Der Boden auf dem Bahnhofsvorplatz in Berlin Schöneweide ist noch immer schwarz, verkohlt vom Feuer. Absperrband umgibt den Platz, an dem Andreas D. und Lothar V. monatelang geschlafen haben - auch in der Nacht zum Montag.
Freunde zogen die Schwerverletzten aus den Flammen
"Das hat geknallt, es gab einen Feuerball, dann sind Leute auf die Straße gerannt, Feuer, Hilfe, Hilfe. Dann kam ein Krankenwagen an, den hab ich dann angehalten. Und dann kam noch die Feuerwehr. Brandermittler. Kripo. War schon richtig heavy, wa!"
Dani Müller ist ein guter Bekannter der 47 und 62 Jahre alten Opfer. Er war in der Nacht dabei, als der Täter die Obdachlosen mit einer brennbaren Flüssigkeit übergoss und anzündete. Andere Passanten rannten ins benachbarte Bistro, um einen Feuerlöscher zu holen. Gemeinsam zogen sie die schwerverletzten Männer aus den Flammen.
"Die waren so verrußt, kannste Dir gar nicht vorstellen. Dann haben sie erst mal Sauerstoff bekommen, man weiß ja nicht, was die für Dämpfe eingeatmet haben."
Der 54-jährige ist oft mit seinen Bekannten hier am Bahnhofsvorplatz. Sie quatschen, rauchen, trinken hier zusammen. Auch heute, am Nachmittag nach der Tat. Müller schüttelt immer wieder den Kopf, redet sich langsam in Rage. Er kann nicht fassen, was seinen beiden Freunden angetan wurde.
"Wenn irgendjemanden Obdachlose stören, dann sollen sie weggucken oder gar nicht hier vorbei laufen. Oder ihnen helfen. Die haben ja keinem was getan."
Lothar .V ist mittlerweile ansprechbar, ihm geht es den Umständen entsprechend gut. Andreas D liegt auf der Intensivstation, im Schutzkoma, seine Haut ist zu einem Drittel verbrannt. Über den Täter und dessen Motiv ist noch immer nichts bekannt, sagt Martin Halweg, Sprecher der Berliner Polizei.
"Momentan wissen wir, dass ein Täter von dem Ort flüchtig ist, der auch im dringenden Tatverdacht steht, die Tat begangen zu haben. Die Motivlage ist noch völlig unklar, wir ermitteln mit Hochdruck in sämtliche Richtungen, dabei sind wir auch dabei, Zeugen zu befragen, auch das Umfeld der Obdachlosen zu erhellen, um in Erkenntnisse zu gewinnen, wo die Motivlage zu der Tat sein könnten."
Allein in diesem Jahr zehn Angriffe
So drastisch diese Tat ist, neu sei Gewalt gegen Obdachlose nicht, sagt Ortrud Wohlwend von der Berliner Stadtmission. Sie engagiert sich seit mehr als zehn Jahren bei der Obdachlosenhilfe in Berlin.
"Für uns als Berliner Stadtmission ist das ein zutiefst verstörender Vorfall. Ich kenne das schon seit 20 Jahren, dass Menschen schwer misshandelt werden und auch der Tod einkalkuliert oder in Kauf genommen wurde. Aber in dem Augenblick, wo nochmal Feuer ins Spiel kommt. Also einen Menschen zu verbrennen, das ist ja ein ganz furchtbarer Tod - und so etwas mitten in unserer Stadt geschehen zu lassen - einige Menschen denken offenbar, dass andere nicht wert genug sind, zu leben und den Tod einfach verdienen."
Allein in diesem Jahr wurden in Berlin zehn schwere Angriffe auf Obdachlose publik. Die meisten Taten würden aber gar nicht erst angezeigt. Was den Täter, der die beiden Männer in Schöneweide angetrieben haben mag, das weiß auch Wohlwend nicht. Oft stehe hinter solchen Taten: Mangelndes Selbstwertgefühl, Selbsthass.
"In der Regel sind es keine Einzeltäter, das sind oft kleine Teams und diese jungen Männer fühlen sich selbst wertlos, vernachlässigt. Und wenn ich dann jemanden finde, der vermeintlich noch geringer ist, als ich mich selbst empfinde, dann verschaffe ich mir selber einen Wert, indem ich dem anderen etwas antue. Dann habe ich Macht in diesem Augenblick. Macht über Leben und Tod. Ob man einen Brandsatz in ein Asylbewerberheim wirft oder einen Wohnungslosen anzündet, es ist immer Hass dahinter, Hass auf jemanden anderen und ich würde sagen auch der Hass auf sich selbst."
Solidarität, Trauer und Wut
Vor dem Tatort hat inzwischen eine Mahnwache begonnen. Mehr als 150 Menschen stehen vor dem Bahnhofsvorplatz in Schöneweide, manche mit Transparenten in den Händen. "Armut ist kein Verbrechen". "Solidarität" steht darauf, und "Menschenverachtung tötet, egal ob hier oder im hier wie im Mittelmeer"
"Das berührt mich sehr, ich feinde es schlimm, dass Menschen so etwas machen. Sie sollen sie doch in Ruhe lassen. Sie haben sich diesen Mensch gewählt, na bitte. Was das für Menschen, sind die so etwas machen."
Eine junge Mutter stoppt ihren Kinderwagen. Sie kommt fast jeden Morgen hier vorbei. Hat den beiden Opfern immer mal wieder Geld gegeben oder was zu Essen mitgebracht.
"Es ist echt unmöglich, das so etwas passiert. Die waren ja friedlich, sie haben nie jemandem irgendwas getan, sie wollten nur ihre Ruhe, weil sie nirgendwo hinkonnten."