Wir leben in einem merkwürdigen Zustand. Seit einem dreiviertel Jahrhundert hat es auf deutschem Territorium, von dem zuvor so viel kriegerisches Leid ausging, keinen Krieg mehr gegeben. Aber zugleich ist Krieg und Kriegsgefahr beinahe in allen Regionen der Welt gegenwärtig. Gefährlich nahe kam der Krieg freilich immer wieder, wie in den Zeiten des Zerfalls von Jugoslawien zum Beispiel. Menschen auf der Flucht vor Terror und Krieg suchen bei uns Schutz, der ihnen oft genug versagt wird. Und seit einiger Zeit stehen deutsche Soldatinnen und Soldaten wieder im Auslandseinsatz, wie zum Beispiel in Afghanistan. Wir leben nicht im Krieg. Aber Frieden, das wäre etwas ganz Anderes.
Der Krieg war immer gegenwärtig und medial präsent. Als Dokumentation des Geschehens in mehr oder weniger fernen Ländern, in journalistischer Berichterstattung und umfassenden Dokumentationen. Als Erinnerungs- und Trauerarbeit zur eigenen Militärgeschichte in Spielfilmen und Serien. Aber auch als heroisches Spiel und Propaganda. Kritik und schmutzig-blutiger Realismus als Mahnung zum Frieden auf der einen Seite und auf der anderen militaristischer Glamour und Mythologie von Heldentum und Bewährung. Und vieles dazwischen.
Was wäre ein richtiges Bild vom Krieg? Und gibt es das überhaupt?
Gibt es einen moralischen Code, eine ästhetische Regel, eine kulturelle Übereinkunft zur Darstellung des Krieges aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft? Oder müssen wir uns damit abfinden, dass man stets nach Bildern für den Krieg suchen und ihnen zugleich immer misstrauen muss? Insbesondere seit es die audiovisuellen Medien gibt, sind massenhaft hergestellte Bilder des Krieges zu einem Schlüsselproblem geworden für die kulturelle Kritik, für die Pädagogik, für die Künstlerinnen und Künstler, die von diesem Schrecken nicht schweigen und ihn nicht unsichtbar bleiben lassen.
Was muss man vom Krieg zeigen? Was darf man vom Krieg zeigen? Was soll man vom Krieg zeigen?
Immanuel Kant schrieb 1790 in "Kritik der Urteilskraft": "Selbst der Krieg, wenn er mit Ordnung und Heiligachtung der bürgerlichen Rechte geführt wird, hat etwas Erhabenes an sich und macht zugleich die Denkungsart des Volks, welchen ihn auf diese weise führt, nur um desto erhabener, je mehr Gefahren es ausgesetzt war und sich mutig darunter hat behaupten können; dahingegen ein langer Frieden den bloßen Handelsgeist, mit ihm aber den niedrigen Eigennutz, Feigheit und Weichlichkeit herrschend zu machen und die Denkungsart des Volkes zu erniedrigen pflegt."
Zwischen Faszination und Abscheu
Es ist schwierig, in dieser Situation aus Super-Ordnungen und Super-Chaos einen Überblick zu behalten. Und noch schwieriger ist es, eine klare Haltung einzunehmen.
François-Marie Arouet, genannt Voltaire, schrieb 1759 in "Candide, oder Der Optimismus": "Man kann sich nichts Schöneres, Tüchtigeres, Glänzenderes und Wohlgeordneteres vorstellen als die beiden Armeen! Die Trompeten, Hörner, Trommeln, Querpfeifen und Kanonen vollführten ein wahres Höllenkonzert. Zunächst mähten die Geschütze auf jeder Seite etwa sechstausend Mann nieder; dann befreite das Musketenfeuer die beste aller Welten von neun- bis zehntausend Schurken, die sie bisher verpestet hatten, und endlich waren die Bajonette der zureichende Grund des Todes von einigen tausend Mann."
In dieser sarkastischen Bemerkung steckt auch das ganze Dilemma jedes Bildes vom Krieg. Es entsteht aus einer Mischung von Faszination und Abscheu, "Ästhetik" und Höllenvision. Doch Voltaire gehörte zu einer Zeit, die sich diese Realität des Krieges wohl zum ersten Mal seit geraumer Zeit überhaupt wieder ins Bewusstsein rief, in der Bajonette und menschliche Körper aufeinander treffen. Die in der Regel von den Mächtigen und also Kriegsführenden in Auftrag gegebene Schlachtenmalerei hatte den Krieg vorwiegend aus der "erhabenen" Perspektive des Feldherrenhügels wiedergegeben. Man inszenierte prächtige Paraden, baute heroische Heldendenkmäler und konditionierte das Bürgertum von Kindheit an.
