet versprochen, für ihn sei die Festnahme von Karadzic Priorität Nr.1. Ein halbes Jahr später besucht Carla Del Ponte den Geheimdienstchef wieder und geht ihn an:
"George, es sind sechs Monate vergangen. Angesichts der Resultate habe ich Mühe, dir zu glauben. Wenn ihr schon nicht die Absicht habt, irgendetwas zu unternehmen, sage ich, denke ich, müsstet ihr wenigstens unsere Anstrengungen unterstützen."
"Schau, Madame," antwortet Tenet, "was du denkst, interessiert mich einen Dreck."
Das war jetzt noch höflich übersetzt. Andere Mächtige haben es der Karadzic-Jägerin nicht so unverblümt gesagt, aber im Kern das Selbe. Dass man zwar immer mal wieder wusste, wo sich der Gesuchte aufhielt, doch seine Festnahme gerade im Moment aus politischen Motiven nicht passte, musste Carla Del Ponte bitter lernen. Dabei hatte sie noch vor Amtsantritt, noch als Schweizer Bundesanwältin, gemeint, sie könne mit Karadzic im Gefolge einen, wie sie schreibt, "triumphalen Einzug" in das Haager Gericht halten. Denn der bosnische Serbe, so hatte es geheißen, wolle sich in der Schweiz selber stellen. Dessen willensstarke Ehefrau aber soll diesen Akt der Resignation verhindert haben.
Es war eine deprimierende Erfahrung, als Repräsentantin einer UN-Einrichtung immer wieder ausgebremst zu werden. Sogar von den Chefs der Missionen, die die Vereinten Nationen selber eingesetzt hatteh, wie Kfor und Unmik. Der oft fehlende Wille, den Haager Ermittlern Informationen zu liefern, oder die Einschüchterung von ohnehin verängstigten Zeugen erschwerten die Aufklärung und die Festnahme von Tätern. Was Carla Del Ponte gelernt hat:
Der Sieg über die Kultur, die den Mächtigen vom Superboss der Cosa Nostra bis zu den politischen und militärischen Führern jedwede Schandtat erlaubt, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden, ist eine Sache des Willens. Und dieser erfordert oft Ungeduld mehr als Geduld. Es geht darum, Zustimmung zu erzielen, Druck auszuüben, Risiken einzugehen, Irrtümer zu korrigieren, die Gummimauer zu durchbrechen, Kritik und Drohungen zu ignorieren sowie gelegentlich auch den Verlust von Freunden und Mitarbeitern auszuhalten. Kriegsverbrechen verfolgen ist kein intellektuelles Spiel frei von Risiken.
Ein Risiko hätte Carla Del Ponte besser vermieden. Sie berichtet über den Verdacht, Kosovo-Albaner hätten Serben ermordet, um mit deren Organen Handel zu treiben, sie kommt zu dem Schluss, dass die Beweise für ein Verfahren nicht ausreichten. Sie hätte wissen können, dass sich viel Kritik auf diese wenigen Seiten in ihrem Buch stürzten würde. Albaner fühlen sich zu Unrecht beschuldigt, Serben sehen sich darin bestätigt, dass das internationale Tribunal einseitig gegen ihre Landsleute ermittelt habe. Statt einen nicht ausreichend begründbaren Verdacht weiterzutragen, wäre hier ausnahmsweise Schweigen besser gewesen.
Carla Del Ponte hat die Gewissheit auf der richtigen Seite zu stehen, nur auf der des Rechts. Unbeirrbar folgt sie der Überzeugung:
Ungerechtigkeit ist der Samen für künftige Kriege.
Carla Del Ponte La Caccia. Io e i Criminali di Guerra Milano 2008
Ihr größter Misserfolg ist, dass Radovan Karadzic und Mlatko Radic noch frei herumlaufen, begünstigt mal von diesen, mal von jenen politischen Interessen. 2001 hatte ihr der damalige CIA-Chef George Tenet versprochen, für ihn sei die Festnahme von Karadzic Priorität Nr.1. Ein halbes Jahr später besucht Carla Del Ponte den Geheimdienstchef wieder und geht ihn an:
"George, es sind sechs Monate vergangen. Angesichts der Resultate habe ich Mühe, dir zu glauben. Wenn ihr schon nicht die Absicht habt, irgendetwas zu unternehmen, sage ich, denke ich, müsstet ihr wenigstens unsere Anstrengungen unterstützen."
"Schau, Madame," antwortet Tenet, "was du denkst, interessiert mich einen Dreck."
Das war jetzt noch höflich übersetzt. Andere Mächtige haben es der Karadzic-Jägerin nicht so unverblümt gesagt, aber im Kern das Selbe. Dass man zwar immer mal wieder wusste, wo sich der Gesuchte aufhielt, doch seine Festnahme gerade im Moment aus politischen Motiven nicht passte, musste Carla Del Ponte bitter lernen. Dabei hatte sie noch vor Amtsantritt, noch als Schweizer Bundesanwältin, gemeint, sie könne mit Karadzic im Gefolge einen, wie sie schreibt, "triumphalen Einzug" in das Haager Gericht halten. Denn der bosnische Serbe, so hatte es geheißen, wolle sich in der Schweiz selber stellen. Dessen willensstarke Ehefrau aber soll diesen Akt der Resignation verhindert haben.
Es war eine deprimierende Erfahrung, als Repräsentantin einer UN-Einrichtung immer wieder ausgebremst zu werden. Sogar von den Chefs der Missionen, die die Vereinten Nationen selber eingesetzt hatteh, wie Kfor und Unmik. Der oft fehlende Wille, den Haager Ermittlern Informationen zu liefern, oder die Einschüchterung von ohnehin verängstigten Zeugen erschwerten die Aufklärung und die Festnahme von Tätern. Was Carla Del Ponte gelernt hat:
Der Sieg über die Kultur, die den Mächtigen vom Superboss der Cosa Nostra bis zu den politischen und militärischen Führern jedwede Schandtat erlaubt, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden, ist eine Sache des Willens. Und dieser erfordert oft Ungeduld mehr als Geduld. Es geht darum, Zustimmung zu erzielen, Druck auszuüben, Risiken einzugehen, Irrtümer zu korrigieren, die Gummimauer zu durchbrechen, Kritik und Drohungen zu ignorieren sowie gelegentlich auch den Verlust von Freunden und Mitarbeitern auszuhalten. Kriegsverbrechen verfolgen ist kein intellektuelles Spiel frei von Risiken.
Ein Risiko hätte Carla Del Ponte besser vermieden. Sie berichtet über den Verdacht, Kosovo-Albaner hätten Serben ermordet, um mit deren Organen Handel zu treiben, sie kommt zu dem Schluss, dass die Beweise für ein Verfahren nicht ausreichten. Sie hätte wissen können, dass sich viel Kritik auf diese wenigen Seiten in ihrem Buch stürzten würde. Albaner fühlen sich zu Unrecht beschuldigt, Serben sehen sich darin bestätigt, dass das internationale Tribunal einseitig gegen ihre Landsleute ermittelt habe. Statt einen nicht ausreichend begründbaren Verdacht weiterzutragen, wäre hier ausnahmsweise Schweigen besser gewesen.
Carla Del Ponte hat die Gewissheit auf der richtigen Seite zu stehen, nur auf der des Rechts. Unbeirrbar folgt sie der Überzeugung:
Ungerechtigkeit ist der Samen für künftige Kriege.
Carla Del Ponte La Caccia. Io e i Criminali di Guerra Milano 2008