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Krim-Krise
Wirtschaft sorgt sich wegen Sanktionen

Kurz vor dem umstrittenen Krim-Referendum zeichnen sich konkrete Sanktionen gegen Russland ab, mit denen der Westen auf eine Abspaltung der Halbinsel von der Ukraine reagieren will. Unterdessen wachsen die Sorgen bei den Unternehmen vor wirtschaftlichen Folgen.

Von Brigitte Scholtes |
    Niemand will sie, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Wirtschaftssanktionen gegen Russland kommt, wird immer größer. Die deutsche Wirtschaft ist gegen solche Strafmaßnahmen, so sagte Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie heute im Deutschlandfunk:
    "Wirtschaftssanktionen würden beide Seiten empfindlich stören. Auf der anderen Seite gibt es das Völkerrecht, und das Völkerrecht ist nicht verhandelbar. Das steht über allem."
    Nach dem Treffen der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte er, auch wenn die Wirtschaft leiden würde, komme man an solchen Maßnahmen vielleicht nicht vorbei. Er habe aber volles Vertrauen, dass die Bundesregierung darüber mit Augenmaß entscheiden werde.
    Wohl keine Handelsbeschränkungen
    Bei möglichen Wirtschaftssanktionen geht es ohnehin wohl weniger um Handelsbeschränkungen. Die wären auch schwer zu realisieren, sinnierte gestern der Vorstandschef des Salz- und Düngemittelherstellers K+S, Norbert Steiner:
    "Sie müssen sich dann letzten Endes vorstellen, wenn das greifen soll, da müsste ja um Russland herum ein Korridor gemacht werden, dass unter keinen wirtschaftlich-ökonomisch akzeptablen Umständen irgendein Gut die russische Republik noch verlassen dürfte. Das ist, glaube ich, rein technisch überhaupt nicht zu gewährleisten. Und ob man das tatsächlich überhaupt nur in Erwägung zieht, halte ich für eher fraglich."
    Wie Sanktionen ausgestaltet werden könnten, was die Europäische Union da im Sinn hat, das deutete sich im Lauf des Tages an. So wird ein EU-Vertreter zitiert, man wolle Einreiseverbote verhängen und Guthaben einfrieren. Angeblich wird auch ein Einreiseverbot für Igor Setschin diskutiert, den Chef des russischen Energiekonzerns Rosneft. Dessen Sprecher warnte, Sanktionen würden den westlichen Handelspartnern mehr schaden als dem Unternehmen. Strafmaßnahmen gegen Russland würden vor allem Deutschland treffen, meint auch Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank:
    "Wir haben 6.200 Unternehmen, die dort tätig sind, ein Investitionsvolumen von rund 20 Milliarden Euro steht da im Raum. Es sind interessante Absatzmärkte für unsere Automobilindustrie etc. Eine Verschärfung im Bereich der Wirtschaftssanktionen würde das politische Bild in meinen Augen nicht nachhaltig ändern, aber es würde den wirtschaftlichen Schaden für deutsche Unternehmen erhöhen. Aber wir sollten auch da die Kirche im Dorf lassen: Wir reden bei Russland von der Größenordnung von 2,5 Prozent an der Weltwirtschaft. Das ist eine überschaubare Größe."
    Börsen leiden unter Krise
    Auswirkungen der Krise aber sind an den Börsen schon deutlich zu spüren. So leiden besonders die Unternehmen, die enge Beziehungen zu Russland unterhalten. Für den Sportartikelhersteller Adidas ist das Land einer der wichtigsten Einzelmärkte, die Aktie hat in den letzten vier Wochen deshalb allein schon zwölf Prozent verloren und ist derzeit Schlusslicht im DAX: Auch der Handelskonzern Metro hatte eigentlich geplant, 25 Prozent der Tochter Cash & Carry Russland in der ersten Jahreshälfte an die Börse zu bringen, Metro hatte dabei einen Erlös von bis zu eine Milliarde Euro erwartet. Daraus dürfte vorerst jedenfalls nichts werden. Und auch der Generikahersteller Stada spürt die Krise deutlich: Das Unternehmen erlöst etwa ein Fünftel seines Umsatzes in Russland.