Mädchen spielen mit Puppen. Jungs mit Soldaten. Mädchen probieren Kleider. Jungs probieren Waffen. Daran änderte sich auch in der Nachkriegszeit in Europa wenig. Auch wenn es durchaus berechtigte pädagogische Sorgen um Kriegsspielzeug und Kriegsbilder in Kinderzimmern gab.
Und im Kino? Echte Jungs schlichen sich in die so genannten Bumskinos, in denen Filme mit Titeln wie "Panzer nach vorn", "Die große Schlacht" oder "Angriff im Morgengrauen" zu sehen waren. Und an den Kiosken gab es Heftromane unter Seriennamen wie "Der Landser", "Ritterkreuzträger" oder "Soldatengeschichten". Männer, so sah man auf Filmplakaten und Romantiteln, waren erst richtige Männer mit Helmen auf dem Kopf und Gewehren in der Hand. Und nichts schien so wohlgeformt und schön wie ein Panzer, eine Bazooka oder ein Starfighter‑Kampfflugzeug als Plastikbausatz.
Bis in die siebziger Jahre hinein zählte dieser Eros von Militär und Krieg eher zu den guilty pleasures, nicht nur, aber ganz besonders in Deutschland. Später bekam dieses Genre die kritische Bezeichnung "Warnography", eine Art Pornographie des Kriegerischen. Im Pentagon bezeichnete man in den achtziger Jahren einen möglichen Einsatz von atomaren Waffen nicht eben schamvoll als "wargasm". Warnography war indes erlaubt, wo es eine moralische Distanzierung gab. Krieg ist furchtbar, heißt es am Anfang und am Ende, und dazwischen liegen anderthalb Stunden markige Ertüchtigung, Kameradschaft und Gemetzel. Was machte und macht die Faszination der Kriegsbilder aus?
Ästhetik und Unterhaltung
Man kann es beim besten Willen nicht verleugnen. Der Krieg ist nicht nur eine Frage von Vernunft und Moral, von Ökonomie, Technik und Politik, der Krieg ist auch eine Frage von Ästhetik und Unterhaltung. Das Zuschauen wurde im amerikanischen Bürgerkrieg zu einer wahren Epidemie. Es ist verbürgt, wie die feineren Herrschaften sich zum Picknick auf Hügeln über den Schlachtfeldern niederließen, begleitet von einer unübersehbaren Menge von Journalisten und Fotoreportern. Es dominierte eine geradezu sadistische Neugier, dabei geriet die blutige Wahrheit ebenso vor die Linsen wie pathetische Kitsch-Inszenierungen und plumpe Fälschungen. Berühmt wurde Timothy O’Sullivans Fotografie mit dem Titel "Ernte des Todes", die die gefallenen Soldaten nach der Schlacht von Gettysburg zeigt. Es ist der vielleicht verzweifeltste und ernüchterndste Augenblick: die Toten auf dem Schlachtfeld im Morgengrauen.
Tatsächlich zeigt O’Sullivans Bild und was aus ihm geworden ist, auch schon die "Mitschuld" der Medienkonsumenten am falschen Bild des Krieges: Niemand wollte dieses Bild sehen, die Zeitungen wollten es nicht drucken, niemand kaufte es als Abzug. Die Bilder des Krieges sind die Bilder, die man davon verkaufen kann. Die Schnittmenge von propagandistischen Absichten, technischen und ästhetischen Methoden von Dabeisein und Inszenierung und den Wünschen von "Konsumenten" bestimmt das Bild des Krieges.
Was wir vom Krieg wissen, wenn wir nicht selbst involviert waren, wissen wir von Gemälden, Zeichnungen, Fotografien und Filmen. Krieg und audiovisuelle Ästhetik im allgemeinen, das Kino insbesondere, haben eine spezifische Wahrnehmung, eine spezifische Dramaturgie, ja, eine spezifische Ästhetik mit einander gemein.
