Geschichte liegt und lastet ja wie Bleistaub auf dem Stück – mit der Patina der allerersten Nachkriegszeit und der mit der Aura des Leidens all der Geschundenen, die das Schlachten überlebten; mit der Legende des Autors Wolfgang Borchert zudem, der sich den Text in acht Tagen von der Seele geschrieben haben soll und die auf die Hörspielfassung im NWDR folgende Uraufführung an den Hamburger Kammerspielen schon nicht mehr erlebte; zwei Tage vorher war er gestorben, 26 Jahre alt. 65 Jahre ist das her; das Theaterfoto vom Ur-Beckmann zeigt Hans Quest mit der an Gummizügen gehaltenen Brille: eine Mumie - wie es scheint, hat solchen Bild-Ikonen gegenüber Chancen nur, wer möglichst viele dieser langen historischen Schatten so intensiv wie möglich zu ignorieren, wer sich dem Würgegriff der Geschichte zu entziehen versucht.
Volker Lösch wollte neulich an der Berliner Schaubühne einen Anti-Kriegs-Abend machen aus dem Stück – und scheiterte; die Produktion schaffte es nicht bis zur Premiere. Luk Perceval gelang am Thalia Theater in Hamburg das Kunststück, das Beckmann-Gefühl durch konsequente Abstraktion in einer Art Rock-Konzert zu brechen; den jungen Heimkehrer ließ der Regisseur zudem auf im Grunde immer wieder dasselbe alte Gegenüber treffen, bestenfalls auf ein Paar – und wie Perceval löst jetzt auch David Bösch in Bochum zuallererst und vor allem die voluminöse Personen-Struktur auf. Also tritt kein Oberst auf und kein Variete-Direktor, auch nicht die Nachmieter in der Wohnung der offenbar nazibelasteten Beckmann-Eltern, die sich im Selbstmord auf den Weg hin zum großen Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf machten.
Beckmanns abendfüllender Streit mit dem anderen Ich, das viele der Echos der Beckmann-Passion übernimmt; auch das Mädchen bleibt im Spiel, das Beckmann fast eine Liebesperspektive eröffnet hätte – und der Kollege Selbstmörder, den Beckmann, selbst vertrieben aus dem eigenen Bett, seinerseits zum Hahnrei machte. Auch Tod selber spielt mit; und Gott.
Er, dieser Gott, an den keiner mehr glaubt, eröffnet den Abend, aus der verstaubten Heiligen Schrift scheint er "Das Buch Beckmann" lesen zu wollen. Der aber verweist ihn in die Unterwelt: ein Loch im Sand, den Dirk Thiele auf die Bochumer Bühne schippen ließ, neben einer Tümpelpfütze, die "die Elbe" spielt. Das große Zweifeln am "lieben Gott", Borcherts fundamentales Finale, wird hier zum Prolog; danach lässt Bösch beide Beckmanns mit allerlei Tricks, parallelen Texten und Aktionen vor allem, die eigene Austauschbarkeit grundieren – allerdings ganz ohne Borcherts doppelgesichtige Aufspaltung in Opti- und Pessimist. Verloren sind ja beide in den schmierig vergammelten Armee-Klamotten, die erst gar keine Assoziation mehr aufkommen lassen zu Borcherts historischem Anlass – hier war und ist und wird immer sein: der Krieg. Er ist drinnen wie draußen, um die Beckmänner aller Zeiten herum und in ihnen drin; und Deutschland wird am Hindukusch verteidigt.
Damit kommt Bösch der fundamental zerstörerischen Energie auf die Spur, die Borcherts Text jenseits der historischen Heimkehrer-Klage durchzieht. Gott als alter Gammler und Hippie hatte das Erste und er behält auch das letzte Wort – aber jetzt glaubt offenbar nicht mal mehr die Bochumer Bühnentechnik an ihn … Der Eiserne Vorhang in den Kammerspielen bleibt jedenfalls auf halber Höhe hängen.
