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Krim-Krise
"Keine Alternative zum Dialog"

Die Bundesregierung setzt weiterhin auf Diplomatie: Nur mit einer "verbindlichen Zusage zum Dialog" sei ein Herauskommen aus der jetzigen Situation möglich, sagte der Koordinator für die deutsch-russische Zusammenarbeit, Gernot Erler (SPD), im Deutschlandfunk.

Gernot Erler im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Porträt von Gernot Erler
    Der SPD-Politiker Gernot Erler ist Koordinator für die deutsch-russische Zusammenarbeit (dpa / Patrick Seeger)
    Friedbert Meurer: In der anderen Leitung begrüße ich Gernot Erler. Er ist der Koordinator der Bundesregierung unter anderem für Osteuropa und SPD-Bundestagsabgeordneter. Guten Morgen, Herr Erler.
    Gernot Erler: Guten Morgen, Herr Meurer.
    "Die Sanktionen sind moderat"
    Meurer: Großer Schaden für die ganze Welt kann entstehen, sagt uns gerade Herr Krasnizkij. Sind die Sanktionen, über die die EU nachdenkt, vielleicht kontraproduktiv?
    Erler: Die Sanktionen sind zunächst einmal vor allen Dingen moderat und sie sind abgestuft und sie gehen nach einem Drei-Stufen-Plan, der von der EU schon am 6. März beschlossen worden ist, und insofern besteht immer die Möglichkeit, auch rauszukommen aus irgendeinem Mechanismus der Steigerung dieser Sanktionen. Ich fand es ja bemerkenswert, dass Oleg Krasnizkij eben gesagt hat, es bestehe auf russischer Seite das Interesse, eine diplomatische und politische Lösung für die Krise zu finden. Das war genau das, was die westliche Seite und was ganz besonders Deutschland immer vorgeschlagen hat, nämlich eine Kontaktgruppe zu bilden und in das direkte Gespräch einzutreten zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation, um die Probleme zu lösen.
    Meurer: Nur Dialog, Herr Erler, kann man leicht predigen. Auf die Taten kommt es an. Ist in Wahrheit dieser Dialogansatz von Frank-Walter Steinmeier, der ja auch Ihrer ist, nicht gescheitert?
    Erler: Ich wüsste keine Alternative, wie man aus der jetzigen Situation herauskommen kann, ohne dass es nun mal eine verbindliche Zusage von Russland gibt. Denn ich meine, wir haben das ja immer vorgeschlagen, auch hier zu helfen und hier das zu unterstützen, wenn es so eine solche Plattform für ein Gespräch, für einen bilateralen Dialog gibt, und leider hatten wir immer eine hinhaltende Antwort, keine ablehnende, aber eben eine hinhaltende bekommen. Vielleicht ändert sich ja das jetzt in dieser Woche.
    Abstufung der Sanktionen sinnvoll
    Meurer: Reden wir über Sanktionsstufe II, die die EU in dieser Woche beschließen will: Einreiseverbote, Kontensperren. Da war ursprünglich mal davon die Rede, dass auf dieser Einreiseverbotsliste im Prinzip die gesamte russische Führung stehen soll, außer Wladimir Putin und seinem Außenminister Sergei Lawrow. Aber der Verteidigungsminister, der nationale Sicherheitsrat, der Wirtschaftsberater und und und – ist die Liste jetzt ziemlich aufgeweicht worden?
    Erler: Nein. Es war von vornherein klar, dass man hier bei diesen Sanktionen Abstufungen vornimmt, weil man ja ein großes Interesse daran hat, immer auch die Tür offenzulassen, um abzubiegen in den diplomatischen Bereich, in den Gesprächsbereich. Gut: Heute werden die Außenminister in Brüssel beraten über die Einzelheiten, und ich weiß nicht, ob sie sofort sich auch auf Listen festlegen. Auf jeden Fall wird an diesen Listen gearbeitet und ich erwarte eigentlich, dass wir jetzt unmittelbar nach dem Referendum nicht sofort eine ungeheuerlich umfangreiche Liste bekommen, sondern dass man sich vorbehält, hier auch dann noch Erweiterungen vorzunehmen, falls es kein Entgegenkommen der russischen Seite gibt in die Richtung, die ich beschrieben habe.
    Meurer: Die Europäische Union berät Sanktionen. Sind Sie für relativ weiche Sanktionen, wenn ich das richtig verstehe?
    Erler: Ich meine, die Tatsache ist ja, dass die Union vorsichtig herangegangen ist. Das ist ein Kompromiss gewesen. Sie wissen, dass die Bundesrepublik eher zurückhaltend gewesen ist von Anfang an, was Sanktionen angeht, und dass man sagt, es muss auf jeden Fall immer diese Möglichkeit geben, da auch eine Eskalation, die unkontrolliert wird, zu vermeiden.
    Meurer: Aber die weiche Linie scheint Russland nicht zu beeindrucken?
    Erler: Das werden wir abwarten. Wir wissen jetzt nicht, wie Russland sich in dieser Woche verhält. Es wird ja noch ein paar Tage dauern, bis die Duma wahrscheinlich am Freitag dann eine politische Antwort formulieren wird auf das Referendum, und dann sind auch noch bestimmte Verfassungsprozesse notwendig. Also es ist nicht zwingend, dass jetzt sofort Fakten geschaffen werden, und dass sind ja gerade die Phasen, in denen es dann auch möglich ist, in ein Gespräch zu kommen. Wir sind ja auch darauf angewiesen, diese Frage der ukrainischen Streitkräfte auf der Krim noch zu lösen. Da habe ich den Eindruck, dass es schon erste Gesprächskontakte auch tatsächlich zwischen beiden Seiten gibt. An solche Dinge kann man dann immer sinnvollerweise anknüpfen.
    Sanktionen und die deutsche Wirtschaft
    Meurer: Die deutsche Wirtschaft hält von Sanktionen nichts. Nimmt die Bundesregierung zu viel Rücksicht auf die Interessen der deutschen Wirtschaft, zu Lasten von Prinzipientreue?
    Erler: Ich finde bemerkenswert, was wir da in den letzten Tagen von der deutschen Wirtschaft gehört haben. Das war eben nicht nur ein ganz klares Statement, dass es gegen unsere Interessen ist, wenn es eine Sanktionseskalation gibt, sondern auch eine ganz klare Aussage, es gäbe Werte in der internationalen Politik, und wenn eine wertegeleitete Außenpolitik auch dahin führe, solche Sanktionen für richtig zu halten und für unvermeidlich zu halten, dann würde das die deutsche Wirtschaft auch anerkennen. Ich finde das sehr bemerkenswert.
    Meurer: Gernot Erler, der Koordinator der Bundesregierung unter anderem für Osteuropa (SPD). Herr Erler, ich bedanke mich für das Gespräch und die Zeit, die Sie für uns hatten. Auf Wiederhören!
    Erler: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.