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Kriegsgefahr am Persischen Golf
Lüders: Krieg gegen Iran wäre fatal

Noch sei unklar, was genau im Persischen Golf vorgefallen sei, sagte der Nahostexperte Michael Lüders im Dlf. Aber die Leichtfertigkeit mit der Teile der US-Regierung den Weg in Richtung Krieg beschritten, sei sehr gefährlich. Die Risiken eines Krieges gegen den Iran würden völlig unterschätzt.

Michael Lüders im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
Der Publizist und Nahost-Experte Michael Lüders
Der Publizist und Nahost-Experte Michael Lüders (imago / allefarben-foto)
Bei der Frage, wer für die Angriffe auf Tanker im Persischen Golf verantwortlich sei, könne nichts ausgeschlossen werden, sagte der Nahostexperte Michael Lüders im Dlf: "Wir werden wahrscheinlich nie erfahren, was vorgefallen ist."
Möglicherweise erlebten wir den Countdown zu dem Versuch, einen Kriegsgrund zu konstruieren gegen den Iran. Wenn sich diese Angriffe auf Öltanker wiederholten, dann sei alles denkbar, sagte Lüders, vor allem da keine Gesprächskanäle mehr zwischen Washington und Teheran existierten.
Die Gefährlichkeit eines Waffengangs gegen den Iran werde von vielen Beobachtern völlig unterschätzt. Der Iran sei nicht der Irak unter Saddam Hussein, sagte Lüders. Wenn es zu einem Krieg gegen den Iran komme, dann werde die ganze Region östlich des Suezkanals bis hin zur indischen Grenze in Mitleidenschaft gezogen. "Es wird eine gewaltige Explosion geben."
Wenn der Liter Benzin acht oder zehn Euro kostet
Das wäre nicht nur für die Weltwirtschaft fatal, etwa durch die Explosion der Erdölpreise, sondern auch durch den Umstand, dass sich Russland und China hinter den Iran stellen würden. "Es gibt Schätzungen, wonach der Ölpreis im Kriegsfall auf bis zu 300 Dollar ansteigen könnte, derzeit sind es 63. Man kann sich vorstellen, was das bedeutet, wenn der Liter Benzin acht oder neun oder zehn Euro kosten würde."
Vorangetrieben werde die Entwicklung von Kräften, "die glauben, dass man Großmachtpolitik ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen könnte", sagte Lüders. Dabei könnten die Amerikaner wissen, dass der Iran ein sehr ernst zu nehmender Gegner sei, der nicht unterschätzt werden sollte.

Das Interview in voller Länge:
Dirk-Oliver Heckmann: Der Nahostexperte Michael Lüders, schönen guten Tag Herr Lüders!
Michael Lüders: Schönen guten Tag, Herr Heckmann!
Heckmann: Die amerikanische Regierung veröffentlicht also ein Video, auf dem angeblich Angehörige der iranischen Revolutionsgarde zu sehen sind, die sich angeblich an einem der Schiffe zu schaffen machten. Haben Sie Zweifel an einer Urheberschaft des Iran?
Lüders: Ich glaube, dass man nicht seriöserweise beurteilen kann, was hier vorgefallen ist. Das Timing ist ja bemerkenswert, wir haben es in dem Bericht gehört, die USA haben keine Belege im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorgelegt für eine iranische Urheberschaft oder Beteiligung. Nun, kurz darauf, kommt dieses Video ans Licht. Grundsätzlich ist nichts auszuschließen. Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass iranische Revolutionsgardisten hier versuchen, die USA zu provozieren oder eine Warnung zu richten an die USA, wenn es zum Äußersten kommt, dann wird der Erdölexport durch die Straße von Hormus nicht mehr erfolgen können. Es ist genauso gut möglich, dass saudische oder emiratische Geheimdienste hier mit die Finger im Spiel haben, wir werden es wahrscheinlich nie erfahren, was vorgefallen ist. Tatsache ist, dass diese Ereignisse jetzt sich in eine Kette einordnen von Provokationen in den vergangenen Wochen, und das Szenario, das sich immer mehr aufbaut, ist natürlich eines der deutlichen Verurteilung, vor allem durch US-Außenminister Pompeo, durch die US-Regierung. Und irgendwann wird natürlich der Punkt kommen, wo die amerikanische Seite – aus ihrer Sicht zurecht – wird argumentieren können, wir müssen jetzt eingreifen, sonst geraten die Dinge außer Kontrolle.
