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Krim-Krise
Grünen-Politiker: Putin ist ein Verbrecher und ein Lügner

Harte Worte findet Werner Schulz, Europapolitiker von Bündnis90/Die Grünen, zum Verhalten Putins in der Krim-Krise. Über die bisherigen Sanktionen habe der Kreml vermutlich eher gelacht, sagte er im DLF. Es müssten nun einschneidende wirtschaftliche Sanktionen der EU folgen.

Werner Schulz im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Nach dem Referendum: Die Flagge der Sowjetunion ist vor dem Regionalparlament in Simferopol gehisst.
    Nach dem Referendum: Die Flagge der Sowjetunion ist vor dem Regionalparlament in Simferopol gehisst. (dpa / Markku Ulander)
    Dirk-Oliver Heckmann: Zugeschaltet ist uns Werner Schulz von Bündnis 90/Die Grünen. Er sitzt im Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments. Schönen guten Tag, Herr Schulz.
    Werner Schulz: Schönen guten Tag.
    Heckmann: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz ist sich sicher, auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn ebenfalls: Die Krim, die ist verloren. Sehen Sie das auch so?
    Schulz: Ich finde das schon ungeheuerlich, wenn man das so sagt. Wir müssen daran erinnern: Es gibt ein Memorandum von Budapest von 1994, da haben sich die Garantiemächte Russland, USA und Großbritannien verpflichtet, die territoriale Integrität der Ukraine, so wie sie damals bestand, zu garantieren. Auf der Gegenseite war die Ukraine bereit, ihre Atomwaffen abzugeben. Also ist es ein eklatanter Bruch des Völkerrechts. Und den können wir nicht hinnehmen und den können wir auch nicht auf kurz oder lang akzeptieren.
    Heckmann: Das heißt, für Sie ist die Krim nicht verloren an Russland?
    Schulz: Ob verloren, das ist immer so eine Sache. Ich glaube, wir dürfen das nicht aufgeben, das als Völkerrechtsbruch deutlich zu markieren und auch diplomatisch versuchen, dass hier eine Lösung gefunden wird und dass möglicherweise ein Autonomiestatus für die Krim gefunden wird, wobei sie den ja eigentlich schon hatte. Es ist eine kalte Annexion und wir dürfen praktisch diesem Triumph von Putin nicht noch den Segen geben.
    Heckmann: Nicht noch den Segen geben, aber de facto hinnehmen?
    Schulz: Zunächst muss man das hinnehmen, das ist klar, weil wir wollen keine militärische Auseinandersetzung. Das ist die Art, wie Wladimir Putin Tatsachen schafft. Er schickt sein Militär auf die Krim und behauptet, das sei gar nicht sein Militär. Es ist eine Verdrehung der Tatsachen. Er ist nicht nur ein Verbrecher, der das Völkerrecht gebrochen hat; er ist auch ein Lügner, der uns mit seiner Demagogie überschüttet.
    Heckmann: Herr Schulz, zunächst hieß es ja auch aus dem Westen, die territoriale Integrität der Ukraine sei nicht verhandelbar. Jetzt heißt es, die Krim sei verloren. Putin muss sich doch im Prinzip ermuntert fühlen, das gleiche Spiel mit der Ostukraine zu veranstalten, oder?
    Schulz: Ja, natürlich! Wenn man das hinnimmt und er das Gefühl hat, dass entsprechende Maßnahmen oder Sanktionen ausbleiben, dann fühlt er sich eher ermuntert, das Ganze fortzusetzen. Seine Eurasische Union, die er bilden will, zielt ja nicht nur auf die Krim. Er hat ja die Ukraine als Ganzes im Auge und auch andere Post-Sowjetstaaten. Er möchte ja so eine Re-Integration im postsowjetischen Raum betreiben mit dieser Eurasischen Union.
    Heckmann: Man kann allerdings der Europäischen Union und auch den USA nicht vorwerfen, dass sie eben nicht reagiert haben. Erst gestern sind weitere Sanktionen beschlossen worden und auch dabei, umgesetzt zu werden.