Bösch hat eine kompakte Sicht auf das schwierige Material gefunden, finster im Blick auf Kriege von heute und allemal überzeugend. Und dafür bricht dann in diesem Theater ein Jubelsturm los bis zum Klatschmarsch – nach längerer Bochum-Pause ist die Begeisterungsfähigkeit dieses Publikums immer wieder ein Wundern wert. Es muss ein Glück sein, hier zu spielen.
Volker Lösch wollte neulich an der Berliner Schaubühne einen Anti-Kriegs-Abend machen aus dem Stück – und scheiterte; die Produktion schaffte es nicht bis zur Premiere. Luk Perceval gelang am Thalia Theater in Hamburg das Kunststück, das Beckmann-Gefühl durch konsequente Abstraktion in einer Art Rock-Konzert zu brechen; den jungen Heimkehrer ließ der Regisseur zudem auf im Grunde immer wieder dasselbe alte Gegenüber treffen, bestenfalls auf ein Paar – und wie Perceval löst jetzt auch David Bösch in Bochum zuallererst und vor allem die voluminöse Personen-Struktur auf. Also tritt kein Oberst auf und kein Variete-Direktor, auch nicht die Nachmieter in der Wohnung der offenbar nazibelasteten Beckmann-Eltern, die sich im Selbstmord auf den Weg hin zum großen Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf machten.
Beckmanns abendfüllender Streit mit dem anderen Ich, das viele der Echos der Beckmann-Passion übernimmt; auch das Mädchen bleibt im Spiel, das Beckmann fast eine Liebesperspektive eröffnet hätte – und der Kollege Selbstmörder, den Beckmann, selbst vertrieben aus dem eigenen Bett, seinerseits zum Hahnrei machte. Auch Tod selber spielt mit; und Gott.
Er, dieser Gott, an den keiner mehr glaubt, eröffnet den Abend, aus der verstaubten Heiligen Schrift scheint er "Das Buch Beckmann" lesen zu wollen. Der aber verweist ihn in die Unterwelt: ein Loch im Sand, den Dirk Thiele auf die Bochumer Bühne schippen ließ, neben einer Tümpelpfütze, die "die Elbe" spielt. Das große Zweifeln am "lieben Gott", Borcherts fundamentales Finale, wird hier zum Prolog; danach lässt Bösch beide Beckmanns mit allerlei Tricks, parallelen Texten und Aktionen vor allem, die eigene Austauschbarkeit grundieren – allerdings ganz ohne Borcherts doppelgesichtige Aufspaltung in Opti- und Pessimist. Verloren sind ja beide in den schmierig vergammelten Armee-Klamotten, die erst gar keine Assoziation mehr aufkommen lassen zu Borcherts historischem Anlass – hier war und ist und wird immer sein: der Krieg. Er ist drinnen wie draußen, um die Beckmänner aller Zeiten herum und in ihnen drin; und Deutschland wird am Hindukusch verteidigt.
Damit kommt Bösch der fundamental zerstörerischen Energie auf die Spur, die Borcherts Text jenseits der historischen Heimkehrer-Klage durchzieht. Gott als alter Gammler und Hippie hatte das Erste und er behält auch das letzte Wort – aber jetzt glaubt offenbar nicht mal mehr die Bochumer Bühnentechnik an ihn … Der Eiserne Vorhang in den Kammerspielen bleibt jedenfalls auf halber Höhe hängen.
Bösch hat eine kompakte Sicht auf das schwierige Material gefunden, finster im Blick auf Kriege von heute und allemal überzeugend. Und dafür bricht dann in diesem Theater ein Jubelsturm los bis zum Klatschmarsch – nach längerer Bochum-Pause ist die Begeisterungsfähigkeit dieses Publikums immer wieder ein Wundern wert. Es muss ein Glück sein, hier zu spielen.