"Die Waffen sind Werkzeuge nicht nur der Zerstörung, sondern auch der Wahrnehmung. Sie sind Stimulatoren der Sinnesorgane und des zentralen Nervensystems", schrieb Paul Virilio in "Krieg und Kino. Logistik der Wahrnehmung".
Kriegsdarstellung im Wandel der Zeit
Der Krieg als totales Erleben, das ist immer erregender geworden, je mehr sich die Simulationsmöglichkeiten des Kinos entwickelt haben. Aber auch die Haltung änderte sich beständig. In den siebziger Jahren verlor der Kriegsfilm seinen patriotischen und heroischen Kern. Das Genre wurde zynisch und schmutzig, handelte viel weniger von Opfertaten für die Kameraden, für das Vaterland, für die gerechte Sache als davon, wie Männer und Frauen sich im Krieg persönlich bereichern und wie sie andererseits im Krieg Verstand und Seele verlieren.
In der Serie um "The Dirty Dozen – Das dreckige Dutzend" mit Lee Marvin und Charles Bronson wird suggeriert, dass am besten für den Krieg geeignet Truppen aus Verbrechern, Wahnsinnigen und Außenseitern sind.
In den achtziger Jahren entstand eine völlig neue Variante des Kriegsfilms. Ihr idealer Held war der Einzelkämpfer Rambo, der seinen Körper in eine menschliche Vernichtungswaffe verwandelt hatte und den Krieg zu seiner Privatsache machte.
"Die ewige Wiederkehr des einsamen Tötens macht letztendlich den Sinn dieser Erfolgsfilme aus", schrieb Paul Virilio in "Massenkiller".
Dazu gehört auch die Sprachlosigkeit, ja die Sprachfeindlichkeit der Helden. Man reduzierte die Sache, wie es in einem der B-Filme dieser Kategorie mit dem Star Jean-Claude van Damme heißt, auf "Action is Satisfaction".
Das Publikum zu dieser Zeit wollte offenbar keine Erklärungen und Hintergründe des Krieges. Nur den puren Effekt von Körper, Gewalt, Explosion und Blut. Neben solchen Männerpanzern waren Söldner die populärsten Helden des neuen Kriegsfilms, die nur einen guten Grund für den Kampf kannten: Geld.
Gewiss, alle diese Helden, die so oder so den Krieg zur Privatsache und zur letzten Bastion unkaputtbarer Männlichkeit machten, entsprachen dem Geschmack des vorwiegend jungen Publikums, vermittelten aber auch unwillentlich eine Wahrheit über die schmutzige Privatisierung des Krieges.
Filme fast ohne Glamour und Heroismus
Aber es gab noch eine ganz andere Art von Kriegsfilmen in den siebziger und achtziger Jahren. Filme, die an das wirkliche Grauen und die äußere wie innere Zerstörung des Krieges heranreichten. Francis Ford Coppola mit "Apocalypse Now", Michael Cimino mit "The Deerhunter", Stanley Kubrick mit "Full Metal Jacket" oder Oliver Stone mit "Platoon" unternahmen wahrhaftige Dekonstruktionen des Vietnamkrieges. Nichts blieb da übrig von Vernunft und Moral, wenig von Glamour und Heroismus.
In den 1990er-Jahren folgte eine durchaus kritische Revision des Zweiten Weltkrieges mit Filmen wie Steven Spielbergs "Private Ryan" oder Clint Eastwoods "Flags of our Fathers". In diesen Filmen ging es um etwas Anderes, nämlich um die Rettung des Menschlichen im Krieg. Beide Regisseure bezogen sich auf reale Ereignisse, aber auch ausdrücklich auf familiäre Erinnerungen, auf eine oral history.
In Deutschland begannen die 1980er-Jahre mit dem Erfolg eines "hybriden" Kriegsfilms, er wurde zugleich als sechsteilige Miniserie für das Fernsehen (mit über fünf Stunden Länge) und als Kinofilm konzipiert. Er entstand nach dem Bestseller von Lothar-Günther Buchheim und löste in einer Mischung aus trotziger Heldenverehrung und Realismus reichlich zwiespältige Gefühle aus. Wolfgang Petersens "Das Boot" stand am Beginn einer neuen, "opulenten" Reihe von filmischen Geschichtsbildern. Den bis dahin teuersten deutschen Film mit 30 Millionen DM Produktionskosten und Aufnahmen an Originalschauplätzen charakterisiert wohl am besten der Regisseur Samuel Fuller:
"'Das Boot' sieht aus, als wäre er gerade nicht von Deutschen gedreht worden."