Heckmann: Das ganze also möglicherweise eine vorbereitende Aktion?
"Es gibt keine Gesprächskanäle mehr zwischen Washington und Teheran"
Lüders: Es ist nicht auszuschließen, dass wir jetzt gewissermaßen den Countdown erleben zu dem Versuch, einen Kriegsgrund zu konstruieren gegen den Iran. Die Weltgemeinschaft ist sich ja weitgehend einig in ihrer Verurteilung iranischer Politik. Und vor diesem Hintergrund kann man natürlich auch zurecht dem Iran vieles vorwerfen, und wenn sich diese Angriffe wiederholen, dann ist alles denkbar – umso mehr, als es ja keine Gesprächskanäle mehr gibt zwischen Washington und Teheran. Beide Seiten sind zurzeit nicht bereit, miteinander ernsthaft zu verhandeln. Und aus iranischer [Sicht] kann man ja nicht ganz zu Unrecht darauf verweisen, was wären denn neue Verträge mit den USA wert, wenn sie doch jederzeit wieder aufgekündigt werden könnten von einer nachfolgenden Administration, wie das ja auch mit dem Atomvertrag in diesem Fall der Fall gewesen war.
Heckmann: Herr Lüders, lassen Sie uns noch mal einen Schritt zurückgehen, lassen Sie uns noch mal auf das Video zurückkommen. Sie sind da vorsichtig bei der Interpretation dieser Bilder, der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul, der hat uns heute früh im "Deutschlandfunk" ein Interview gegeben, und der hat dazu Folgendes gesagt:
O-Ton Wadephul: Die westliche Welt hat schon Nachrichtendienste, die leistungsfähig sind, und da denke ich schon, kann noch mehr auf den Tisch kommen. Ich würde jetzt aber auch weder den Amerikanern, noch den Briten von vorneherein unterstellen, dass sie sozusagen die Welt an der Nase herumführen, sondern das wird schon einen ernsthaften Hintergrund haben.
Heckmann: Soweit also der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul heute früh. Haben Sie, Herr Lüders, Grund, den Amerikanern und Briten Lüge vorzuwerfen?
"Man muss davon ausgehen, dass Lügen eine große Rolle spielen"
Lüders: Na ja, wenn wir uns an die jüngere Geschichte in der Region erinnern, beispielsweise an den Krieg, den völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak im Jahr 2003, können wir uns gut erinnern, was da für Beweise konstruiert worden sind, um den Krieg gegen den Irak, der längst beschlossen war, nach außen hin zu legitimieren. Der eine oder andere wird sich auch noch daran erinnern, wie 1991 kurz vor der Befreiung Kuwaits von irakischer Besatzung es herzergreifende Bilder gab über Brutkästen von Babys, die angeblich von irakischen Soldaten geschändet worden sind, was mit ein Grund war für die USA, dann einzugreifen. Ich glaube, dass man im Bereich der Kriegsvorbereitung immer davon ausgehen muss, dass Lügen eine große Rolle spielen.
