"Versprochen Mr. Wright, von meinem ersten Lohn leiste ich mir einen eigenen Internetanschluss."
Eigentlich ist alles aussichtslos für Maggy Garrisson. Im ersten Band war sie ganze zwei Jahre arbeitslos, bevor sie einen Job bei Privatdetektiv Wright bekommt, der gleich am ersten Arbeitstag zusammengeschlagen wird und ins Krankenhaus muss. Als sie kurzerhand selbst die Ermittlungen der Detektei übernimmt, muss sie sich mit so vielversprechenden Fällen wie dem Verlust eines Kanarienvogels herumschlagen. Oder wird von einem Mann mit schlecht sitzenden Jeans und mit hängenden Schultern engagiert, der im Verdacht steht, Schmuck und Geld der gerade verstorbenen Mutter geklaut zu haben.
"Zuhören kostet schon mal ein Pint."
Und dann lässt Comic-Autor Lewis Trondheim seine Maggy Garrisson immer wieder Ladendiebstähle beobachten - die die Privatdetektivin durchaus gutheißt, weil sie weiß, was es bedeutet, wenn man kein Geld hat. Sie selbst traut sich allerdings nur, das ein oder andere aus den vollbeladenen Einkaufkörben wohlhabender Muttis mitzunehmen - wenn die längst durch die Kasse durch sind.
"Es kommt mir so vor wie die Folge einer TV-Serie, nur ohne das Ende. Verdammt frustrierend."
Durch und durch britisch
Das Lesen dieses Comics ist dagegen ein Genuss. Wegen der kaltschnäuzig-lakonischen Anmerkungen von Maggy Garrisson. Weil dieser Comic so durch und durch britisch wirkt: Trondheim hat nicht nur das Londoner Pub-Sterben untergebracht - und lässt Maggys Lieblingskneipe einfach im dritten Band schließen. Auch sein Zeichner Stéphane Oiry trifft die britischen Farben haargenau: Das satte, warme rot vieler Pubs und die Straßen wirken so grau verhangen, dass man meint, der britische Nebel würde einem direkt in die Knochen kriechen. Die Farben hat Oiry plakativ aufgetragen. Sein Strich franst dagegen immer wieder aus und lässt die Figuren derangiert wirken.
"Wenn mir die Moralpredigten meiner Mutter fehlen würden, säße ich nicht hier."
Und dann zitiert Trondheim tatsächlich die ein oder andere Fernsehserie. Maggy Garrisson ist beim Lösen der Fälle mitunter so einfallsreich wie MacGyver: Die Diebesbande zum Beispiel, die die Häuser von frisch Verstorbenen ausraubt, während die Angehörigen bei der Beerdigung sind, bringt sie mit dem Feuerzeug ihres Chefs zur Strecke.
"Ich habe mich mit Ihrem komischen Pistolenfeuerzeug hinter den Wagen geduckt und die Reifen angekokelt. Außerdem habe ich Ihre Flasche zerbrochen und die Splitter vor die Reifen geschoben. Ihr Alkoholismus hat gewonnen."
Von Opfern zu Tätern
Und ganz ähnlich wie in der Serie "Breaking Bad" rutscht Maggy Garrisson von Band zu Band in immer größere Miseren. Ihr Freund, eigentlich ein grundsolider Typ, jobbt bei einer Bande als Geldeintreiber, weil er nach dem Studium keinen anderen Job findet und verprügelt ausgerechnet eine Freundin von Maggy Garrisson - eine Polizistin, die sich allerdings als ziemlich hinterhältig erweist.
Der Reiz des Comics besteht allerdings nicht darin, dass ein korrekter Saubermann - beziehungsweise eine "Sauberfrau" - sich immer tiefer in kriminelle Machenschaften verstrickt. Lewis Trondheim zeigt in "Maggy Garrisson" vielmehr Pragmatiker, die nicht die Opfer ihrer aussichtslosen Lebensumstände werden wollen - und deshalb selbst zu Tätern werden. Das erinnert an die britischen Sozialdramen eines Mike Leigh und verleiht dem Stoff neben all dem kaltschnäuzigen Humor auch Tiefe.
"Maggy, Du dumme Kuh. Maggy, Du Loserin. Fahr' zurück nach London und stürze Dich in einen tiefen, tiefen Ozean aus Bier!"
"So war das nicht gedacht", heißt der dritte Band der Reihe. Am Ende bekommt Maggy Garrisson ein Jobangebot vom Bandenchef, weil sie so geschickt ihre Freundin, die Polizistin, umgebracht hat. Sie lehnt ab. Aber wer weiß, welche Umstände sie im nächsten Band dazu bewegen, ihre Vorsätze fahren zu lassen.