Erzählt wird eine Feindfahrt des deutschen U-Bootes U-96, die im Jahr 1941 in La Rochelle beginnt und bei der Kriegskorrespondent Leutnant Werner, Herbert Grönemeyer, als Chronist dabei ist. Auf Torpedo-Angriffe folgen Gegenschläge mit Wasserbomben. Die langen Wartezeiten im Atlantik führen zu Spannungen in der Mannschaft. Nach einem Fliegerangriff läuft U-96 vor Gibraltar auf Grund, mit letzter Kraft kann es die Mannschaft wieder manövrierfähig machen. Als der Kommandant, Jürgen Prochnow, das U-Boot schließlich in einen italienischen Hafen gerettet hat, finden die meisten Männer der Besatzung bei einem Fliegerangriff den Tod.
Zur dräuend heroischen Musik von Klaus Doldinger konzentriert sich die Handlung auf die im engen Rumpf des U-Boots eingepferchten Männer mit ihren zackigen Sprüchen, ihren Erinnerungen ans ferne Privatleben und das Nebeneinander von Todesangst und Vernichtungsgier. Die Nationalsozialisten spielen hier so wenig eine Rolle wie die Frage nach dem Sinn des eigenen Tuns. Krieg ist Schicksal und Männer bewähren sich im Angesicht des Todes oder nicht. Übrigens war auch der erste Film, den Adolf Hitler nach der Machtergreifung als deutsche Filmkunst pries, ein U-Boot-Film mit dem Titel "Morgenröte". Darin spricht der Kommandant die denkwürdigen Worte:
"Wir Deutsche verstehen vielleicht nicht viel vom Leben, aber zu Sterben verstehen wir ganz vortrefflich."
Wolfgang Petersens Film erzählt nun nicht mehr von Männern, deren Todessehnsucht sich im Meer erfüllte, sondern von meist jungen Leuten, deren Lebenslust immer wieder zu spüren ist und die doch ihrem Schicksal nicht entgehen. Natürlich kann man dem Film keine Verherrlichung des Krieges vorwerfen. Aber an eine kritische Dekonstruktion ist dabei genau so wenig zu denken. "Das Boot" ist der erfolgreichste Kriegsfilm der deutschen Kinogeschichte. Und das originalgetreu nachgebaute U-Boot eine der Hauptattraktionen der Bavaria-Filmtour.
40 Jahre später bietet das ZDF eine neue Serie als "Event" an. Die achtteilige erste Staffel ist 2018 trotz durchwachsener Kritik erfolgreich genug, um eine zweite und dritte Staffel in Auftrag zu geben. Die Handlung ist in das Portugal der Salazar‑Diktatur im Jahr 1942 verlegt. Portugal bleibt im Zweiten Weltkrieg neutral, Spione aller Mächte beschatten und ermorden einander hier. Zur gleichen Zeit machen neue Kriegstechnologien die deutschen U-Boote von Jägern zu Gejagten. Kurzum: Das Kriegsbild ist nun ganz und gar der internationalen Seriendramaturgie unterworfen. Und noch weniger als mit dem Original hat das alles mit einem realen Krieg in einer realen Welt zu tun.
Es wirkt, als hätte die deutsche Populärkultur mit der Eventserie eine ihr vollkommen angemessene Erzählweise für den Krieg gefunden. Eine Mischung aus Melodrama, Männerfreundschaft und Rivalität, mit einer parallelen Handlung zum Widerstandskampf. Eine Soap Opera mit düsterem Look und einer modernisierten Variation von Klaus Doldingers Soundtrack.
