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Krim-Krise
Diplomatie hinter den Kulissen

Moskau redet nicht mit Kiew, weil es die Regierung dort nicht anerkennt; Kiew redet nicht mit Moskau, weil russische Truppen die Krim besetzt haben. Eine Gesprächslösung scheint deshalb unmöglich. Und doch gibt es Experten, die optimistisch bleiben.

Von Marc Engelhardt |
    Das Zentrum für humanitären Dialog liegt direkt am Genfer See. Die Sonne scheint durch die hohen Fenster, vor denen David Gorman sitzt, Osteuropa-Direktor der Organisation. Gleich wird er in ein Flugzeug steigen und weiterreisen, denn das ist sein Job. Seit 20 Jahren vermittelt der Brite in scheinbar aussichtslosen Konflikten. Die Krimkrise könnte der nächste sein.
    "Was wir derzeit vor allem hören, das sind die Maximalpositionen, mit denen der Gegner eingeschüchtert und Anhänger motiviert werden sollen. Da bekommt man schnell das Gefühl, ein Kompromiss ist unmöglich. Hinter den Kulissen wird aber bereits geredet."
    Gorman hat in Bosnien vermittelt, im Mindanao-Konflikt auf den Philippinen und in der indonesischen Provinz Aceh. All diese Konflikte galten als unlösbar. Auch deshalb glaubt der Politikwissenschaftler, dass sich aus den Gesprächen von damals Lehren für die Krimkrise ziehen lassen.
    "Zum Beginn solcher Gespräche ist Vertrauen das Wichtigste. Man muss mit ganz kleinen Dingen anfangen, um eine Basis aufzubauen. Und sei es nur, dass man vereinbart, die Situation zunächst zu belassen, wie sie ist. Und dann kann man über eine Struktur für Verhandlungen sprechen, wie etwa die Kontaktgruppe, über die derzeit immer wieder gesprochen wird."
    "Mehr als das bloße Austauschen bekannter Positionen"
    Eine Kontaktgruppe - das kann alles sein. Und doch kommt kaum eine Konfliktmediation ohne sie aus. Hier sammeln beide Konfliktparteien Freunde, Unterstützer und Garanten - oft wird das Gespräch erst dadurch möglich. Die Kontaktgruppe selbst kann sich dann aus dem Werkzeugkasten der Diplomatie bedienen. Und der ist voller, als man denken mag, denn Diplomatie, das wissen Gorman und seine Kollegen vom Genfer Zentrum für humanitären Dialog, ist mehr als das bloße Austauschen bekannter Positionen.
    "Im Verlauf solcher Verhandlungen ist alles denkbar, was beide Seiten akzeptieren: die Entsendung von Beobachtern, die Einschaltung eines von beiden Seiten anerkannten Mittlers oder auch der Zivilgesellschaft. Mit der Zeit verändern sich Architektur und Inhalt der Verhandlungen: Streitpunkte, die am Anfang unlösbar schienen, können in den Hintergrund treten."
    So langfristig Mediationen angelegt sind, so wichtig ist der Beginn. Die Auswahl derjenigen, die überhaupt mitverhandeln, etwa. Institutionen wie die OSZE oder die UNO bringen große Kapazitäten und Wissen ein und unterschiedliche Staaten haben unterschiedliche Zugänge zu den Konfliktparteien. In einer funktionierenden Kontaktgruppe hat jeder Teilnehmer eine spezielle Rolle, während die Gruppe als Ganzes ein gemeinsames Ziel verfolgt.
    "Wir hatten eine sehr erfolgreiche Kontaktgruppe in Mindanao. Da gab es Regierungen, die jeweils einer Konfliktpartei als Anwalt zur Seite gestanden haben. Dann gab es eine, die mit der Zivilgesellschaft gut vernetzt war. Eine hatte besondere Expertise bei Strukturfragen, wieder eine andere hat die Ergebnisse mit der internationalen Gemeinschaft abgestimmt. Was Sie brauchen ist ein Mix verschiedener Fertigkeiten."
    Keine Alternative zur Diplomatie?
    Und doch stellt sich unweigerlich das Gefühl ein, dass für die Diplomatie, die Probleme so langfristig angeht, gar keine Zeit mehr ist. Muss man nicht deshalb auf eine militärische Lösung setzen? Nein, sagt Gorman und nennt als Beispiel ausgerechnet den Zypern-Konflikt, der seit vier Jahrzehnten ungelöst ist.
    "Ist es wirklich nur schlimm, dass die Krise auf Zypern ungelöst ist? Wenn man die Lage aus der Perspektive vom Anfang betrachtet, dann muss man doch sagen: Immerhin ist seit 40 Jahren niemand mehr erschossen worden."
    Der iranische Diplomat Said Dschalil sagte einmal, Diplomatie sei wie das Weben eines Teppichs: Man komme nur millimeterweise voran. Doch David Gorman ist sich sicher: Eine Alternative zur diplomatischen Beilegung der Krimkrise gibt es nicht. Krieg sei keine Lösung, sondern mache die danach zwangsläufig folgenden Verhandlungen nur noch schwieriger.