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Krieg und Krisen auf der Bühne

Gerhard Haag, Leiter des Bauturm-Theaters in Köln, hat das Theaterfestival von Ouagadougou in Burkina Faso besucht. Eine bloße finanzielle Unterstützung sei nicht ausreichend, Austausch sei wichtig. Deshalb hat er Produktionen für das "africologne"-Festival im Jahr 2013 eingeladen.

Das Gespräch führte Beatrix Novy |
    Siège du Fespaco, Festivalzentrum des Filmfests in Burkina Faso
    Siège du Fespaco, Festivalzentrum des Filmfests in Burkina Faso (Gerhardt Haag)
    Beatrix Novy: Burkina Faso, zu Deutsch das "Land der Aufrichtigen", ist auch das Land der Armen: Es liegt in der ärmsten und konfliktreichen Region Afrikas, die Mehrheit der Bevölkerung kann nicht lesen und schreiben. Hier hat Christoph Schlingensief justament sein Operndorf geplant, aber nicht ins kulturelle Nichts hinein. Das Filmfestival VESPACO zum Beispiel gibt es in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou schon lange, wenn auch zum größten Teil mit ausländischem Geld finanziert, ebenso wie das Theaterfestival, das hier alle zwei Jahre stattfindet, immer im November, gerade ist es zu Ende gegangen. Und wie immer war Gerhard Haag dabei, Leiter des Bauturm-Theaters in Köln. Heute Morgen ist er erst zurückgekehrt aus Ouagadougou. - Das Theaterfestival dort hat sich vor zwei Jahren ein bisschen neu organisiert. Deshalb zunächst die Frage an Gerhard Haag, wie es überhaupt funktioniert.

    Gerhard Haag: Das Festival ist ein produzierendes Festival, was nicht nur Produktionen einlädt, sondern einige ausgewählte Produktionen werden extra in einer Vorauswahl von einer Jury ausgewählt, und die werden dann dort mit burkinischen Schauspielern produziert. Zum Beispiel kommen dann Regisseure und Autoren aus dem Tschad, stellen der Jury eine Produktion vor, und dann wird sie gewählt, ausgewählt, und dann wird sie hinterher in sechs, sieben Wochen Probenarbeit produziert für das Festival.

    Novy: Welche Themen werden denn vermittelt, was war dieses Jahr vorne dran?

    Haag: Die Themen sind sehr unterschiedlich, kann man sagen. Zwei Stücke, die ich besonders interessant fand. Auch das Stück aus Moure war sehr interessant: eine Frau, die gegen die sexuelle Ausbeutung in der Ehe polemisiert und ihrem Mann, der nicht auf der Bühne ist – ein Monolog -, erklärt, warum sie sich so nicht behandeln lässt von ihm, und auch die Beziehung beendet. Ein sehr mutiger Text, wo es sehr explizit um sexuelle Praktiken geht.

    Es gab ein anderes Stück von Jean Pierre Guingané, der im letzten Jahr gestorben ist, der der große Repräsentant des burkinischen Theaters ist. Alle waren in seiner Schule. Die Generation der jetzt 40-, 50-Jährigen sind alles Schüler von ihm. Eine traditionelle Erzählung, "La danseuse de l’eau", "Die Tänzerin auf dem Wasser", eine alte Fabel, die auch von zwei Schauspielern auf einem Teppich ohne große Requisiten, ohne alles, wunderbar lebendig gespielt und erzählt wird. Es gibt eine Musikgruppe dabei, die das musikalisch untermalt, auch sehr gut, aber sehr traditionell vom Erzählstoff her.

    Ein anderes Stück, "si je les tuais tous, Madame" von Aristide Tarnagda, der zu den, glaube ich, wirklich begabtesten jungen Autoren gehört, ist eine Momentaufnahme an einer roten Ampel. Eine weiße Frau in einem großen Auto hält, weil es rot ist, lässt das Fenster herunter und verhält sich ganz freundlich zu ihm, und wie in einer Blitzlichtaufnahme geht sein ganzes Leben an ihm vorüber. Es ist ein unaufhörlicher Monolog, sein bester Freund, seine Eltern, sein Sohn tauchen auf, und der beste Freund fordert ihn dauernd auf, "nimm die Handtasche, die da vor Dir steht auf diesem Beifahrersitz, nimm sie, dann kannst Du Deinem Sohn ein besseres Leben schaffen", und er sagt, "Nein, ich will nicht schuldig werden, ich will das mit Würde machen, das ist etwas, wo ich nicht mit leben könnte". Und diese ganze Auseinandersetzung ist sehr stark gespielt und ein toller, ganz toller Text.

    Novy: Wenn Sie das erzählen und vom Lebendigen und Starken sprechen, was Sie da erlebt haben, dann merkt man ja, wenn ein solches Festival für etwas gut ist, dann auch unser Afrikabild zu erschüttern, das vom hoffnungslosen Kontinent, das sich immer und immer und immer wieder fortschreibt. Also wäre es ja gut, wenn die beiden Welten sich treffen, und das passiert ja auch durch Ihre Arbeit als Chef des Bauturm-Theaters in Köln.

    Haag: Ja. Wir sind seit drei oder vier Jahren jetzt auch mit dem Festival verbunden, in einer engen Zusammenarbeit, einer Partnerschaft, und haben im vergangenen Jahr, Juni 2011, hier das erste "africologne"-Festival produziert, mit sieben Produktionen aus hauptsächlich Westafrika, und werden jetzt im kommenden Juni auch aus Ouagadougou einige Produktionen einladen zum Festival, aber auch aus anderen Ländern, aus Brazavil wird eine Produktion kommen. Und dieser Austausch ist das Entscheidende, weil es hat keinen Sinn, wenn wir immer nur bedauern, und humanitäre Hilfe ist natürlich notwendig in Notlagen, aber die Entwicklung gerade der Kultur ist dort so weit fortgeschritten. Auch gegenüber anderen Ländern in Afrika ist Burkina sozusagen fast ein paradiesischer Zustand, obwohl man auch sagen muss, dass natürlich die europäische Krise jetzt auch dort voll ankommt. France Culture hat die Zuschüsse für das Festival um 80 Prozent gekürzt. Also die wissen noch nicht, wie sie alles bezahlen können, sie sind immer noch auf der Suche nach den restlichen Geldern sozusagen. Das eigene Kultusministerium darf im Moment nichts auszahlen, weil der Ministerpräsident sagt, erst müsst ihr die Abrechnungen der letzten Jahre sauber kriegen, solange kriegt ihr kein Geld mehr. Auch das Geld fehlt natürlich dem Festival, und insofern ist wird da mit einem minimalen ökonomischen Etat unglaublich viel geleistet.

    Novy: Gerhard Haag, gerade zurück aus Burkina Faso, über das Theaterfestival in Ouagadougou, das im Festival "africologne" im Kölner Bauturm-Theater eine Art Fortsetzung finden wird.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.