Die Serie ist in mehr als 100 Länder verkauft worden. Vielleicht liefert hier der Krieg schlicht den Hintergrund für Geschehnisse, die anderswo bei der Bergrettung, im Krieg der Sterne oder auf dem Polizeirevier stattfinden. Sie ist ein Musterbeispiel für eine dritte Strategie des Kriegsfilms, neben platter Warnography mit oder ohne Maskerade und neben der tief gehenden Dekonstruktion der Bilder und Erzählungen vom Krieg, eine Art der Versöhnung und Übermalung. Die Kritik in der FAZ weist ein wenig in diese Richtung:
"Bis zu einem gewissen Grad bietet die Serie 'Das Boot' eine nun globalmedial und kommerziell gewendete Variante der alten Entschuldungsstrategie, dass die Wehrmacht (und die Marine) zwar den Krieg führte, dass es aber nicht (oder nur durch einen unausweichlichen Eid) 'ihr' Krieg war. So entkommt 'Das Boot' zwar der Logik, dass die Deutschen in Kriegsfilmen eben die Schurken sind, aber findet in der weltweiten strategischen Aufstellung trotzdem keine Form für Differenzierung."
Die Trennung von Feinden und Schurken ist ein bewährter dramaturgischer Kniff des Genres. Auch die Frauen sollen in der Serienneuauflage von "Das Boot" aus ihrer Klischee-Rolle im Kriegsfilm befreit werden als tapfer winkende Soldatenbraut, duldend wartende Mutter oder Opfer der Schurken. Hier leisten sie sowohl Kriegsdienst als auch Widerstand, passen sich ein ins Muster von Held, Schurke und Feind.
Verweiblichung in der Zeit der Jahrhundertwende
Nicht nur die Armeen dieser Welt, auch die Kriegsbilder erleben in der Zeit der Jahrhundertwende eine Verweiblichung. Die amerikanische Produktion "G.I. Jane" ist die klassische Geschichte von dem Kerl, der durch militärischen Drill, die Freundschaft der Kameraden und den Einsatz in Feindesland zum Soldaten und damit zum richtigen Mann wird. Seine letzten Weihen erhält er, indem er unter feindlichem Feuer unter Einsatz des eigenen Lebens seinem brutalen Ausbilder das Leben rettet. Nur dass der Kerl, aus dem ein Soldat und richtiger Mann wird, diesmal eine Frau ist. "G.I. Jane", dargestellt von Demi Moore, wird natürlich noch härter, noch tödlicher und noch siegreicher. Ridley Scotts Film war 1997 eher so etwas wie eine propagandistische Vorwegnahme, in Wirklichkeit können Frauen erst seit 2016 Mitglieder der Navy Seals werden.
Im Sinne der Emanzipation mag es vollkommen konsequent sein. Aber die schlichte Neubesetzung der Heldenrolle verfehlt als mythologische Versuchsanordnung die Wirklichkeit.
Bilder vom Krieg sind, nicht erst seit gestern, vor allem gefälschte Bilder. Was sich seit El Alamein oder Stalingrad geändert hat, ist unser frivoles Wissen um die Fälschungen. 1995 hegt nicht einmal mehr das Imperial War Museum in London die verklärenden Bilder des Krieges, sondern veröffentlicht Expertisen über die Geschichte der gefälschten Kriegsbilder. In den Kriegen in und um Ex-Jugoslawien werden nicht nur ständig gefälschte Bilder produziert, sondern die gefälschten Bilder produzieren auch den Krieg. Der Krieg ernährt sich nicht allein mehr durch Plünderung, durch Morddienste und durch die Flüsse von Waffen, Geld und Drogen, sondern auch durch Bilderproduktion. Wie viel Geld ist den Milizionären von den Fernsehanstalten zugeflossen, damit sie für die Kameras Krieg spielen – mit echten Waffen und mit echten Leichen? Sind wir auf dem Weg zum gefälschten Krieg? Und was vermag die Poesie, die Fiktion, der Film in der Welt der gefälschten Bilder?
Der Krieg verändert beständig seine Gestalt. Die Bilder, die er dabei hervorbringt, sind zunächst immer schockierend und rätselhaft, manche Kriege bleiben auch seltsam bilderlos. In einigen Kriegen ist es fast unmöglich zu erkennen, wer Freund und wer Feind ist, in anderen sind die Grenzen zwischen Frieden und Kampf ebenso fließend wie die zwischen Militär- und Polizeieinsatz. Auf den Afghanistan-Krieg reagiert Hollywood mit traditionellen Heroisierungen und sogar mit Militärklamotten wie "War Dogs", die den Kriegseinsatz als Abenteuerurlaub dauerbekiffter Buddies darstellt. Dennoch wird etwas bleiben, was den Afghanistan-Filmen der zehner Jahre eigentümlich ist: Das existentielle Empfinden, auf verlorenem Posten zu stehen, mit Hinterhalten oder Attentaten, mit Entführungen und Folter mehr zu rechnen als mit "normalen" militärischen Aktionen und schließlich ein fundamentales Gefühl von Fremdheit.