    Schulz: Na gut, das sind mehr oder weniger symbolische Aktionen oder Sanktionen. Die tun noch niemandem weh und ich glaube, im Kreml hat man eher darüber gelacht. Die Leute aus der zweiten Reihe haben gesagt, werden wir endlich mal bekannt und mit Namen genannt. Also die waren bereits darauf eingerichtet. Putin hat ohnehin schon aufgefordert, seit langer Zeit, dass das Kapital nach Russland zurückkommen sollte. Und ich glaube, da gibt es nicht mehr viele Konten zu sperren. Die sind bereits aufgelöst und dieses Geld ist längst nach Russland oder woanders hingegangen. Und Einreisesperren – da sind vielfach Leute dabei, die sind bisher nicht in die USA oder in die Europäische Union gereist. Nein, das müsste dann schon ein wesentlich größerer Personenkreis sein, die nicht mehr an ihre Villen an der Cote d'Azur kommen oder zu ihren Shopping-Touren nach Paris und London.
    Heckmann: Einreiseverbote und Kontensperrungen, Sie haben es gerade selbst erwähnt. Nicht auf der Liste der Betroffenen ist Wladimir Putin. Dabei ist er doch der Hauptverantwortliche für die Entwicklungen aus Ihrer Sicht?
    Schulz: Na gut, man muss das Gespräch offen halten. Es ist ja immer noch die Hoffnung, dass man zu einer diplomatischen Verständigung kommt. Und insofern wird man darauf angewiesen sein, dass man sich mit Putin trifft, da oder dort, wo immer das möglich ist. Aber es kann natürlich nicht so weitergehen, dass wir so ganz normale diplomatische Beziehungen unterhalten. So eine Routine á la G-8-Gipfel darf es halt nicht geben, sondern das Gespräch muss offen bleiben über Fragen, dass Russland zum Recht zurückkommt.
    Über Werner Schulz
    Geboren 1950 in Zwickau, Sachsen. Der Politiker der Partei Bündnis 90/Die Grünen studierte bis 1972 an der Humboldt-Universität in Berlin Lebensmittelchemie und schloss mit dem Diplom-Ingenieur ab. Bis 1980 war er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig, wurde aber nach seinem Protest gegen den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan fristlos entlassen. Er engagierte sich in der DDR in verschiedenen Oppositionsgruppen, war dann 1990 Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen in der ersten frei gewählten Volkskammer. Im Anschluss war er bis 2005 Abgeordneter im Bundestag. Seit 2009 ist er Abgeordneter des Europäischen Parlaments und dort Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten.
    Heckmann: Wie soll das geschehen, ist die große Frage? Sie haben gerade gesagt, über die bisher beschlossenen Sanktionen hätten sich die Verantwortlichen in Moskau wahrscheinlich eher kaputt gelacht. Das heißt aus Ihrer Sicht, Wirtschaftssanktionen müssten jetzt der nächste Schritt sein?
    Schulz: Wir haben ja keine anderen Mittel, wenn wir militärische definitiv ausschließen. Dann haben wir eigentlich nur die Möglichkeit, mit Selbstbewusstsein und Ausdauer jetzt an weitere Sanktionen heranzugehen, die tatsächlich wirken. Das ist das Einzige, um Putin zu zwingen, auf den Weg der Verhandlung zurückzukommen. Das heißt, das sind dann wirtschaftliche Sanktionen, die müssen gezielt sein. Da wird immer über Gas geredet; darum geht es, glaube ich, gar nicht mal in erster Linie, sondern wir könnten beispielsweise die Rüstungskooperation einstellen, die Rüstungsexporte, dass die Mistral-Schiffe aus Frankreich nicht geliefert werden, die Aufträge von Rheinmetall für ein militärisches Übungscenter nicht ausgeliefert werden, Dual Use Güter, die Russland braucht für seine ehrgeizige militärische Aufrüstung. Und andere technologisch einschneidende Sanktionen.
    Heckmann: Aber klar ist doch eigentlich schon jetzt, dass Putin nicht einlenken kann, schon aus innenpolitischen Gründen. Ganz kurz noch zum Schluss, Herr Schulz.
    Schulz: Das wird sich zeigen, weil wenn diese Maßnahmen wirken, wird er auch innenpolitisch Druck bekommen. Er hat ja Angst vor dieser innenpolitischen Wiederholung des Maidan im eigenen Land. Das ist ja sein Problem.
    Heckmann: Werner Schulz von Bündnis 90/Die Grünen, schönen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.