Das große Risiko ist in diesem Zusammenhang die Gefährlichkeit eines Waffenganges gegen den Iran. Das ist, glaube ich, etwas, das viele Beobachter völlig unterschätzen. Der Iran ist nicht der Irak unter Saddam Hussein. Wenn es zu einem Krieg kommt gegen den Iran, dann wird östlich des Suez-Kanals bis hin zur indischen Grenze die gesamte Region in Mitleidenschaft gezogen werden, es wird eine gewaltige Explosion geben. Und es ist nicht nur für die Weltwirtschaft dann fatal, das Ergebnis, das wir hätten – Explosion der Erdölpreise –, sondern auch der Umstand, dass Russland und China sich hinter den Iran stellen würden. Das alles birgt sehr, sehr viele Gefahren, und man muss höllisch aufpassen, dass man jetzt nicht in einer Situation sich wiederfindet, wie es den Europäern im August 1914 schon einmal ergangen ist.
Heckmann: Wenn das alles richtig ist, was Sie sagen, dann stellt sich die Frage: Wer könnte ein Interesse an einer Eskalation der Lage haben?
"Gefährlich für die Region und für uns alle auf der Welt"
Lüders: Diejenigen Kräfte, die glauben, dass man Großmachtpolitik ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen könnte, die nicht auf Dialog, sondern auf Konfrontation setzen. Dabei könnten auch die Amerikaner selber durchaus wissen, dass der Iran ein sehr ernst zu nehmender Gegner ist. Es gab im Jahr 2002 ein sehr interessantes Planspiel des Pentagons unter dem Namen Millennium Challenge. Und damals wurde geprobt, was jetzt im Grunde genommen stattfindet, in diesem Planspiel begab sich ein größerer US-Truppenverband in den Persischen Golf, gleichzeitig wurde die iranische Regierung aufgefordert, ihr Verhalten grundsätzlich zu verändern, idealerweise zurückzutreten. Das geschah nicht, es kam zum Krieg. Und in diesem Planspiel, das ist wirklich bemerkenswert, haben die Iraner keine 24 Stunden gebraucht, um insgesamt 17 US-amerikanische Kriegsschiffe zu versenken, darunter ein Flugzeugträger. Es hätte den Tod bedeutet von mehr als 20.000 US-Soldaten. An dieser Stelle hat das Pentagon das Planspiel abgebrochen. Es ist also nicht so, dass man den Iran unterschätzen sollte, egal, was man von der dortigen Führung hält, da gibt es viel dran zu kritisieren. Aber die Leichtfertigkeit, mit der die US-Administration unter Donald Trump, zumindest Teile davon, den Weg in Richtung Krieg beschreiten, die ist gefährlich für die Region und für uns alle auf der Welt.
Heckmann: Wir haben es gerade in einem der Berichte gehört, die Lage ist auch deswegen so schwer einzuschätzen, weil es offensichtlich keinen einheitlichen Kurs der amerikanischen Administration gibt. Sehen Sie da auch Friktionen?
"Auch die Wirtschaft ist natürlich besorgt"
Lüders: Auf jeden Fall. Es gibt die Hardliner-Fraktion um die Herren Bolton und Pompeo, der Sicherheitsberater und den Außenminister, sie würden lieber heute als morgen den Iran angreifen, weil sie glauben, ein paar Raketen auf Teheran und die Mullahs werden ihre Kapitulationsurkunde unterzeichnen. Das werden sie nicht, siehe auch dieses Planspiel des Pentagons. Und gleichzeitig gibt es natürlich gerade aufgrund dieses Planspiels diese erfahrenen Militärs in den USA, die sehr davon abraten, den Iran voreilig in einen Krieg hineinzuziehen. Und auch die Wirtschaft ist natürlich besorgt, denn es gibt Schätzungen, denen zufolge im Kriegsfall der Preis pro Barrel Öl auf bis zu 300 Dollar ansteigen könnte, gegenwärtig sind es 63 Dollar, das entspricht also fast einer Verfünffachung. Man kann sich vorstellen, was das für die Weltwirtschaft bedeutet, wenn der Liter Benzin an der Tankstelle acht, neun oder zehn Euro kostet.
Heckmann: Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Lüders: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.