Was Deutschland anbelangt, ist es schwer, sich ein mediales Bild vom andauernden militärischen Einsatz in Afghanistan zu machen. Die Berichterstattung ist auf ein paar wiederkehrende Bilder reduziert: staubige Wüstenlandschaften, die Versuche, zwischen Soldaten und Soldatinnen und dem afghanischen Volk Freundschaft und Vertrauen zu stiften, und die furchtbaren Folgen von Terroranschlägen. Die Folgen des militärischen Einsatzes für die einzelnen Soldaten und Soldatinnen handeln eher Kriminalfilme ab, in denen es um die Folgen nichtverarbeiteter Kriegstraumata geht.
Perspektivwechsel vom Heroismus zum Mitleid
Filme, die den Alltag der amerikanischen und europäischen Soldaten in Afghanistan schildern wie zum Beispiel der dänische Film "Camp Armadillo", stehen mehr oder weniger fiktionalen Geschichten gegenüber, in denen es um Kriegsverbrechen, die Gewissensbisse von Kampfdrohnen-Piloten oder – wie in Feo Aladags Drama "Zwischen Welten" – um die Verantwortung von Bundeswehr-Offizieren für ihre afghanischen Dolmetscher geht. Nicht nur der Krieg, auch der Kriegsfilm verliert an verlässlicher dramaturgischer Einheit. Es gibt keine Kriegserklärungen mehr, keine klare Bestimmung von Sieg oder Niederlage, keine Rückkehr zum Frieden.
In Dantes Satire "Small Soldiers" aus dem Jahr 1998 macht es sich ein Familienvater vor dem Fernseher gemütlich, um einen Film über den Zweiten Weltkrieg anzusehen. "Ah", freut er sich, "das ist mein Lieblingskrieg." Das trifft nicht nur den Umstand, dass aus dem Krieg Unterhaltung geworden ist, sondern auch den, dass dieser Krieg, von dem man nur kurze Zeit hoffte, er könnte der letzte gewesen sein, zum letzten Mal eindeutige Feindbilder, eindeutige Ziele und eindeutige Friedenshoffnungen erzeugte.
Die neuen Kriegsschauplätze können keine solchen eindeutigen Bilder mehr hervorbringen. Umso wichtiger ist es für Filmemacher und Filmemacherinnen geworden, sich mit den einzelnen Menschen, mit Verzweiflung, Verlust und Moral zu beschäftigen, aber auch mit einer Gesellschaft, der es weitgehend gleichgültig ist, was dort draußen mit den Menschen geschieht. Film- und Fernsehproduktionen wie zum Beispiel "Willkommen daheim" erzählen, wie Menschen nach ihrem Militäreinsatz im Ausland in der heimatlichen Zivilgesellschaft nicht mehr Fuß fassen können. Andere wie etwa "Auslandseinsatz" handeln vom schmalen Grat zwischen humanitärer Hilfe und kriegerischer Aktion. Wenn es einen kulturellen Fortschritt im Genre des Kriegsfilms gibt, dann ist es dieser: Der Perspektivwechsel vom Heroismus zum Mitleid.
Die Verbindung von Spiel- und Dokumentarmaterial ist als filmische Technik nicht wirklich neu. Aber das Motiv hat sich geändert. Ging es vorher darum, einer Fiktion den Anschein des Authentischen zu geben, so werden nun immer wieder anscheinend authentische Bilder als Manipulation und Fiktion entlarvt. "Live from Bagdad" aus dem Jahr 2002 beleuchtet die Zusammenhänge von Krieg und Medien: Es geht hier um den Aufstieg von CNN, der sich einen Wettbewerbsvorteil erkämpfte, weil er als einziger Sender über eine Direktleitung nach Bagdad Reporter und Reporterinnen vor Ort direkt berichten lassen konnte. Im Smartphone-Zeitalter sieht das schon wieder ganz anders aus. Wir sind es beinahe schon gewohnt, aus kriegerischen Situationen mit Handybildern von Amateuren versorgt zu werden, deren Positionen und Funktionen allerdings immer fragwürdig bleiben. Der Krieg kommt uns medial immer näher, wird immer direkter, chaotischer, subjektiver. Und er wird zugleich immer unwirklicher, unübersichtlicher, unberechenbarer. Die Bilder des Krieges zerfallen in die blutigen Dokumente des Grauens vor Ort und in die grauenvoll abstrakten, empathielosen Bilder der digitalen Ziel- und Steuermaschinen. Welcher Erzählung, welchem Bild soll man da noch trauen?
Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat für bestimmte Bilder des Krieges den Begriff "Ideogramm" geprägt. Personen, Objekte, Architekturen, Landschaften und Perspektiven gehen eine Einheit der Bedeutung ein, wobei die individuellen und zufälligen Aspekte der Bilder in den Hintergrund treten. Zum Beispiel ein Offizier, der seinen Männern voraneilt. Ein Verwundeter, der im Schoß eines Kameraden nach dem Vorbild der Kreuzabnahme von Maria stirbt. Ein Soldat, der fremden Kindern gegenüber steht. Der Augenblick der Anspannung vor der Schlacht. Der Kriegsfilm als Genre übernimmt solche Ideogramme aus der Schlachtenmalerei und der Kriegsfotografie, und umgekehrt übernehmen jeweils neue visuelle Kriegsberichterstattungen die Ideogramme aus der Welt der Fiktionen und industriellen Traumproduktionen.
Für den Konsumenten ist es umso leichter, die Bilder des Krieges zu "mögen", je mehr sie den Modellen der Ideogramme ähneln, und es ist durchaus im Sinne des Konsumenten, die Bilder der Aktualität des Krieges durch die Ideogramme der fiktionalen Welt zu ersetzen. Das Wesentliche eines Ideogramms besteht darin, dass es zur Zeit seiner Produktion nicht als solches zu erkennen ist. Wie leicht ist es, die Ideogramme vergangener Zeiten, zum Beispiel als propagandistische Begleitung der Weltkriege, zu erkennen. Und wie schwer ist es, in den Kriegsbildern der Gegenwart das Ideogrammatische zu erkennen.
Journalistmus zwischen Gleichgültigkeit und Sensationsgier
Es ist die Pflicht eines verantwortungsvollen Journalismus, von Kriegsschauplätzen zu berichten. Dabei hat man gleich mit zwei gewaltigen Impulsen zu rechnen: Der Gleichgültigkeit und der Sensationsgier. Muss man das eine bedienen, um dem anderen zu entgehen? Ist das, was zum Beispiel in Berg-Karabach geschieht, dem westlichen Publikum mehr oder weniger gleichgültig? Der Kreis schließt sich. Wir fühlen uns in einer Fantasiewelt vom Krieg, in der alles so geschieht, wie wir es erwarten, mittlerweile so zuhause, dass die Bilder vom wirklichen Krieg, die solchen Erwartungen nicht entsprechen, erst zur Kenntnis genommen werden, wenn ein Grad an Katastrophe erreicht ist, bei dem jede Rettung zu spät kommt. Eine Art von Frühwarnung, eine Sensibilität für die Entstehung von Konflikten, eine Fähigkeit, das Widersprüchliche und Unübersichtliche von Situationen zu ertragen, in der das Schema von Held, Feind und Schurke nicht funktioniert, muss entwickelt werden gegen die kompakten, vereinfachten und mehr oder weniger unterhaltsam verpackten Kriegsbilder der Medienfiktionen.
In der Literaturwissenschaft gibt es ein Projekt, das sich "Cassandra" nennt. Es soll aus erzählenden Texten so genannte "gesellschaftliche Großerzählungen" gewinnen und daraus ebenso große Konflikte vorhersehbar machen. Eine vergleichbare Seismographie ließe sich vielleicht aus den audiovisuellen Medien gewinnen. So wie wir heute Bilder vom Krieg ansehen, in Ikonographien und Dramaturgien der Unterhaltung ebenso wie in den Strömen von Nachrichten und Dokumentationen, das könnte auch Aufschluss darüber geben, wie sehr in einer Gesellschaft das Potenzial für Konflikt, Militarisierung und schließlich Kriegsgefahr wächst.
Der Krieg von gestern wird zum Kriegsfilm von heute. Aber vielleicht steckt im Kriegsfilm von heute auch wiederum die Kriegsbereitschaft von morgen.